Kjersti A. Skomsvold, Je schneller ich gehe, desto kleiner bin ich

Buch-Cover

Vielleicht zeigt sich der Lebenssinn als dünne Speckschwarte ganz nahe am Tod angesiedelt.

In Kjersti A. Skomsvolds Roman vom Ausgeistern knapp vor dem Tod versucht Mathea Martinsen noch ein paar Kurven zu kratzen, ehe sie die große Kurve angehen wird. Sie ist steinalt und kürzlich ist ihr Mann gestorben, der mehr oder weniger alles im Leben ausrechnen konnte. Denn er war ein mathematischer Typ, weshalb er im Sinne der Wahrscheinlichkeitsrechnung Epsilon genannt wurde.

Jetzt gilt es für Mathea vielleicht noch einmal Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen, aber eigentlich ist ihr das Alleinsein lieber.

Das Schöne an der Bücherei ist, dass ich den Zeigefinger auf den Mund legen und Pst! sagen kann, sobald jemand Anstalten macht, mich ansprechen zu wollen. (26)

Eine Tombola im Altersheim ist auch nicht gerade die ideale Kommunikation, und die Heldin denkt an die alte Volksweisheit:

Die Menschen glauben zwar, die Alten gingen zu den Tieren, aber es ist umgekehrt. (27)

Denn ungefragt sind es die Ungeziefer und andere Tiere, die die Einsamen heimsuchen.

Eine gute Methode, neben dem Stricken von Ohrwärmern noch einmal so etwas wie Geschichte ins Leben zu bringen, ist das Vergraben einer Zeitkapsel. Darin kann man die wichtigsten Erinnerungen abspeichern, etwa wie Mathea vom Blitz getroffen wurde und wegen der minimalen Wahrscheinlichkeit des Ereignisses gleich Epsilon geheiratet hat. Denn bislang wurde sie vom anderen Geschlecht stark abgelehnt und man kriegt bekanntermaßen dicke Oberschenkel, wenn man vom anderen Geschlecht abgewiesen wird. Freilich hat sie in der Folge mit vielen Unterhosen stark verhütet, so dass sie kinderlos geblieben ist. Der Hund Stein, der ersatzweise angeschafft wurde, ist eines Tages freiwillig ins Wasser gegangen und ertrunken.

Als der Mann nach Spitzbergen ziehen wollte, hat sie es mit Hinweis auf die Eisbären abwimmeln können, obwohl es auch gegen Eisbären ein Mittel gibt, man braucht jemanden, der langsamer ist und als Ersatz gefressen wird. Und ein Leben lang hat der Protagonistin die Banane gefallen, weil sie geschlechtslos und sinnlos ist und sogar Buddha beeindruckt hat.

Jetzt wird es genug sein, denkt sich die Frau, die wegen ihres gekrümmten Rückens verkehrt ins Wasser gehen muss, sie taucht unter und alles ist klar.

Kjersti A. Skomsvold schreibt von diesen letzten Dingen mit einer Gelassenheit und Fröhlichkeit, dass man als Leser aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. So müsste man den eigenen Abgang hinkriegen, dann ist alles o.k.!

Kjersti A. Skomsvold, Je schneller ich gehe, desto kleiner bin ich. Roman. A. d. Norweg. von Ursel Allenstein. [Orig.: Jo fortere jeg går, jo mindre er jeg, Oslo 2009]
Hamburg: Hoffmann und Campe 2011, 144 Seiten, 18,50 €, ISBN: 978-3-455-40094-6

 

Weiterführender Link:
Verlag Hoffmann und Campe: Kjersti A. Skomsvold, Je schneller ich gehe, desto kleiner bin ich

 

Helmuth Schönauer, 20-08-2011

Bibliographie

AutorIn

Kjersti A. Skomsvold

Buchtitel

Je schneller ich gehe, desto kleiner bin ich

Originaltitel

Jo fortere jeg går, jo mindre er jeg

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Hoffmann & Campe

Übersetzung

Ursel Allenstein

Seitenzahl

144

Preis in EUR

18,50

ISBN

978-3-455-40094-6

Kurzbiographie AutorIn

Kjersti A. Skomsvold, geb. 1979 in Oslo, lebt in Oslo.

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