Partnerschaft Öffentliche Bibliothek und Schule - Teil 2

Seit die PISA-Studie im Jahr 2000 erstmals durchgeführt worden ist, finden Themen wie Lesen, Lesekompetenz und Möglichkeiten der Leseförderung eine breite öffentliche Aufmerksamkeit, wie sie vorher nur schwer vorstellbar gewesen wäre. Aber schon Jahre vorher wurden in verschiedenen Ländern neue Wege der Leseförderung getestet.

Wer sich über das Lesen Gedanken macht, denkt auch bald an jene öffentlichen Einrichtungen, die eng mit dem Lesen in Beziehung stehen: die Schulen und Öffentlichen Bibliotheken. Trotz dieser engen thematischen Beziehung blieb eine Zusammenarbeit beider Einrichtungen meist dem Zufall überlassen.

Teil 2

 


Die Öffentlichen Büchereien werden durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Öffentlichen Bibliotheken und Schulen schon früh als ein Lernort begriffen, wo die Leseförderung unterstützt und gefördert wird und der eine wichtige Grundlage für lebenslanges Lernen bildet. Foto: Markt-Huter

 

Die beteiligten BibliotheksleiterInnen erhielten im Bericht die Möglichkeit ihre abschließende Bewertung des Projekts festzuhalten:

Die Lesefreude von Kindern und Jugendlichen wurde durch die vielen Aktionen und die attraktiven Angebote der Bibliothek gesteigert. Dies gelang immer dann besonders gut, wenn die Freude am Lesen im Mittelpunkt der Bemühungen stand. Rosenheim hatte das Glück, dass der Start des Projektes fast gleichzeitig mit der Neueröffnung der Stadtbibliothek zusammenfiel, viele positive Entwicklungen haben sich daher sinnvoll ergänzt.
Susanne Delp, Stadtbibliothek Rosenheim, Lesen fördern in der Welt von morgen. S. 199

Das Projekt trug entscheidend zur Lobbyarbeit der Bibliothek in der Kommune bei. Die fest im Projekt verankerten Informationen und Kontakte zur Verwaltungsspitze und Vertreter des Stadtparlaments trugen, natürlich auf der Basis der überzeugenden Ergebnisse, maßgeblich zur Erhöhung des Stellenwertes der Stadtbibliothek bei.
Angelika Spiecker, Stadtbibliothek Greifswald, Lesen fördern in der Welt von morgen. S. 201

Während der gesamten Projektdauer hat ein fortwährender Veränderungsprozess in der Stadtbücherei Marburg stattgefunden, der die Bibliotheksmitarbeiter, die beteiligten Schulen und die avisierte Zielgruppe einschloss. Das Projekt bot die Möglichkeit, Maßnahmen zu ergreifen, die sich strikt an den Interessen und Bedürfnissen der Zielgruppen ausrichten [...] und in enger Kooperation mit den beteiligten Institutionen [...] Ideen auf konkrete Realisierung zu überprüfen und umzusetzen.
Jürgen Hölzer, Stadtbücherei Marburg, Lesen fördern in der Welt von morgen. S. 202

 

Besonders positive Begleiterscheinungen des Projektes sind:

  • Verstärkte Kontakte zu den Schulen
  • die Umsetzung der Klassenführungen nach neuen, aufeinander 
    aufbauenden Modellen
  • die Zusammenarbeit mit den Lehrern
  • die gemeinsamen Fortbildungsveranstaltungen
  • neue Impulse von außen
    Martina Brenner, Stadtbibliothek Ratingen, Lesen fördern in der Welt von morgen. S. 204

Nach unserer Einschätzung hat die Kooperation zwischen der Stadtbibliothek und den Schulen zu einer Steigerung der Lesefreude beigetragen. Folgende Indizien bestätigen dies:

  • die Begeisterung bei und nach den neuen Klassenführungen
  • die gestiegenen Ausleihzahlen
  • die positive Resonanz bei Schülern und Lehrern
  • die höhere Akzeptanz der Stadtbibliothek
    Viktoria Hartmann, Stadtbibliothek Villingen-Schwenningen, Lesen fördern in der Welt von morgen. S. 205

 


Veranstaltungen, die außerhalb der Schule stattfinden, wie hier die Veranstaltung "Raus mit der Sprache" in der Stadtbücherei Innsbruck im Jahr 2006, finden bei Schülerinnen und Schülern immer besonders großen Anklang. Foto: Markt-Huter

 

Auch von Seiten der Schule wurde die Kooperation als durchwegs positiv bewertet:

Die Zusammenarbeit mit der öffentlichen Bibliotheken wird als qualitativ neues Selbstverständnis betrachtet. Das Projekt ist eine tragende Säule im  Profilierungsprozess dieser Schule geworden, die kreatives Lernen in den Mittelpunkt stellt. Die natur- und geisteswissenschaftlichen Fächer geben an, die Zusammenarbeit mit der öffentlichen Bibliothek (Bücherkiste, Unterrichtsprojekt, Unterricht in der Bibliothek) als sehr Gewinn bringend und lesefördernd benutzt zu haben.
Angela Leddin, Verbundene Haupt- und Realschule Ernst-Moritz-Arndt?, Greifswald, Lesen fördern in der Welt von morgen. S. 207

 

Die Kooperation zwischen der Stadtbibliothek und unserer Schule hat aus verschiedenen Gründen zur Stärkung der Lesefreude beigetragen:

  • Bewusstere Nutzung der Bibliothek durch die Schüler
  • Bewusstere Nutzung der Bibliothek durch die Lehrer (Unterricht in der Bibliothek, Klassenführungen zu bestimmten Themen, Lesenächte, Bibliothekare gestalten Unterrichtsstunden oder nehmen an Leseaktionen der Schüler teil)
  • die Stadtbibliothek erhielt während des Projektes einen günstigeren 
    Standort
    Uwe Blazejczyk, Focault-Gymnasuim, Hoyerswerda, Lesen fördern in der Welt von morgen. S. 207

Die Stadtbücherei ist ein Lernort, der Leseförderung als Grundlage für lebenslanges Lernen unterstützt und fördert. Als Schulleiter der Theodor-Heuss-Schule Marburg habe ich das Projekt Öffentliche Bibliothek und Schule ? neue Formen der Partnerschaft? von Beginn an nicht nur unter der Zielsetzung Steigerung der Lesefreude bei Schülerinnen und Schülern? gesehen, sondern vor allem als eine Möglichkeit, unser pädagogisches Konzept Öffnung der Schule im Innern und nach außen konsequent weiter zu entwickeln.
Jochen Dietrich, Theodor-Heuss-Schule, Marburg, Lesen fördern in der Welt von morgen. S. 208

Durch Klassenführungen und sonstigen Besuchen in der Stadtbibliothek konnten ganz offensichtlich Schwellenängste abgebaut oder / und Nutzungsanregungen gegeben werden. Bei Schülern der Mittelstufe sprach sich u. a. im Zusammenhang mit Angeboten der Stadtbibliothek im Rahmen des Projektes vor allem auch die Möglichkeit herum, diese Einrichtung neben bzw. in Ergänzung zur Schulbibliothek als Ort der Materialbeschaffung für Referate, Vorbereitung auf Prüfungsarbeiten etc. nutzen zu können.
Julitta Fleischmann, Ignaz-Günther-Gymnasium, Rosenheim, Lesen fördern in der Welt von morgen. S. 209

Es steht außer Frage, dass die vielfältigen Projektaktionen zu einem höheren Stellenwert des Buches beitragen. Die Arbeit vieler meiner Kolleginnen und Kollegen hat sich durch das Projekt nachhaltig verändert. Sie beschritten neue Wege. Viele Projektaktionen konnten sich als feste Bestandteile ihrer Unterrichtsarbeit etablieren.
Franz-Josef Neher, Realschule am Deutenberg, Villingen-Schwenningen, Lesen fördern in der Welt von morgen. S. 210

Durch das Projekt war die Möglichkeit gegeben, Interesse bei Schülern zu wecken, in die Bibliothek zu gehen; bei dem einen oder anderen wurde die Liebe zum Buch geweckt und so konnte Leselust entstehen. Meinen Kollegen ist durch die Teilnahme am Projekt wieder mehr bewusst geworden, dass Lesen als Kulturtechnik unabdingbar ist und nicht genug geübt werden kann. Allerdings muss diese immer wieder durch neue Aufmunterung aufrechterhalten werden.
Christine Neumaier, Grund- und Teilhauptschule Rosenheim Happing, Rosenheim, Lesen fördern in der Welt von morgen. S. 211

 
Den am Projekt beteiligten Öffentlichen Bibliotheken gelang es, ihren Stellenwert innerhalb  in der Gemeinde wesentlich zu erhöhen und die Zahl der Mitglieder und Ausleihen signifikant zu steigern. Foto: Markt-Huter

 

Dem Projekt "Öffentliche Bibliothek und Schule - neue Formen der Partnerschaft" ist es überzeugend gelungen, die gezielte Zusammenarbeit zwischen den beiden Bildungseinrichtungen als erfolgreichen Weg der Leseförderung zu dokumentieren und für Schulen und Öffentliche Büchereien interessante praktische Beispiele der Zusammenarbeit und ihrer konkreten Umsetzung anzubieten.

Abschließend eine Zusammstellung, in denen die Erfahrungen und Ergebnisse des Projekts "Öffentliche Bibliothek und Schule - neue Formen der Partnerschaft" aufgelistet sind.

 

10 Thesen zum Lesen

  1. Öffentliche Bibliotheken und Schulen müssen ihre Angebote zur Leseförderung stärker an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen orientieren. Dazu gehören die kontinuierliche Erhebung von Themen- und Medieninteressen sowie der Einbezug der Schüler bei der Entwicklung der Angebote.
     
  2. Der Unterricht muss mehr als bisher die Lesegewohnheiten der Schüler und Schülerinnen aufgreifen.
     
  3. Leseförderung im Unterricht muss weg von der gängigen Interpretationspraxis hin zur kreativen produktions- und handlungsorientierten Umgangsformen mit Literatur führen.
     
  4. Der Fachunterricht muss Unterrichtsformen zur Integration von themenbezogener Belletristik und von Sachliteratur entwickeln.
     
  5. Die Zusammenarbeit von Stadtbibliotheken und Schulen muss systematisch koordiniert und entwickelt werden ? damit können nachweislich signifikant mehr Schüler als Leser gewonnen werden.
     
  6. Alle Maßnahmen zur Leseförderung innerhalb einer Stadt müssen vernetzt werden, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Ideal ist, wenn Schule, Öffentliche Bibliothek, Schulbibliothek, Buchhandel, Museen etc. einen gemeinsamen Angebotskatalog mit Maßnahmen zur Leseförderung publizieren. Dadurch entsteht Transparenz und es werden Synergieeffekte genutzt.
     
  7. Der Erfolg von Leseförderung muss messbar gemacht werden, um Sinn und Zweck jeder Maßnahme nachweisen zu können und somit Hilfen für die Argumentation im politischen Raum zu gewinnen.
     
  8. Schulen müssen durch Programm? und Profilbildung Lesen zum festen Element von fachbezogenen und fächerübergreifenden Unterrichtsmethoden machen.
     
  9. Das Leseverhalten von Eltern beeinflusst in hohem Maße die Lesekultur und Lesemotivation von Kindern und Jugendlichen.
     
  10. Eltern müssen in die Leseförderung durch Bibliotheken und Schulen einbezogen werden. Alle beteiligten Institutionen der Leseförderung sollten gemeinsam entsprechende Maßnahmen entwickeln und durchführen.
    Lesen fördern in der Welt von morgen. S. 212-213

 

Wer sich mehr für das Thema Zusammenarbeit zwischen Öffentlichen Büchereien und Schulen interessiert, findet in den weiterführenden Links umfangreiche Materialien, wie z.B. den Bericht über The Connecting Libraries and Schools Project der New York Public Library oder einen Reisebericht in dem Modelle der Kooperation aus den USA vorgestellt werden. Auf der Internet-Site der Bertelsmannstiftung befindet sich der komplette Abschlussbericht des Projekts "Öffentliche Bibliothek und Schule - neue Formen der Partnerschaft", sowie zahlreiche Teilberichte mit Anregungen für die konkrete Zusammenarbeit zwischen Schulen und Öffentlichen Bibliotheken.

 

>> Partnerschaft Öffentliche Bibliothek und Schule - Teil 1

 

Weiterführende Links:

 

Andreas Markt-Huter, 26-01-2007
aktualisiert: 24-04-2009

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