Liebesgedichte für die Hauptschule und die Schulbibliothek

In der Einstellung zur Lyrik hat sich über die Zeit eine Akzeptanz-Spaltung ergeben: Es gibt Großmütter, die noch bis ins höchste Alter Die Bürgschaft von Schiller stolz und fehlerfrei aus dem Gedächtnis vor ihren Enkeln aufsagen, während diese weder in der Lage sind noch Lust verspüren, auch nur einen Vierzeiler von sich zu geben.

Trotz der Tatsache, dass es zu jeder Zeit einfühlsame Deutschlehrer/innen gegeben hat, die fähig waren, ihren Schüler/innen eine positive Begegnung mit lyrischen Texten zu ermöglichen, scheint die Zahl ihrer weniger geschickt handelnden Kolleg/innen nicht belanglos gewesen zu sein. Diese während zahlloser Schülerleben gesammelten Frustrationen sollten und wollen überwunden werden. Man muss neue Wege in der Didaktik und Methodik beschreiten.

Wohl eine der wichtigsten Wirkungen, die von lyrischen Texten immer noch ausgehen kann, ist die Möglichkeit der Selbstbegegnung. Die Lyrikerin Hilde Domin sagte einmal, Lyrik lade uns ein zu der einfachsten und schwierigsten aller Begegnungen, der Begegnung mit uns selbst. Lyrik macht Menschen wacher und hellhöriger für alle Eindrücke der Welt. Wo echte Gefühle keinen angemessenen Ausdruck mehr finden, lässt eine oberflächliche Vernunft Geist und Psyche verarmen.

Liebeslyrik

Im Rahmen meiner Ausbildung zur Schulbibliothekarin habe ich die Literaturgattung Lyrik und hier nun gezielt Liebesgedichte in der Schulbibliothek ausgewählt. Doch gehört das Liebesgedicht in die immer mehr berufs- und konsumorientierte Schule? Das Liebesgedicht schafft eine unersetzliche Erweiterung des Bewusstseinshorizontes, es öffnet dem Menschen einen wertvollen Raum der Freiheit, der Würde, der Identität und es eröffnet ihm die Kraft des genauen Wortes, das Wirklichkeit benennt und nicht verhüllt. Doch nur wer glaubt, etwas Richtiges und Wichtiges zu vermitteln, wird mit seiner ganzen fachlichen und persönlichen Kompetenz dahinter stehen. Diese Feststellung trifft mit Sicherheit auch auf Bibliothekar/innen zu, in deren Arbeitsbereich als wichtiger Bestandteil die Vermittlung von Literaturerfahrungen und -kenntnissen liegt.

Man hat als Bibliothekar/in schon in der ersten und zweiten Klasse die Möglichkeit, Liebesgedichte zu behandeln, wobei ich in der ersten Klasse mehr auf Freundschaft eingehen würde. Doch vor allem in der dritten und vierten Klasse können Liebesgedichte von Nutzen sein, denn in diesem Alter reagieren Jugendliche auf das andere Geschlecht plötzlich umgekehrt. Das andere Geschlecht beginnt auf einmal interessant zu sein, obwohl sich Jungen und Mädchen in diesem Alter auch noch häufig necken, doch wie heißt es so schön? - Was sich liebt, das neckt sich!

Eines steht fest, der Lehrplan ermöglicht den Lehrer/innen den Umgang mit Liebesgedichten, die Frage ist nur, was man daraus macht. Meiner Meinung sollte jede/r Lehrer/in diese Chance nutzen, da Jugendliche durch Liebesgedichte von der dunklen Seite des Lebens abgelenkt werden können. Sie haben die Möglichkeit ihren Träume und Wünschen freien Lauf zu lassen und ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen.

Im Unterricht

Ein wesentliches Kriterium für die Betrachtung eines Liebesgedichtes in der Schule ist die Zeitnähe. Es muss jungen Menschen noch etwas Bedeutsames zu sagen haben, es soll aufgenommen und verstanden werden und es muss zur Auseinandersetzung mit der individuellen Lage anregen können. Natürlich werden zeitlose Gedichte auch immer ihren Wert behalten: die Geheimnisse des menschlichen Herzens und Gewissens, die Begegnung mit dem Tod oder die Überwindung seelischer Schmerzen. Liebesgedichte entstehen nicht einfach, man muss sie niederschreiben. Natürlich eignet sich die Schulbibliothek für so eine Vorgehensweise am besten, da sich die Schüler dort sehr wohl fühlen und ihre Gefühle somit besser ausdrücken können.

Arbeiten mit Liebesgedichten

Ich dich - und du mich auch
Wärst du nicht so
lieb liebte
ich dich nicht so

wärst du nicht so
aggressiv
ich dich nicht so

wärst du nicht so
beschissen
ich dich nicht so

wärst du nicht so
lieb liebte
ich dich nicht so

Textbegegnung

Der Text wird anlässlich einer aktuellen Begebenheit (z.B. Heiratsantrag eines Promipaares) angeboten. Je nach Situation werden von den Schülern nun Fragen entwickelt, für die aus verschiedensten Bezügen Antworten gesucht werden (z.B. Befragung, Lexikon, Gesetz usw.)

Zuerst kann man auch auf die literarischen Strukturen des Werkes eingehen, denn der/die Schüler/in weiß meist nicht, warum er/sie sich mit Fragen der Textstruktur beschäftigen soll. Der Lehrer oder die Lehrerin liest das Gedicht vor oder lässt das Gedicht vorlesen. Die Jugendlichen sollen erkennen, dass die Form des Textes ein literarisches Mittel ist, um Denkens- und Vorstellungweisen hervorzurufen. Hat das Gedicht einen Reim? Hat es mehrere Strophen? Besitzt es einen bestimmten Rhythmus?

Beziehung zum Text

Bei welcher Textstelle wird eine Überraschung hervorgerufen? Wie wird sie verstärkt? Die Schüler/innen könnten neue Formulierungen zur Verdeutlichung vorschlagen - wie verändert sich die Aussage dadurch? Sie sollen erfahren können, dass man ein Gedicht je nach Form anders versteht. Zudem könnte sich der Schüler oder die Schülerin mit Gegensätzen, mit den Schatten- und Sonnenseiten des Lebens, beschäftigen (z.B. Liebe-Hass). Man kann dann durch akustische oder visuelle Impulse selbst zum Schreiben eines Liebesgedichtes angeregt werden (3. Klasse) oder literarische Kleinformen erproben und mit der Sprache spielen und experimentieren (4.Klasse).

Zusätzlich kann man Rollenspiele, Pantomime und Schattenspiele machen. Bei jedem Liebesgedicht kann man passende Filme einbauen z.B. Romeo und Julia, Bilder suchen, die zum Thema Liebe passen und eine Kollage anfertigen, Gedichte zerschneiden (Reimwörter untereinander ins Heft schreiben, jede Gruppe liest Reimwörter vor, auf Reimwörter eingehen; selbst Reimwörter finden).

Die Schüler/innen und der Text sollen gleichermaßen berücksichtigt werden, d.h. im Unterricht die Schüler/innen selbst ebenso wichtig zu nehmen wie den Text. Dadurch ist der Text nicht nur Lerngegenstand, sondern Beziehungsgegenstand. Nicht der Text wird gelernt, sondern die Beziehung zu ihm reflektiert.

Liebesgedichte selbst schreiben

Nach Günther Nogler:

Monat

Blume

Adjektiv

Name

Fahrzeug

Wörtersack

Die Schüler/innen füllen den Wörtersack mit 10 Lieblingswörtern zum Thema Liebe, anschließend schreiben sie ein Gedicht, wobei das Wort ihres Nachbarn in der ersten Verszeile vorkommen muss!

Elfchen

der Name von jemanden             

wer das ist, wer der/die ist

wo du sie /ihn triffst

eine Frage an sie/ihn stellen

ein Abschlusswort

Abc-Texte:

Liebe ist ...

Aufregung

Blumen schenken

Charme versprühen

Wort-Anfang

Jede Zeile fängt mit dem gleichen Wort an. In der letzten Zeile kann etwas verändert werden.

Verliebt sein ist wie ein Lächeln im Alltag
Verliebt sein sind Stiche mitten ins Herz
Verliebt sein ist dein Gesicht in allen Fernsehern
Verliebt sein ist Aufregung, ist Sehnsucht, ist Schmerz
Verliebt sein ist so schön!

Akrostichon

L     Liebe im Frühling

I      Immer nur du

E     Erleben, fühlen, mit dir lachen

B     Berührung unserer Haut

E     Erklär mir, was ist falsch daran?

Nomen mit Artikeln

Ein Junge

Ein Mädchen

Ein Treffen

Ein Lächeln

Eine Berührung

Ein Kuss

Quellenverweis:

Chrobot, Manfred: Lyrik aus Österreich - Ich dich und du mich auch, Grasl Verlag, Baden bei Wien, 1990

Österreichischer Buchklub der Jugend: Raum für ein Gedicht - Projektbuch Lyrik, Wien, o.A.



Quelle oder Autor/-in: Kathrin Tschol (Reinhold Embacher)

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