Pfeifer Huisile - ein Hexenmeister aus Südtirol

Am 14. November 1685 wurde in Meran ein Mathäus Hägele enthauptet und verbrannt. Hinter diesem historisch fassbaren armen Teufel steckt eine bekannte Sagengestalt der Brennergegend, der Südtiroler Hexenmeister Pfeifer Huisile.

Dieser Pfeifer Huisile lebt in der Sage als volkstümlicher Hexenmeister weiter. Sein Humor zeichnet ihn besonders aus, der Schalk sitzt ihm im Nacken, wenn er auf seinem Eselchen durch die Tiroler Berge zieht.

 Und die Sage erzählt:

Geboren wurde Pfeifer Huisile um 1620 in Flading im Ratschingstal. Seine Eltern waren arme Bauersleute, Not und Elend gehörten zu seiner Kindheit. Schon als Kind war er ein Nichtsnutz und Tunichtgut. Er wurde ein eher arbeitsscheuer, dabei witziger und schlauer Bauernknecht. Sein für ihn zu arbeitsreiches Leben gefiel ihm nicht und er wandte sich an den berühmtesten und düstersten Hexenmeister seiner Zeit, den Lauterfresser in Brixen. Laut Hermann Holzmann sagte er zu ihm:

I bin zu guet für die Arbeit und zu schlecht zum Nichtstun
I will a Mensch sein wie di andern
Will löbn und wenig arbeiten
Landauf und landab ziechen
Und will Gewalt bekommen über die Menschen!

Diesen Wunsch erfüllte ihm der Lauterfresser, indem er Huisile in die Zauberei einwies. Nach seinen Lehrjahren in Lana schloss er einen Pakt mit dem Teufel, der ihm nach einem Kegelabend in Gossensaß begegnete. Als Zeichen, dass er nun ein Hexer war, sollte er sein rotes Federchen am Hut nicht mehr links, sondern rechts tragen. Er bekam Gewalt über Tiere, Menschen und das Wetter und er beschäftigte sich fortan mit Schadenzauber. Er schöpfte als Fliege verwandelt den Rahm von der Milch, verwandelte die Krapfen in Mäuse, bestrafte eine geizige Bäuerin, die ihn hatte hungern lassen, indem er ihr als Maus den neuen Festtagsrock zernagte. Er verliebte sich in eine Kellnerin am Jaufenpass, die ihn verließ, als sie merkte, dass er ein Hexer war. Sie wurde nie mehr gesehen. Den Kraxentragern spielte er arge Streiche, half ihnen andererseits aber auch oft. Er narrte reiche Bauern und Gastwirte, wann immer es ihm gefiel.  Eine besondere Freude machte ihm die Kunst des Stellens. Dabei ließ er die Menschen mitten in ihren Bewegungen erstarren und befreite sie erst wieder, wenn es ihm lieb war.  Bauersleute beim Heuen, ganze Fronleichnamsprozessionen mit Blasmusik waren seine Opfer. Rund um die Bergtäler des Brennerpasses war Huisile oft mit seinem Ziegenbock  unterwegs, um mit Blitz und Donner Menschen in Angst zu versetzen, ihnen mit Sturm und Hagel, Lawinen und Muren zuzusetzen.

Die Zerstörungen des Huisile wurden so übermäßig, dass man ihm das Handwerk legen wollte. Endlich hatte man ihn endgültig gefasst. Man brachte ihn zur Richtstätte nach Meran und er wurde in einen Kessel mit siedendem Öl getaucht. ?Beeilt euch, dass ich noch mit allen Teufeln zu Mittag essen kann!? Daraufhin hauchte er sein verpfuschtes Leben aus. (Haller-Martin 2006, S.82)

Der Steinacher  Schriftsteller und Heimatforscher  Prof. Dr. Hermann Holzmann  interessierte  sich in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts für die Sagen des Wipptals. Aus seiner intensiven Beschäftigung mit den Sagen hatte  es ihm die Person des Pfeifer Huisiles  mit all seinen lustigen Geschichten am meisten angetan. 1954 entstand das Buch Pfeifer Huisile- der Tiroler Faust, das heute vergriffen ist.  Im Internet findet man die Sagen vom Pfeifer Huisile erzählt von Hermann Holzmann unter www.sagen.at.

Im Jahr 2006 erschien im Verlag A. Weger in Brixen ein schönes Kinderbuch der Südtiroler Autorin Christine Haller - Martin, illustriert von Ulrike Fulterer: Sagen vom Pfeifer Huisile einem Hexenmeister aus Südtirol für Kinder erzählt. Haller-Martin betont in ihren Erzählungen der Sagen die humorvolle Seite des Huisile, dabei zeigt sie den Hexenmeister als einen wahrhaft Widerständigen, der bis zuletzt - bis zu seinem Tod - keine Autorität anerkennt und erst recht  keine Reue zeigt. In ihrer Darstellung steckt im Pfeifer Huisile mehr ein Till Eulenspiegel der Berge als ein Faust.

Wie aber sah die Realität der Männer und Frauen aus, die zu Beginn der Neuzeit als Hexen und Zauberer angeklagt, verhört und gefoltert wurden? In welcher Welt lebte ein Pfeifer Huisile?

In Huisiles Welt

Der Glaube an Dämonen und Zauberer findet sich in allen Kulturen seit der Antike und vermischte sich mit dem christlichen Volksglauben. Die Menschen vergangener Jahrhunderte konnten ihr hartes Leben in den Bergen mit Lawinengefahr und Muren, der Bedrohung durch Krankheiten und Seuchen, Gewittern und Heuschreckenschwärmen besser bewältigen, wenn sie durch die Religion unterstützt wurden.  Neben den religiösen Bräuchen entstand aber auch eine Volksmagie. Diese beinhaltete magische und okkulte Praktiken und verband sie mit kirchlichen Riten und Sprüchen. Für die Menschen war die Volksmagie eine sinnvolle Ergänzung zu ihrem religiösen Leben.

Durch das  Konzil von Trient (1545-63) sollte die Kirche modernisiert werden und es erfolgte eine umfangreichen Reform an Haupt und Gliedern, die nun tief in das Leben der Menschen eingriff. Die Volksfrömmigkeit mit all ihren Eigenarten wurde als ordinär und dämonisch angesehen. Alles, was von der durch die Kirche vorgegebenen  Frömmigkeit abwich, war Zauberei. Die Befürworter und Anwender magischer Riten wurden nun zu Feinden Gottes und Gegnern der kirchlichen Autorität und Institution. Volksmagie wurde von der Kirche und den weltlichen Autoritäten zur Zauberei oder sogar Hexerei erklärt und mit besonderer Härte bekämpft. Und das Volk übernahm diese Ansichten. Die Jagd auf die Hexen  nahm ihren Anfang.

Die Anfänge der Hexenverfolgung in Tirol  lagen in der zweiten Hälfte des 15. Jhd., eine zweite Verfolgungswelle gab es um 1630 und eine dritte, in die auch der Tod des Pfeifer Huisile fällt, zwischen 1680 und 1730. In der dritten Verfolgungswelle wurden in Tirol zahlenmäßig am meisten Personen verfolgt und man nimmt allgemein an, dass es sich dabei um die Auswirkungen des Zauberer Jackl Prozesses in Salzburg handelt.

Der Dreißigjährige Krieg bewirkte in Tirol eine Einschränkung des Durchzugsverkehrs und die Einnahmen aus dem Handel brachen ein. Dies führte zu Teuerung, wirtschaftlicher Not und großer gesellschaftlicher Unzufriedenheit. Die Kornspeicher leerten sich, Warenlieferungen blieben aus, das Vaganten- und Bettlerwesen breitete sich aus. Die Kriminalität im Lande stieg, es gab Ausschreitungen und viel Gewalt. Viele Menschen waren unterernährt, es kam zu Krankheiten und zu Seuchen. Eine schwere Zeit, besonders für arme Leute! In diesem Klima und in dieser Zeit des Umbruchs wuchs Huisile auf. Wohl aus diesem Grund handeln viele Geschichten vom Pfeifer Huisile vom Essen, vom Rahmmus und Krapfen, von Milch und Butterknollen.  Es ist gut vorstellbar, dass ein armes Bauernkind aus dem hintersten Ratschingstal sehr oft hungrig war.

Vom Glauben an die Hexen

Und der Glaube an Hexen und Zauberer war im Volk fest verankert. Wenn jemand eine für Menschen unmögliche Tat ausführte und sich dabei magischer Praktiken bediente, sprach man von einem Zauberer. Auch rechtlich unterschied man davon die Hexen. Eine Hexe, ein Hexer war eine Person, die vom christlichen Glauben abgefallen war und sich dem Teufel ergeben hatte. Im Namen des Teufels richteten die Hexen Schaden an der Menschheit an. Es gab fünf klassische Delikte, die einen Hexer charakterisierten: Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexenflug, Hexensabbat und Schadenzauber.

 Der Schadenzauber (maleficium) bildet letztendlich jenes Element des Hexereidelikts, von dem eine Person und deren Umfeld persönlich betroffen sind ... Genau davor fürchtet sich der einfache Mensch, denn das Hexenwerk kann jeden auf vielfältige Weise treffen. (Rabanser 2006, S.22)

Milch-, Butter, Rahm - und wie in Huisiles Fall auch Krapfendiebstahl - waren  kleinere Zaubereien. Der Schaden durch verheerende Unwetter hingegen war sehr bedrohlich. Und den häufig auftretenden Schadenzauber der Tierverwandlung, der Lykanthropie, findet man bei Huisile auch, allerdings nicht in der lebensbedrohenden Form als Wolf, Bär oder Werwolf, die Mensch und Vieh tötet.  Huisile verwandelte sich der Sage nach in Fliege, Maus und Stier.

Ein Prozess

Hexerei galt als Sonderverbrechen, das als schweres Verbrechen gegen die Gesellschaft geahndet wurde. Darauf stand die Todesstrafe.

In Zeiten des Umbruchs stieg die Unsicherheit und Angst der Leute vor der Boshaftigkeit und Rivalität der Mitmenschen, dem wachsenden Einfluss teuflischer Mächte und einer damit verbundenen Angst vor einem möglichen Schadenzauber. Deshalb kam es in solchen Situationen allzu leicht zu Mutmaßungen und Denunziationen. Des Weiteren erkannten die Menschen die Möglichkeit der Ausgrenzung und Eliminierung von störenden, die Ordnung und Harmonie der Gesellschaft gefährdenden Mitmenschen, die zu Sündenböcken stilisiert wurden.(Rabanser, 2006, S. 18)

Hexenprozesse wurden von weltlichen Gerichten, die die Blut- oder Hochgerichtsbarkeit besaßen, also Todesurteile verhängen und vollstrecken konnten, geführt.

Bei einem Hexenprozess handelt es sich um einen Inquisitionsprozess, dessen Kennzeichen ist, dass der Richter die Rolle des Richters und gleichzeitig des Klägers innehat. Im Verfahren soll die angeklagte Person mit allen Mitteln, einschließlich der Folter,  zu einem umfassenden Geständnis bewegt werden. Der Angeklagte erhält keinen Rechtsbeistand. Das Ziel ist die Verurteilung des Beklagten, nur so kann das Verbrechen der Hexerei aus der Welt geschafft werden.

In der Zeit von Oktober bis November 1685 wurde im Land- und Stadtgericht Meran die Angelegenheit von Mathäus Hägele (oder Hänsele) vulgo Pfeiffer Hänsele (oder Huisele), ungefähr 60 Jahre alt, aus Ratschings, verhandelt.

Am 29. September 1685 sandte das Land- und Stadtgericht Meran die Unterlagen zur Person des Mathäus Hägele an die Regierung, die dem Gerichtsurteil in einem Antwortschreiben vom 27. Oktober 1685 zustimmte: Der Angeklagte solle für seine (nicht näher genannten) Vergehen als abschreckendes Exempel hingerichtet werden. Hägele wurde laut Paumgartner am 14. November 1685 enthauptet und verbrannt. (Rabanser 2006, S.283)

Ennemoser Christine

Quellen:

Haller-Martin, Christine: Sagen vom Pfeifer Huisile einem Hexenmeister aus Südtirol für Kinder erzählt. Brixen 2006 ( Verlag A.Weger)

Holzmann, Hermann: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust. http://www.sagen.at/texte/sagen/italien/huisele/sagen_huisile.html (20.10.2011)

Rabanser, Hansjörg: Hexenwahn. Schicksale und Hintergründe. Innsbruck-Wien 2006 (Haymon Verlag)

Artikelbild: Paul Fora (Aus dem Zyklus Pfeifer Huisile)



Quelle oder Autor/-in: Christine Ennemoser (RE)

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