Davide Morosinotto, Verloren in Eis und Schnee

davide morosinotto, verloren in eis und schnee„An meinem vierzehnten Geburtstag wurde ich zu einem Helden. Das begriff ich sofort. Vielleicht noch nicht in dem Augenblick, als ich die Stadt erreichte, aber kurz danach, als ich auf dem gefrorenen Fluss den Schlitten hinter mir herzog. Der Schlitten auf dem Anna saß.“ (S. 5)

„Verloren in Eis und Schnee“ erzählt die Geschichte der Zwillingsgeschwister Viktor und Nadja Danilow während Hitlers Überfall auf die Sowjetunion im Sommer / Herbst 1941. Um die Kinder vor dem drohenden Angriff der deutschen Armee auf Leningrad zu schützen, werden sie mit dem Zug in Richtung Osten evakuiert. Dabei werden Nadja und Viktor getrennt. Eine abenteuerliche Odyssee beginnt, ehe die beiden Geschwister wieder zusammenfinden.

Oberst Smirnow untersucht die fünf Jahre zurückliegenden Tagebuchaufzeichnungen der angeklagten Geschwister Danilow, von deren Inhalt er ihre Verurteilung oder Freisprechung abhängig macht. Die Leserinnen und Leser schauen dem Volkskommissar für innere Angelegenheiten über die Schulter und lesen die Ereignisse und Gedanken der beiden damals vierzehnjährigen Geschwister mit, wobei Smirnow zahlreiche Anmerkungen über die Vergehen und Übertretungen, sowie das mögliche Strafausmaß der der beiden am Rand der Notizbuchaufzeichnungen festhält.

Die Geschichte beginnt zunächst in der geborgenen Welt von Viktor und Nadja Danilow, deren Eltern in der Eremitage in Leningrad arbeiten. Als der Befehl kommt, dass die Kunstgegenstände des Museums in Sicherheit gebracht werden, ist allen klar, dass die Stadt durch die deutschen Truppen bedroht wird. Während ihr Vater zur Volksmiliz eingezogen wird und ihre Mutter im Museum die Kunstschätze sichern muss, werden die Zwillinge mit den anderen Kindern der Stadt mit dem Zug nach Osten evakuiert. Von ihrer Mutter bekommen die beiden zahlreiche Hefte und Stifte in roter und schwarze Farbe mit, um ihrer Erlebnisse für sie aufzuschreiben.

Bei der Aufteilung in die Züge am Bahnhof kommt es für Nadja und Viktor, die noch nie einen Tag getrennt waren, zu einer Katastrophe. Aus noch unerklärlichen Gründen wird Nadja mit dem Zug 76 verschickt, während Viktor in Zug 77 steigen muss. Damit verlieren sich die beiden für die nächsten fünf Monate aus den Augen und eine abenteuerliche Odyssee beginnt, weil Viktor sein Versprechen, Nadja zu beschützen, mit aller Kraft erfüllen will.

Während Nadjas Zug bald außerhalb Leningrads auf ein Abstellgleis gefahren wird, landet Viktor in der fast 1000 km östlich von Moskau gelegenen Stadt Kasan in der Republik Tatarstan. Dort werden die Jugendlichen zu schweren Arbeiten in einer Art Jugendlager eingeteilt. Nach ein paar Tagen wird Viktor mitgeteilt, dass Zug 76, in dem sich seine Schwester befunden hat, von deutschen Fliegern bombardiert worden und dabei alle Insassen getötet worden seien.

Viktor spürt sofort, dass die Meldung nicht stimmen kann und beschließt aus dem Jugendlager zu fliehen, um sich auf die Suche nach seiner Schwester in Richtung Leningrad zu machen. Dabei wird er von einer großen Gruppe von Kindern und Jugendlichen begleitet, die ebenfalls aus dem Lager entkommen wollen. Gemeinsam mit seinen neuen Freunden Nikolaj und vor allem Anna, die Tochter eines geflüchteten Kommunisten aus Deutschland, macht sich Viktor auf den weiten Weg Richtung Leningrad.

Währenddessen werden die Kinder und Jugendlichen aus Zug 76 in einem Dorf untergebracht, wo sie von der Meldung überrascht werden, dass sie alle umgekommen seien. Als die deutschen Truppen das Dorf angreifen, gelingt es ihr mit ihren Freunden auf die Festung Oreschek im Ladogasee zu flüchten, wo sie gemeinsam mit einem Dutzend Soldaten verzweifelt die Angriffe der Deutschen zurückzuschlagen versucht.

Davide Morosinotto gelingt es die Leserinnen und Leser von der ersten Seite an in die Zeit des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion im Sommer 1941 zu versetzen. Geschickt verwebt er die Geschichte einer fünf Jahre später ansetzenden Untersuchung eines Volkskommissars mit den zeitnahen Tagebuchaufzeichnungen der Jugendlichen zu verbinden und dabei eine dichte und realistische Atmosphäre der Kriegszeit zu zeichnen.

Während das positive Ende der Suche des Helden nach seiner Schwester bereits auf der ersten Seite in Aussicht gestellt wird, bleibt es bis zum Schluss unklar, ob die beiden für ihre „Vergehen gegen die Sowjetunion“ bestraft, womöglich sogar hingerichtet werden.

Ein überaus empfehlenswerter und spannend zu lesender Jugendroman, in der die Lebensverhältnisse und die historischen Ereignisse einer vergangenen Zeit wieder zum Leben erweckt werden. Die Leserinnen und Leser nehmen durch die Tagebuchaufzeichnungen unmittelbar am Denken der drei Erzähler Teil und werden bleiben von der ersten Seite an in die Geschichte einbezogen. Davide Morosinotto gelingt nach seinem erfolgreichen Jugendbuch „Die Mississippi-Bande“ ein weiteres Meisterwerk der Jugendliteratur.

Davide Morosinotto, Verloren in Eis und Schnee. Die unglaubliche Geschichte der Geschwister Danilow, ill. v. Stefano Moro / Paolo Domeniconi / Simone Tso, übers. v. Cornelia Panzacchi [Orig. Titel: La sfolgorante luce di due stelle rosse], ab 12 Jahren
Stuttgart: Thienemann Verlag 2018, 440 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-522-20251-0

 

Weiterführende Links:
Thienemann Verlag: Davide Morosinotto, Verloren in Eis und Schnee
Wikipedia: Davide Morosinotto (ital.)

 

Andreas Markt-Huter, 18-01-2019

Bibliographie

AutorIn

Davide Morosinotto

Buchtitel

Verloren in Eis und Schnee. Die unglaubliche Geschichte der Geschwister Danilow

Originaltitel

La sfolgorante luce di due stelle rosse

Erscheinungsort

Stuttgart

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Thienemann

Illustration

Stefano Moro / Paolo Domeniconi / Simone Tso

Übersetzung

Cornelia Panzacchi

Seitenzahl

440

Preis in EUR

18,50

ISBN

978-3-522-20251-0

Lesealter

Altersangabe Verlag

12

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Davide Morosinotto wurde in Norditalien geboren und veröffentlichte bereits mit 17 Jahren seine erste Kurzgeschichte. Seitdem hat er über 30 Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht, für die er zahlreiche Preise erhalten hat. Morosinotto lebt als Autor, Journalist und Übersetzer in Bologna.