Das Innsbrucker Zeitungsarchiv - ein Tiroler Aushängeschild Teil 1

Die größte universitäre Dokumentationsstelle für journalistische Literaturkritik im deutschen Sprachraum befindet sich in Tirol, genauer gesagt im Innsbrucker Zeitungsarchiv. Diese Forschungs- und Servicestelle der Universität Innsbruck versteht sich nicht nur als Informationsquelle für Angehörige der Universität, sondern für alle Literaturinteressierten.

In Innsbruck befindet sich ein Zeitungsarchiv, das zwar weltweit geschätzt wird, dessen Angebote bisher aber vorwiegend Personen aus dem universitären Bereich nutzen und nur zu einem geringen Teil Schulen, andere Dokumentationsstellen, Verlage, Theaterhäuser, Zeitungen und Privatpersonen. Ein Umstand, der sich in Zukunft ändern soll, wenn es nach dem Leiter des Innsbrucker Zeitungsarchivs, Prof. Dr. Stefan Neuhaus, geht. Er misst der Aufgabe, die Universität nach außen hin zu öffnen und die Öffentlichkeit zu informieren, einen besonders großen Stellenwert bei.

Benutzer des Innsbrucker Zeitungsarchivs können derzeit auf rund eine Million Artikeln zur Literatur aus den verschiedensten Zeitungen ebenso zurückgreifen. Außerdem befindet sich im IZA eine Zeitschriftendatenbank sowie eine umfangreiche, ständig wachsende Audio- und Videosammlung mit derzeit rund 9.000 Aufnahmen, hauptsächlich zur deutschsprachigen Literatur: Theateraufführungen, Hörspiele, literarische Verfilmungen, Porträts, Interviews, literarische Talkshows etc. Aus urheberrechtlichen Gründen kann die Sammlung nur vor Ort benutzt werden. Die große Fülle an Materialien zur Literaturrezeption bleibt aber nicht nur für wissenschaftliche und berufliche Zwecke vorbehalten, wie Prof. Neuhaus betont, sondern steht selbstverständlich auch allen LehrerInnen, SchülerInnen für den Unterricht sowie allen Literaturinteressierten zu privaten Zwecken zur Verfügung.

Gerade für den Unterricht bietet das Zeitungsarchiv eine Fülle an Materialien, die es ermöglichen, die Auseinandersetzung mit der Literatur in der Gegenwart anhand von Zeitungsartikeln sowie von Ton- und Filmaufnahmen zu dokumentieren. Die öffentliche Diskussion über Literatur in Form von Kritiken, Stellungnahmen von Autorinnen und Autoren u.a. bietet sowohl Unterrichtenden als auch SchülerInnen wertvolle Ansatzpunkte für die Auseinandersetzung mit Literatur und für deren Präsentation im Unterricht.

Dabei ist es möglich, die Materialien des Innsbrucker Zeitungsarchivs bequem von zu Hause aus auf der Internet-Site des Innsbrucker Zeitungsarchivs zu recherchieren. Das sind die biblitohraphischen Angaben zu Artikeln seit Oktober  2000 , von denen sich ein Teil als pdf.-Datei öffnen und ausdrucken lässt. Urheberrechtlich nicht freigegebene Artikel können bestellt und als Kopie vom IZA bezogen werden. Als Aufwandentschädigung wird in diesem Fall der Preis von 50 Cent pro Seite verrechnet. Wird die Recherche vom Archivpersonal durchgeführt, kommen für die ersten 30 Seiten 3,- Euro Bearbeitungsgebühr hinzu, sowie jeweils 1,- Euro für alle weiteren 10 Seiten. Für die Suche in der Datenbank des Innsbrucker Zeitungsarchivs via Internet empfiehlt es sich, zunächst die angegebenen Suchtipps näher anzuschauen.


Artikel am Innsbrucker Zeitungsarchiv können via Internet selbst recherchiert werden. Es ist aber auch möglich, die Mitarbeiterinnen des Archivs mit der Suche nach bestimmten Materialien zu beauftragen.

 

Wege, um im Innsbrucker Zeitungsarchiv zu recherchieren:

  • Interessierte kommen persönlich ins Archiv und führen die Recherche selbst durch.
     
  • Der Rechercheauftrag erfolgt telefonisch oder schriftlich via Snail- oder E-Mail
     
  • Die Rechercheure benutzen die Internetdatenbank, in der alle seit Oktober 2000 neu hinzukommenden Artikel bibliographisch aufgelistet werden.  Dank der
    Zustimmung vieler Zeitungsherausgeber kann ein Teil der Artikel kostenlos als PDF-Datei geöffnet und ausgedruckt werden. Die urheberrechtlich gesperrten
    Dokumente können über das Internet bestellt werden. Sie werden per Post als Papierkopien geliefert.

Lesen in Tirol hat den Leiter des Innsbrucker Zeitungsarchivs, Univ. Prof. Dr. Stefan Neuhaus, besucht und ihn in einem Interview über die Aufgaben, Ziele und Schwerpunkte der Einrichtung ebenso befragt, wie über die Nutzungsmöglichkeiten für Schulen und private Interessenten. Professor Neuhaus, dessen Forschungsschwerpunkte  auf den Gebieten Literaturkritik / Literatur und Journalismus, Literaturtheorie, Literaturgeschichte, Gegenwartsliteratur und Film liegen, gibt aber auch seine Sicht über die Aufgaben der Literaturkritik wieder und spricht über Literaturskandale, die im Innsbrucker Zeitungsarchiv dokumentiert sind und sich dort nachlesen lassen.


Interview mit Univ. Prof. Stefan Neuhaus: Teil 1


Lesen in Tirol: Wie würden Sie die Tätigkeit am Innsbrucker Zeitungsarchiv umreißen?

Stefan Neuhaus: Unsere Arbeit ruht einfach gesagt auf drei Säulen. Säule Nr. 1 ist das Archiv, das sich auch wiederum in drei Bereiche unterteilen lässt, Säule Nr. 2 ist die Forschung und Nr. 3 die Lehre und genauso sind wir am Institut für deutsche Sprache, Literatur und Literaturkritik auch integriert.

Das Innsbrucker Zeitungsarchiv in seiner Funktion als Archiv sammelt literaturkritische Texte in Zeitungen und Zeitschriften, also hauptsächlich Literaturkritik in Tages- und Wochenzeitungen. Wir haben bislang etwa 1 Million Artikel archiviert. Ein zweiter Bereich unserer archivarischen Tätigkeit besteht im Sammeln und Erfassen von Metadaten von Literatur- und Kulturzeitschriften. Als dritten Bereich archivieren wir Ton- und Filmmaterial aus Rundfunk- und Fernsehmitschnitten. Das sind zunächst einmal die drei Sammelgebiete des Archivs.

Wir verstehen uns aber auch als Forschungseinrichtung, d.h. wir sammeln nicht nur, sondern beobachten die Literaturkritik im Sinne von Berichterstattung über Literatur und Weltliteratur in deutscher Sprache und bauen auf diese Beobachtung auch Forschungsprojekte auf.

Zu den Projekten, die derzeit laufen, zählt ein Handbuch von Literatur- und Kulturzeitschriften in Österreich 1970-2000, ein derzeit weiter ausgebautes Teilprojekt davon ist eine Übersichtsdarstellung von Tiroler Literatur- und Kulturzeitschriften, was als Sonderpublikation veröffentlicht werden soll. Die Übersichtsdarstellung beinhaltet nicht nur gegenwärtig bestehende Zeitschriften, sondern alle Zeitschriften, die auch wieder eingestellt worden sind und nur kurze Zeit Bestand hatten. Es handelt es sich dabei um ungefähr 60 Zeitschriften, die es einmal gegeben hat oder die es immer noch gibt.

Wir haben hier selbstverständlich einen Sammelschwerpunkt und versuchen im Zuge dieses Projekts möglichst viele dieser oft gar nicht mehr vorhandenen und nur noch in Antiquariaten auffindbaren Zeitschriften aufzugreifen. Im Zuge des Projekts wurden auch die Herausgeber dieser Zeitschriften kontaktiert, die teilweise noch Exemplare zur Verfügung stellen konnten, sodass wir im Zeitungsarchiv nun auch eine Sammlung von Tiroler Literatur- und Kulturzeitschriften haben, die es so sonst nirgendwo mehr gibt.
Wir führen aber auch Projekte zur Literaturkritik auf den verschiedensten Gebieten durch, beispielsweise zu Fragen der literarischen Wertung.

 

 
Univ. Prof. Dr. Stefan Neuhaus leitet das Innsbrucker Zeitungsarchiv seit Oktober 2004 und ist Spezialist für Angewandte deutsche Literaturwissenschaft.  

 

Hier kommt zusätzlich noch der Bereich der Theorie mit hinein: Wie lässt sich Literatur bewerten? Literaturkritik findet ja nicht nur im Feuilleton statt und in Zeitschriften. Die kritische Bewertung von Literatur in einem weiteren Sinne gibt es natürlich in der Wissenschaft an den Universitäten genauso, aber auch in der Schule oder bei der Auswahl von Texten, wenn ich mir z.B. ein Buch kaufe u.s.w. Diese große Fragestellung geht so gesehen natürlich über die Literaturkritik im engeren Sinne weit hinaus. Hier treffen sich Literaturkritik und Literaturwissenschaft, die ja sehr eng zusammengehören.

Der dritte Bereich ist die Lehre, wo wir versuchen, zu den verschiedensten Themenbereichen Lehrveranstaltungen anzubieten. Dazu gehören Literaturkritik, Buchhandel und Verlagswesen - also der gesamte praxisbezogene Bereich der Literatur - ebenso wie der Bereich der Theorie, im Sinne von literarischer Wertung oder die Geschichte der Literaturkritik. Da wir ein Medienarchiv sind, das online zugänglich ist, spielt auch der Bereich Medien in der Lehre eine wichtige Rolle. Vor allem weil wir nicht nur schriftsprachlich fixierte Texte, sondern auch Tondokumente und Filmdokumente archivieren, besteht ein direkter Übergang zur Medienwissenschaft.

Wir versuchen z.B. im kommenden Semester in einer Ringvorlesung die Rezeption von Literatur im Film näher zu beleuchten. Durch die Ausweitung des Themenbereichs wird erst deutlich, wie stark die Bezüge des Teilbereichs der Literaturkritik und der Literaturrezeption in den Medien zum gesamten Bereich der Literatur eigentlich sind. Literatur und Kultur lassen sich ebenso wenig trennen wie Literatur und Medien.

Lesen in Tirol: Was sind die Aufgaben und Ziele des Innsbrucker Zeitungsarchivs?

Stefan Neuhaus: Zu den konkrete Aufgaben und Zielen gehört zunächst einmal die finanzielle Sicherung der Ausstattung und der praktischen Arbeit, die laufend weiter entwickelt werden muss. So führen wir derzeit eine Migration der Datenbank durch. Das Zeitungsarchiv Online konnte im Rahmen mehrerer größerer Projekte entwickelt werden und befand sich bislang unter externer Betreuung. Wir sind jetzt dabei, diese Daten zum Zentralen Informationsdienst der Universität Innsbruck zu migrieren, sodass die Datenbank des IZA in Zukunft auch ein integraler Bestandteil der Datenbankverwaltung der Universität ist, was sie bisher nicht war.

Die zweite Aufgabe, die derzeit durchgeführt wird, ist die Retrodigitalisierung unseres Altbestands. Das IZA präsentiert sich ja erst seit dem Jahr 2000 als Online-Archiv. Alles was vorher gesammelt wurde, steht in Ordnern am Institut und muss aus den Ordnern heraus recherchiert und kopiert werden. Die Digitalisierung des Altbestands wurde im letzten Jahr begonnen und dürfte voraussichtlich im September dieses Jahres abgeschlossen sein. Die eingescannten Artikel sind zunächst über eine zweite Suchmaske zugänglich. Wir können so die gesamten Kritiken, die bisher gesammelt worden sind, Online zugänglich machen.

Für die Zukunft ist ein Projekt geplant, um alte und neue Datenbank zusammen zu führen. Das Unterfangen wird nicht einfach sein, weil die beiden Datenbanken nach unterschiedlichen Prinzipien arbeiten, was mit dem relativ hohen Alter der Datenbank des Neubestands und den spezifischen Anforderungen bei der Archivierung der Papierkopien zusammenhängt.

Weiters wollen wir versuchen, die Abläufe im Archiv effizienter zu gestalten. Im nächsten Universitäts-Infrastrukturprogramm wollen wir versuchen, bei der Ausschreibung dabei zu sein, um für das Archiv Geräte auf dem neuesten technischen Stand zu bekommen. Wir arbeiten z.B. beim Scannen der Texte mit Geräten, auf denen noch das Betriebssystem Windows 2000 läuft. Dabei muss überlegt werden, ob es sinnvoller ist, für das Programm eine neue Lizenz zu erwerben oder sich ein neues Programm schreiben zu lassen. Dieses könnte unter Umständen einfacher zu bedienen sein und damit Einsparungen im Arbeitsbereich bringen.

  
Um die Online-Recherche am Innsbrucker Zeitungsarchiv in Zukunft noch effizienter zu gestalten, ist für die Zukunft geplant, alte und neue Datenbank zusammenzuführen. 

Wir arbeiten mit einer Wiener Einrichtung zusammen, die für uns ein Programm testet, mit dem es möglich sein soll, eine sogenannte semi-automatische Indexierung zu erstellen. Dies könnte eine erhebliche Unterstützung bei der Beschlagwortung unserer online erscheinenden Artikel sein. Das Programm soll dabei Texte automatisch nach Schlagwörtern absuchen und erfassen, sodass diese nicht mehr manuell am Computer eingegeben werden müssen. Semi-automatisch wäre das Programm deshalb, weil nach definierten Schlagworten schon eine Vorindexierung stattfindet, die dann aber noch zusätzlich von den Kolleginnen kontrolliert und wenn nötig mit zusätzlichen Schlagworten ergänzt wird.

Wir sind außerdem noch im Gespräch mit der DEA, der Abteilung für Digitalisierung und elektronische Archivierung der Universitätsbibliothek Innsbruck, die gerade eine österreichweite Erfassung bestimmter Artikel aus dem Bereich Literaturkritik startet, die auch für uns von Interesse ist. Wahrscheinlich werden wir in Zukunft Artikel nicht mehr schriftlich bestellen und dann selbst scannen müssen. Vielleicht wird es möglich sein, mit einem Headset die Zeitung durchzublättern und direkt per Computer durchzugeben, welche Artikel wir wünschen. Diese könnten dann von einem externen Anbieter gescannt und schon fertig aufbereitet an uns geschickt werden.

Die näheren Details sind zwar noch nicht genau definiert, wir versprechen uns aber davon doch einige Arbeitserleichterungen, gerade weil wir aufgrund der vielen Arbeitsschritte, die unsere Artikel durchlaufen, bis sie endlich elektronisch zur Verfügung stehen, einen hohen Personalaufwand haben, der mit unserem bestehenden Ressourcen, trotz allem Engagements unserer MitarbeiterInnen, einfach nicht mehr zu bewältigen ist.

Es ist uns auch ein wichtiges Anliegen, uns noch stärker in Forschung und Lehre der Universität zu verankern. Ich hoffe, dass das Innsbrucker Zeitungsarchiv bei der Umstellung im künftigen Lehrangebot für Bakkalaureat und Master, gemeinsam mit dem Brenner-Archiv, das ebenfalls bereits einen Brückenschlag zu Praxis leistet, in die neuen Studiengänge verstärkt integriert wird.


>> Das Innsbrucker Zeitungsarchiv - ein Tiroler Aushängeschild Teil 2
>> Das Innsbrucker Zeitungsarchiv - ein Tiroler Aushängeschild Teil 3



Andreas Markt-Huter, 17-06-2006

Weiterführende Links:
Innsbrucker Zeitungsarchiv
Lesen in Tirol: IZA - Literatur im Spiegel öffentlicher Medien

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