Wort-­ und Sprachwandel im Unterricht

Dass sich Sprache ändert, ist an sich weder etwas Schlechtes noch etwas Besonderes. Denn sie ist, so wie alles andere Lebende auch, einer Entwicklung und somit Veränderung unterworfen.

Veränderung ist also völlig normal. Allerdings ist man dazu geneigt, gewisse Veränderungen subjektiv als gut oder aber auch als schlecht zu betrachten. Ich bitte daher um Verständnis, dass im Folgenden meine persönliche Sicht der Dinge einfließen lasse und keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhebe. Dennoch mögen meine Gedanken vielleicht den einen oder anderen dazu bewegen, die Augen zu öffnen, und gewisse Sachverhalte bewusster und differenzierter zu sehen.

Die Sprache im Unterricht ist in gewisser Weise auch ein Spiegel der Sprache quer durch alle Gesellschaftsschichten, Medien, Landstriche und Kulturen. Man kann sich im Unterricht nicht von den Strömungen und Veränderungen, die die Sprache durchmacht, abkoppeln und ein Eigenleben leben. Das würde in der Praxis lebensfremd und abstrus werden. Man muss sich also notwendigerweise anpassen. Allenfalls kann man versuchen, ausufernde Auswüchse bewusst zu machen, allerdings ohne große Hoffnung auf nachhaltigen Erfolg. Wenn es einem als Lehrer gelingt, eine Handvoll Menschen dazu zu bringen, mit offenen Augen durch den Sprachendschungel zu wandern, so muss er zufrieden und sich dessen bewusst sein, dass er einfach nicht imstande ist, mehr zu bewirken. Andernfalls muss er sich vorkommen wie jene bemitleidenswerte Kreatur des klassischen Altertums, die nach ihrem Tode dazu verdammt war, in alle Ewigkeit einen Stein den Berg hinaufzurollen, im Wissen, dass dieser, oben angekommen, auf der anderen Seite wieder herunterrollen wird. Wir wissen, wen wir meinen.

Mit anderen Worten: Das Gefühl, ein kleines, aber wertvolles Mosaiksteinchen im großen Sprachenbild zu sein, muss uns genügen, am Ende zur Gewissheit zu kommen, ausreichend Zeit und Energie investiert zu haben, ein kostbares Gut, wie unsere Sprache, genügend vor unliebsamen, unkontrollierbaren Einflüssen von wo auch immer, verteidigt zu haben.

Als ich im Jahre 1975 zu unterrichten begann, ahnte ich noch nicht, dass mich dieses Thema einmal beschäftigen würde. Mein Erinnerungsvermögen reicht nicht aus, alle Veränderungen, die im Laufe dieser Zeit passierten, zu speichern und ad hoc auch abzurufen. Ich kann daher nur versuchen, einige Beispiele, die mir besonders präsent sind, aufzugreifen und meine Sichtweise zu erläutern. Es soll jedoch endlich darauf hingewiesen werden, dass die folgenden Beispiele auch zum Teil schon vor meiner Zeit so manchen ehrenwerten Pädagogen vor schier unlösbare Probleme gestellt haben könnten.

Ich habe im Folgenden nur ein paar Beispiele aufgegriffen, die mich seit Längerem beschäftigen. Diese Liste von Problemen ließe sich beliebig fortsetzen, würde aber den mir vorgegebenen Rahmen bei weitem sprengen.

Scheiße, Arsch, etc.:

Seit der bekannte Autor Franz Xaver Kroetz mit seiner derben Sprache Eingang in die Schulstuben gefunden hat, muss man sich fragen, was jeder einzelne Lehrer nun in unseren heiligen Schulhallen erlaubt und was nicht. Wer stellt denn die moralische Instanz dar, die erlaubt und verbietet, was man im Unterricht und in den Pausen sagen darf und was nicht. Wenn man alles, was im Österreichischen Wörterbuch, das in jeder Schule aufliegt, abgedruckt ist, sagen darf, dann habe ich ein ernsthaftes Problem. Es kostet mich direkt eine Überwindung, abzuschreiben, was man ebendaselbst auf Seite 537 vorfindet: Scheiß der, -(sal ,derb); so ein S. (Blödsinn, Unfug) // die Scheiße, -(derb): Ausscheidungsprodukt, Kot / missliche Lage/ wertloses Zeug // scheißen (derb) ; du scheißt; schiss/geschissen // der Scheißer, -s/- (ugs., derb): der Scheißkerl // die Scheißerei, (ugs., derb) // scheißfreundlich (ugs., derb): übertrieben freundlich // Scheißkerl (ugs., derb, verächtl.): ein Schimpfwort

Ich hoffe, dass ich nicht auch noch in die Verlegenheit komme, all das auch noch irgendwann jemandem vorlesen zu müssen.

Ich habe daher versucht, für den Fall, dass ein Schüler sich nun einmal berechtigter Weise über etwas kurz aber heftig ärgern muss, eine Alternative für das Wort Scheiße zu finden, das sowohl dem momentanen Befinden wie auch dem Klang nach dem Original am nächsten kommt.

Das Wort Kot fand ich als ungeeignet. Es hat nur eine Silbe und drückt auch bei größter Anstrengung nicht aus, was man dabei fühlt. Das im Wörterbuch angebotene Wort Ausscheidungsprodukt schied auch aus, da es erstens zu viele Silben hat, und zweitens im Augenblick einer begreiflichen Emotion viel zu schwierig auszusprechen ist.

Nach einigem Nachdenken fand ich das Wort schade. Dieses Wort hat den Vorteil, dass es auch mit einem Zischlaut beginnt, was dem jeweiligen Ärger entsprechend mehr oder weniger scharf artikuliert werden kann. Diesem Zischlaut folgt das a, was dem Benutzer des Wortes genügend Zeit gibt, die zweite Silbe des Wortes in die richtigen Bahnen zu lenken. Ich fordere nun schon seit vielen Jahren meine Schüler auf, sich im Gebrauch des Wortes schade zu üben. Der Erfolg kann sich durchaus sehen lassen. Die Kinder sind mittlerweile so geübt, dass sie sich auch untereinander ausbessern, sollte jemandem immer noch das falsche Wort herausrutschen. Ja, ich habe schon erlebt, dass mir Kinder am Morgen erzählten, dass sie am Vortag von einer Schaderei geplagt wurden. Wenn wir beim Wandertag Gefahr laufen, in einen Kuhfladen zu treten, so ruft der erste, der dieser Gefahr ansichtig wird, sofort laut und vernehmlich: Achtung, Schade! Und jeder ist gewarnt.

Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Arsch. Hier konnte ich ganz leicht das Wort Gesäß einführen. Allerdings verstehen nur Insider den Sinn jene Beschwerde, die ich mir in der letzten Zeit des Öfteren anhören musste: Herr Lehrer, der Manuel hat mich schon wieder vergesäßt!

Geil (auch: super-, mega- ,affen-, hammer- oder in Kombination: supermegaaffenhammer-):

Ich muss gestehen, dass ich, der ich als Kind von prüde erzogenen Eltern, selbst ebenso prüde erzogen wurde, meine Probleme hatte, als ich dieses Wort zum ersten Mal in aller Öffentlichkeit völlig locker aus der Hüfte geschossen hören musste. Mir war im ersten Augenblick nicht klar, dass damit in keiner Weise jene sexuelle Erregung gemeint war, die bis dahin jenen unglaublichen Zustand trauter Zweisamkeit beschreibt, über den man einfach nicht spricht. Als mein Sohn die schreckensgeweiteten Augen sah, als dieser Ausdruck fiel, fühlte er sich bemüßigt, mir alten verknöcherten Lehrer aus dem vorigen Jahrtausend diesen Sachverhalt zu erklären. Dies allein versetzte mir einen weiteren Stich in die Magengrube. Inzwischen bin ich aber, man staune über meine Lernfähigkeit, soweit, dass ich jenen Ausdruck der Begeisterung sogar schon selbst verwende, wenn ich, zum Beispiel am Ende einer anstrengenden Bergetappe mit dem Bergfahrrad, mit Jauchzen ungebremst ins Tal brause. Man staune dabei darüber, welch erstaunlicher Wandel im Sprach- und Sinnverständnis sich in meinem Kopf abgespielt hat.

Was aber nun, wenn jemals einer meiner Schüler auf die Idee kommt, mir diese im Wörterbuch zu findenden derben Wörter aus dem Wörterbuch mit dem Hinweis vorzulesen, dass eigentlich alles, was in diesem Buch steht, zu unserer Sprache gehört und keinesfalls verboten sein kann. Ich müsste um sofortige Versetzung in den dauerhaften Ruhestand ansuchen. Denn ich betrachte es als meine Mission und Pflicht, unsere Schulstube sprachlich und auch sonst nicht nur sauber, sondern auch rein (siehe Werbung für ein Waschmittel) zu halten.

Ich bin gespannt, wie lange sich dieser Ausdruck der Begeisterung halten wird. Vermutlich wird er, so wie viele andere Ausdrücke auch, im Laufe der Zeit durch andere ersetzt werden. Ich denke dabei an Wörter wie spitze, krass, etc. Gegenstand einer weiteren Untersuchung wäre es, zu schauen, woher die Ausdrücke kommen, und wie weit verbreitet sie sind. Dass cool aus dem englischen kommt und über den ganzen Erdball verbreitet ist, ist evident. Wie verhält es sich aber mit bärig (Hansi Hinterseer), lässig, etc.? Sind solche Wörter nicht auch zeitlos und überregional? Ich würde mich freuen, wenn ich diesbezüglich Rückmeldungen bekäme, um diese Ausführungen ergänzen zu können.

Scheinbar - anscheinend:

Weniger emotional geht es zu, wenn es um die Unterscheidung dieser beiden Begriffe geht. Die Bedeutung dieser beiden Begriffe liegt genau diametral auseinander, sodass es mir ein Rätsel ist, wie man sie sogar im Fernsehen bei den Nachrichten falsch anwenden kann. Dem geschätzten Leser dieser Zeilen brauche ich natürlich nicht eigens erklären, dass das Wort scheinbar bedeutet, dass sich ein bestimmter Sachverhalt in Wirklichkeit anders verhält, als es oberflächlich betrachtet ausschaut.

Ich zitiere dazu unser Österreichisches Wörterbuch auf Seite 537:

scheinbar: dem Schein nach, doch nicht wirklich; Die Sonne bewegt sich scheinbar um die Erde. Aber:  siehe anscheinend

Wenn man nun flugs auf Seite 185 das Wort anscheinend sucht, so wird jedem sofort der Unterschied klar: denn hier kann man Folgendes lesen:

anscheinend. Wie es scheint; anscheinend hat er Recht (alle Anzeichen sprechen dafür).

Ich möchte hier noch ein eigenes Beispiel anführen, damit auch der Letzte versteht, was ich meine: Wenn ein Schüler eine grandiose Schularbeit abliefert ohne auch nur das geringste gelernt zu haben, dann hat er nur scheinbar Großartiges geleistet, denn er hat von einem Mitschüler abgeschrieben. Sollte derselbe Schüler bei der nächsten Schularbeit ohne zu schwindeln ähnlich gut abschneiden wie beim vorigen Mal, dann hat er anscheinend gut gelernt.

Ähnlich verhält es sich bei den Begriffen Dasselbe -das Gleiche:

Auch hier kann es zu fatalen Verwechslungen kommen, wenn die Wörter nicht richtig gebraucht werden. Am besten ich liefere gleich ein passendes Beispiel: Wenn ich in einem Lokal bei einem Kellner die gleiche Pizza bestelle, wie ich sie bei meinem Tischnachbarn gesehen habe, dann wird das kein Problem sein, über kurz oder lang eine Speise zu bekommen, die jener meines Tischnachbarn weitestgehend gleicht.

Wenn ich aber dieselbe Pizza haben möchte, wirds unappetitlich. Denn dann muss ich warten, bis es meinem Tischnachbarn schlecht wird und er mir seine kurz zuvor verspeiste Pizza auf meinen Teller speit. Das ist zwar dann dieselbe Speise, sie gleicht äußerlich und auch dem Geruch nach allerdings kaum mehr jener, die der Kellner einige Zeit vorher so liebevoll serviert hat.

Zartbesaiteten, die obiges Beispiel lieber nicht lesen sollten, biete ich noch ein Beispiel aus dem Schulalltag an: Aus des Lehrers Süßigkeitendose verschwanden immer wieder Bonbons. Wie sich nach langwierigen Recherchen herausstellte, gab es mehre Täter, die der Versuchung nicht standhalten konnten und sich daher immer wieder an der Dose vergriffen. Das Tatmuster glich sich so sehr, dass man davon ausgehen konnte, dass mehre Täter sich in ihrem unrühmlichen Verhalten aufs Haar glichen. Es waren also mehrere gleiche Ganoven.

Dasselbe Szenario, andere Darsteller: Diesmal stellte es sich heraus, dass es immer ein und dieselbe Person war, die sich über einen längeren Zeitraum hinweg an der Dose gütlich tat. Hier handelt es sich also permanent um den selben Täter.

Trotz, wegen:

Mit Wehmut erinnere ich mich daran, als wir lernen durften, dass die Wörter trotz und wegen untrennbar mit dem Genetiv verbunden sind. Es klang einfach schön, wenn man trotz chronischen Geldmangels ins Kino ging und wegen des Regens auf den Sonntagsnachmittagsspaziergang verzichtete. Man fühlte sich gut dabei.

Entsprechend elend geht es mir heute, wenn ich im Österreichischen Wörterbuch auf Seite 614 lesen muss: trotz (Präp. mit Gen. und Dat.) t. des Verbotes; t. allem; t. (dem) Verbot / (im Pl. Mit Dat., wenn Gen. nicht erkennbar); t. Verboten

Ich bitte um Verzeihung, wenn ich nicht auch noch die Erläuterungen zum Wort wegen auf Seite 679 zitiere. Sie machen mich nicht glücklicher.

Scheint (ein Hilfszeitwort?)

Das Wort scheinen kann sowohl ein Hauptzeitwort als auch ein Hilfszeitwort sein.

Wenn wir es als Hauptzeitwort verwenden, so muss dies ausschließlich im Zusammenhang mit einer Lichtquelle stattfinden. Die Sonne, der Scheinwerfer, die Taschenlampe, etc., scheinen um die Wette, wenn es darum geht, Licht in die Finsternis zu bringen.

Ein Hilfszeitwort benötigt aber als sinnvolle Ergänzung ein passendes Hauptzeitwort. Dennoch hören und lesen wir immer wieder von Bemühungen, die vergeblich scheinen, von Gesprächen, die erfolgreich scheinen, usw. Sprachlich richtig wäre es jedoch, wenn wir von Bemühungen, die vergeblich zu sein scheinen und von Gesprächen, die erfolgreich zu sein scheinen, hören würden.

Natürlich kann auch die Sonne vergeblich scheinen, wenn wir trotz eines strahlenden Sommertages im Büro sitzen und sinnloses Zeug in den Computer klopfen. Es scheint aber unsinnig zu sein, dieses Wetter nicht zu nützen, weshalb wir sofort zum nächsten Badesee fahren.

Kann ich bitte einen Bleistift?

Ich kann nicht sagen, wann und wo es zum ersten Mal passierte. Aber irgendwann im Laufe der letzten Jahrzehnte geschah dieser sprachliche Supergau. Da trat ein Schüler zu mir und sagte: Kann ich bitte einen Bleistift? Zunächst glaubte ich, im allgemeinen Betriebslärm das Wörtchen haben oder ausleihen überhört zu haben und überließ ihm bereitwillig das Gewünschte. Als ich jedoch im Laufe der nächsten Zeit immer wieder auch von anderen Kindern diese amputierte Formulierung hörte, wurde mir klar, dass hier eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes stattfand. Umgehend versuchte ich die Schüler darauf aufmerksam zu machen, dass wir nur mit vereinten Kräften das Schlimmste verhindern können und gemeinsam führen wir nun den Kampf, der nun schon viele Jahre stattfindet. Und ich muss sagen, die Erfolge sind zwar marginal, aber doch wahrnehmbar.

Da mir nun aber leider meine Schüler im Allgemeinen nach vier Jahren den Rücken zukehren, bleibt mir nichts anderes übrig, als mit der nächsten Generation wiederum das altbewährte Spielchen zu spielen:

Und zwar antworte ich auf eine derartig verstümmelte Frage (wenn es die Zeit erlaubt): Lieber Freund! Wie findest du, wenn ich immer am Ende des Satzes das letzte Wort? Das klingt doch!? Das kannst du doch nicht!  usw.   So und so ähnlich versuchen wir dann gemeinsam die sprachliche Wahrheit zu finden.

Ein pensionierter Lehrer, den ich heuer im Rahmen der kirchenmusikalischen Werkwoche in Lienz kennenlernen durfte, erzählte mir in diesem Zusammenhang, dass er in seinem Heimatort Aachen (Norddeutschland) sein Enkelkind, als es sich von einem anderen Kind die rote Farbe ausleihen wollte, fragen hörte: Kann ich rot?    Dem ist nichts hinzuzufügen.

Umgangssprache, Dialekt

Als ich in meiner Lehrerausbildung stand, wurde uns beigebracht, dass wir als Unterrichtssprache unter allen Umständen sauberes Bühnendeutsch anzuwenden hätten. Mir leuchtete das auch ein. Denn wie sollen die Schüler ordentlich sprechen und auch schreiben lernen, wenn man Dialekt spricht? Dann kam aber eine Zeit, als es hieß, dass man dies vielleicht doch nicht zu restriktiv handhaben sollte. Denn der zu Hause gesprochene Dialekt sei ja mit der heimischen Kultur untrennbar verbunden, und man würde die eigene traditionelle Identität aufgeben, wenn man den regionalen Dialekt nicht auch in der Schule zulassen würde.

Einflüsse durch Medien, andere Sprachen, Fremdenverkehr

Soll man sich dagegen wehren, Usancen unserer nördlichen Nachbarn zu übernehmen, nur weil sie uns pekuniär unter die Arme greifen, indem sie bei uns urlauben, oder weil wir ihre rührseligen Serien im Fernsehen genießen dürfen? Oder sollen wir die Straße hochgehen rauf-, runter-, rein- und rüberlaufen, anstatt hinauf- hinunter-, hinein- und hinüberzugehen? Also ich finde, dass es recht seltsam klingt, wenn Eingeborene aus einem Seitental des Inntales einem deutschen Gast versucht, mit norddeutschem Vokabular aber mit schärfstem Akzent jenes Seitentales den Weg zur nächsten Almhütte zu erklären.

Als Volksschullehrer verwende ich oft wunderbare Lieder unserer Kollegen aus Deutschland, deren Liedertexte ich jedoch mühsamst ins österreichische übertragen muss. Dies ist nicht immer leicht, da ja die Anzahl der Silben letzten Endes gleich bleiben muss, damit der Text dann auch zur Melodie passt. Wenn es nun im Original heißt: Komm mal rüber zu mir müsste ich ja singen: Komm einmal herüber zu mir. Was mache ich bloß mit den zwei Silben, die dazugekommen sind?

Verabschiedungs- und Begrüßungsformeln kommen und gehen wie die Serien im Fernsehen. Egal ob aus Deutschland oder aus Amerika. Einmal heißt es Hi!, ein anderes Mal Hallo (sprich: hellou), dann hört man wieder tschüss, ciao (sprich: tschau). Ganz arg finde ich tschüü. Hat sich Gott sei Dank nicht durchgesetzt. Mir wäre bedeutend lieber, wenn wir doch bei unseren Formeln servus (=Diener; lat.), welches sich bei unserer Jugend zum lässigen seas modifiziert hat, oder griaßdi (=ich grüße dich) bzw. pfiati, was von dem schönen Wunsch Behüt dich Gott herrührt.

Alt - älter; jung - jünger

Als ich noch jung und unbedarft war, lernte ich in der Schule, dass man Eigenschaftswörter steigern kann. Dass man Tatbestände auf diese Art miteinander vergleichen kann.

Ein 70-jähriger Mensch ist mit Fug und Recht als alt zu bezeichnen. Der 75-jährige ist jedoch vergleichsweise älter. So ergibt sich von selbst, dass der 80-jährige in diesem Trio am ältesten ist. Ich erspare mir das aliquote Beispiel mit jung - jünger - am jüngsten.

Nun musste ich aber eines Tages feststellen, dass sich irgendwann die Sache nicht mehr so verhält, wie sie es einmal war: Geht nämlich heutzutage ein älterer Herr spazieren, so ist dieser jünger als ein alter Mann. Gleichwohl ist ein jüngerer Mensch in Wahrheit älter als ein junger Mensch.

Ich muss gestehen, dass ich das nicht verstehe. Wahrscheinlich liegt dies daran, dass ich dümmer als andere bin. Was nicht heißen muss, dass ich wirklich dumm bin. Dies wäre wahrlich schlimmer!

-innen

Man kann mir vieles vorwerfen. Aber dass ich frauenfeindlich sei, lasse ich nicht auf mir sitzen. Jeder der mich kennt, wird mir das bestätigen. Ich kann aber nicht garantieren, dass ichs nicht werde, wenn es so weitergeht. Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass sich das schwache Geschlecht dafür stark macht, dass Frauen bei gleicher Arbeit auch den gleichen Lohn bekommen. Dass man schwere körperliche Arbeiten den dafür besser geeigneten Männern überlässt. Alles gut und recht.

Wenn aber die Männer Angst davor haben müssen, dass man die Frauen bei jeder nur denkbaren Gelegenheit vergisst, sie eigens zu erwähnen, dann ergeben sich in meinen Augen immer öfter skurrile Auswüchse.

In jeder Politikerrede hört man neuerdings von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, von Politikerinnen und Politikern usw. usf. Früher war es so, dass man bei der Bezeichnung Maurer, Tischler, Lehrer... einfach den Berufsstand meinte, dem natürlich sowohl Frauen als auch Männer angehören. Heute wird jede Rede automatisch um einiges länger, weil man darauf erpicht ist, nur ja die Frauen nicht zu vergessen, indem man eben Lokomotivführerinnen und Lokomotivführer, Apothekerinnen und Apotheker etc. hochleben lässt.

Als ich neulich aus Deutschland kommend im Vorbeifahren Grüß Göttin las, wusste ich, dass das Pendel bereits auf die andere Seite ausgeschlagen hat. Gerade in den letzten Tagen hörte ich im Radio Berichte, in denen nun schon auf die männliche Form zur Gänze verzichtet wird. Soll heißen, dass man nun nur mehr von Lehrerinnen, Verkäuferinnen und Mechanikerinnen spricht und dabei die männlichen Vertreter dieser Berufsstände einfach mitlaufen lässt.

Ich sehe schon den Tag kommen, wo man beim Frühstück höflich darum bittet, die Salzstreuerin gereicht zu bekommen. Ich finde daher, dass es höchst an der Zeit ist, für die Efrauzipation des Mannes zu kämpfen!

Rechtschreibreform

Dieses Thema treibt mir Zornesröte ins Gesicht. Wenn ich mir vorstelle, welche Chancen hier unwiederbringlich vertan wurden, dann muss ich mich sehr beherrschen, nicht vor Wut zu zerspringen. Gewiss, man muss darauf achten, dass unsere unverwechselbare wunderschöne Sprache nicht von heute auf morgen verloren geht. Natürlich kann man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Man muss sich aber doch fragen, wieso man nicht die Kleinschreibung eingeführt hat, wie man sie im ganzen restlichen Europa ohne irgendwelche Verständigungsprobleme pflegt?

Auch vor Monstern, die vorne deutsch und hinten englisch sind muss man sich in Acht nehmen. Ich warne daher eindringlich vor dem Verzehr von Ketschup!

Was vergibt man sich, wenn man Traditionen aufgibt, die nur noch für Sprachforscher interessant sind, die aber Generationen von Schülern (und Lehrern) unnötig quälen? Wie viel Geld und Mühe wurde aufgewendet, um ein derartig schwaches Produkt, wie es diese Rechtschreibreform darstellt, zu erzeugen! Ich bitte um Verständnis, wenn ich mich nicht weiter darüber auslassen will.

Schlusswort

Ich bin überzeugt davon, dass künftige Generationen von Lehrern mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben werden wie ich. Nur werden sie anderen Inhalts sein. Denn all das, was ich hier angeführt habe, wird möglicherweise in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sein, und andere Facetten der Veränderungen werden Kämpferherzen wie mich auf den Plan rufen. Diese Tatsache ist für mich persönlich tröstlich. Ich werde aber dennoch, solange ich die Kraft dazu aufbringe, gegen fehlerhafte, unsinnige, vulgäre und schmerzhafte Wortentgleisungen kämpfen.

Ja, Himmel, Gesäß und Zwirn! 



Quelle oder Autor/-in: Rolf Schiel (RE)

Redaktionsbereiche