Benjamin Alire Saenz, Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums

„An einem Sommerabend schlief ich ein und wünschte mir, dass die Welt beim Aufwachen eine andere wäre. Als ich am Morgen die Augen aufmachte, war die Welt noch dieselbe.“ (8)

Wir schreiben das Jahr 1987, der mexikanisch stämmige Aristoteles Mendoza ist fünfzehn Jahre und steckt mitten einer tiefen Identitätskrise. Er ist ein Einzelgänger, dem es schwer fällt Freunde zu gewinnen. Vor allem aber leidet er unter der Verschlossenheit seines Vaters, ein Briefträger und Ex-Marine aus dem Vietnamkrieg, sowie unter der Tatsache, dass sein großer Bruder im Gefängnis ist und weder sein Vater noch seine Mutter über ihn sprechen.

Ari ist ein grüblerischer Einzelgänger, dessen Gedanken immer wieder um seinen Bruder Bernardo kreisen, der seit Jahren im Gefängnis sitzt. Während Aris Vater eher wortkarg ist und nie von seinen Erlebnissen im Vietnamkrieg erzählt, fühlt er sich von seiner Mutter Liliana, eine Lehrerin an der Austin Highschool meist übermäßig bemuttert und kontrolliert.

Im Schwimmbad, als er Schwimmen zu lernen versucht, lernt er den gleichaltrigen Jungen Dante Quintana kennen, der ihm anbietet, ihm das Schwimmen beizubringen. Die Begegnung mit dem intellektuellen und offenen Dante wirkt auf Ari wie eine Befreiung. Ari lernt Dantes Eltern kennen, dessen Vater Sam, ein Professor für Literatur und Dantes Mutter Soledad, deren offene, kultivierte und fröhliche Art Ari tief beeindrucken.

Zwischen Ari und Dante entsteht eine tiefe Freundschaft, die sich in ihren unterschiedlichen Wesen, aber ihrem gemeinsamen Humor und ihren gemeinsamen Interessen wundervoll ergänzen. Als Dante erzählt, dass sein Vater eine Gastprofessur an der University of Chicago übernommen habe und die Familie für eine Jahr fortziehen werde, ist Ari emotional zutiefst betroffen. Dante versucht einen verletzten Vogel von der Straße zu bringen und bemerkt nicht, dass ein Auto direkt auf ihn zusteuert. Ohne nachzudenken stürzt sich Ari auf Dante, und rettet ihm das Leben. Er selbst muss mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden.

Ari gelingt es sich rasch zu erholen und die letzten Wochen bis zu Dantes Abreise mit zahlreichen Diskussionen und tiefen Gesprächen zu verbringen. In seiner Einsamkeit nach Dantes Abreise kreisen seine Gedanken wieder verstärkt um seinen Bruder Bernardo und seinen verschlossenen Vater. Dante schreibt ihm regelmäßig lange Briefe, in denen er von seinen ersten Erfahrungen mit Alkohol und Canabis sowie einem Kuss mit einem Mädchen erzählt.

„Sie küsst gut. In dieser Hinsicht hat sie mir viel beigebracht. Aber am Ende meinte sie: >Dante, ich glaube, wenn du mich küsst, küsst du eigentlich jemand anderen.< >Ja<, sagte ich. >Küsst du ein anderes Mädchen? Oder küsst du einen Jungen?< Ich fand das eine sehr interessante und dreiste Frage. >Einen Jungen<, sagte ich.“ (240)

Nach Dantes Rückkehr nach El Paso lebt die Freundschaft der beiden nahtlos fort, bis Dante eines Tages von einer Jugendclique überfallen und krankenhausreif geschlagen wird. Bei Ari brennen die Sicherungen durch und der beginnt nach den Tätern zu suchen.

Benjamin Alire Saenz gelingt eine überaus emotionale und literarisch einfühlsame Auseinandersetzung mit den seelischen Irrungen und Wirrungen der Pubertät und der schmerzlichen Selbstfindung, wenn die eigene sexuelle Ausrichtung nicht den erwarteten Normen entspricht. Saenz beschreibt auf ruhige, einfühlsame und gleichzeitig auf überaus präzise Weise über die emotionale Gedankenwelt seiner Helden, die auf unterschiedliche Weise mit ihrer erwachenden Homosexualität reagieren.

„Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums“ gehört sicherlich zum Besten, was die Literatur, im speziellen die Jugendliteratur zum Thema Pubertät, Identitätskrise und Homosexualität zu bieten hat. So einfühlsam, humorvoll, befreiend und emotional berührend wurde selten in einem Buch die Komplexität der Liebe in Sprache gefasst. Ein literarisch anspruchsvolles Buch das nicht nur Jugendlichen sondern auch Erwachsenen vorbehaltlos empfohlen werden kann.

Benjamin Alire Saenz, Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums. Übers. v. Brigitte Jakobeit [Orig. Titel: Aristotle and Dante discover the secrets of the universe], ab 14 Jahren
Stuttgart: Thienemann Verlag 2014, 384 Seiten, 17,50 €, ISBN 978-3-522-20192-6

 

Weiterführende Links:
Thienemann Verlag: Benjamin Alire Saenz, Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums
Wikipedia: Benjamin Alire Saenz

 

Andreas Markt-Huter, 13-01-2015

Bibliographie

AutorIn

Benjamin Alire Saenz

Buchtitel

Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums

Originaltitel

Aristotle and Dante discover the secrets of the universe

Erscheinungsort

Stuttgart

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Thienemann Verlag

Übersetzung

Brigitte Jakobeit

Seitenzahl

384

Preis in EUR

17,50

ISBN

978-3-522-20192-6

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Benjamin Alire Sáenz schreibt Lyrik und Prosa für Erwachsene und Jugendliche. Sowohl seine Bücher für Erwachsene als auch seine Jugendbücher, erhielten zahlreiche Auszeichnungen. Im Alter von 54 Jahren bekannte er sich zu seiner Homosexualität. Sáenz unterrichtet Kreatives Schreiben an der University of Texas in El Paso.