Mathias Klammer, Der Minimalismus der Dinge

Buch-Cover

Schon beim guten alten Stifter ist im sanften Gesetz davon die Rede, dass in den unscheinbaren Dingen die große Kraft des Weltgeistes wirkt.

Mathias Klammer geht in seinem Roman vom Minimalismus der Dinge so genannten kleinen Ereignissen nach, die aber für die installierten Figuren große Auswirkungen haben können.

Nach einer Widmung an das Alphabet wird der Minimalismus ähnlich den Jahreszeiten in vier Zeitebenen aufgerollt. Heute vor einer Stunde, Gestern und in der Vergangenheit, Jetzt und gegenwärtig, Das Ende im Nachhinein lauten die Aggregatzustände, in denen sich der Minimalismus manifestieren kann.

Der Roman entwickelt sich aus dem Minusbereich auf die Null zu, der Leser arbeitet sich vom Kapitel Minus sechzig hoch bis zur Null, worin es heißt

Genieße die kleinen Dinge. Aber lass dich nicht von ihnen überwältigen. (153)

In unzähligen kleinen Episoden versuchen ein paar Paradefiguren ihren Lebenssinn aus kleinen Partikeln zusammen zu saugen wie ein Staubsauger der Erkenntnis. Manchmal wird eine Liebschaft aus kleinen Bewegungen im Nachtclub zusammengebastelt, dann wiederum beamt sich jemand zurück zur Großmutter, deren Sätze und Handbewegungen sich zeitlos in ihm eingebrannt haben.

Wenn der Wind auf ein Blatt Papier traf, ergab sich ein ganz besonders Kammerspiel der Gefühle. Ich erlebte es jeden Tag. Ich stand am Fenster, blickte in die Wolken. Sie ergaben asymmetrische Muster, denen ich Namen gab. In meinem Kopf nannte ich sie Thomes. Und Berta. (48)

Die Figuren wirken oft völlig selbstverloren und unterwerfen sich den Beobachtungen, die sie nicht steuern können. Letztlich sind die Handvoll Helden und Heldinnen den Dingen ausgeliefert, die sie umgeben. Obwohl sie scheinbar verschiedene Schicksale ausgefasst haben, läuft es durch die Zeiten hindurch auf das gleiche hinaus: es sind die kleinen Fusel, die die Lebensstimmung machen. So ticken ein Altenpfleger und eine tschechische Prostituierte ähnlich, wenn sie sich über sich selbst Gedanken machen, sie sind alle letztlich hilflos.

In den kleinen Episoden entsteht höchste Poesie. Da kann jemand Glück auslösen, weil er Österreicher ist, Großmutters Stricknadeln klappern durch die moderne Welt, selbst eine Schlägerei nach einer aufgedeckten Affäre läuft nach poetischen Regeln ab.

Mathias Klammer erzählt oft in kleinen Satzellipsen, die Dialoge sind oft auf das Hin- und Herschwenken einzelner Wörter reduziert. Und letztlich entwickelt sich eine wundersame Philosophie voller Geduld und Bescheidenheit, das Glück muss man erwarten und darf es nicht übers Knie brechen.

Sie zog den Pullover über den Kopf, legte sich nackt in das getrocknete Gras. Es kitzelte. Es fühlte sich gut an. Er fühlte sich gut an. Der Minimalismus der Dinge. (152)

Mathias Klammer, Der Minimalismus der Dinge. Roman
Gosau: arovell 2011, 153 Seiten, 12,90 €, ISBN 978-3-902547-32-3

 

Helmuth Schönauer, 07-04-2011

Bibliographie

AutorIn

Mathias Klammer

Buchtitel

Der Minimalismus der Dinge

Erscheinungsort

Gosau

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

arovell

Seitenzahl

153

Preis in EUR

12,90

ISBN

978-3-902547-32-3

Kurzbiographie AutorIn

Mathias Klammer, geb. 1988 in Osttirol, lebt in Leisach.

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