Anna K. Shevchenko, Ein fatales Erbe

Buch-Cover

Über den griechischen Wein gibt es seit Erhart Kästner den schönen literarischen Witz, dass er sich, klug wie er ist, nicht transportieren lässt. Etwas Ähnliches scheint auf manche national-Literaturen zuzutreffen.

So ist beispielsweise die ukrainische Literatur wild und anarchistisch, solange sie im eigenen Land geschrieben wird, und etwas fad und westlich, wenn die Ukrainer emigriert sind.

Anna Shevchenko designet sich im Klappentext als Wundergirl, das sieben Sprachen spricht und von London aus die alten ukrainischen Mythen aufarbeitet. Einer dieser Mythen ist der sogenannte Kosaken-Schatz, den einst ein Ukrainer vom Hofe Peters des Großen nach London geschleppt haben soll.

Als ein Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes einen unvollständigen Akt aushebt, in dem genau die wichtigen Blätter in Punkto Goldschatz fehlen, löst er damit seine eigene Karriere auf und einen Recherche-Krimi rund um die Welt aus. Es geht um nichts weniger, als dass man den Goldschatz in London beheben kann, wenn man die entsprechenden Urkunden in den Händen hält.

Während sich der Agent Taras nach London begibt, um eventuell den Goldschatz zu heben, strolcht umgekehrt die Anwältin Kate in der Ukraine herum, um Genaueres zu recherchieren.

Unter den großen Kapiteln die Suche, die Grenze und die Weisheit erleben beide Protagonisten die verschlungenen Pfade von halb versickerten Mythen. Das Ende ist absehbar, die Geschichte vom Kosaken-Schatz ist um einen Roman reicher geworden.

In den Roman verpackt Anna Shevchenko freilich eine Menge guter Stories. Allein wie ein Archivar in den Geheimdienst-Regalen herum schnüffeln muss, macht jedem noch lebenden Bibliothekar dieser Erde große Freude. Und wie die Anwältin um ein Haar in der Ukraine vergewaltigt wird, passt perfekt zu den bösen Wodka-Geschichten, wonach dieser die Männer wild aber impotent macht.

Über diese persönlichen Berufsgeschichten ist die große Weltgeschichte gelegt. So werden wir Leser manchmal ins 18. Jahrhundert zurück gebeamt, dann wieder in die Stalin-Zeit und schließlich in die Präsidentschaftssuite der modernen Ukraine.

Wer die wahre Geschichte gerne mit einer durchgehenden Fiktion unterlegt haben will, ist mit diesem Roman bestens bedient. Wenn man allerdings weiß, wie viele literarische Schätze der aktuellen Ukraine noch ungehoben und unveröffentlicht im Untergrund herum geistern, der wünscht sich sehnlichst echte Literatur aus dem echten Land, und keinen im Windkanal der westlichen Ästhetik geglätteten Roman.

Anna K. Shevchenko, Ein fatales Erbe. Roman, a. d. Engl. von Sabine Hübner [Orig.: Bequest, London 2010]
Hamburg: Hoffmann und Campe  2011, 349 Seiten, 19,99 €, ISBN 978-3-455-40307-7

 

Helmuth Schönauer, 12-04-2011

Bibliographie

AutorIn

Anna K. Shevchenko

Buchtitel

Ein fatales Erbe

Originaltitel

Bequest,

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Hoffmann & Campe

Übersetzung

Sabine Hübner

Seitenzahl

349

Preis in EUR

19,99

ISBN

978-3-455-40307-7

Kurzbiographie AutorIn

Anna K. Shevchenco, geb. in der Ukraine, leitet eine Agentur für interkulturelle Mediationsberatung.

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