Peter Clar, Die Worte, sagst Du

peter clar, die worteIn Gedichten werden Botschaften verdichtet, homöopathisch verdünnt oder überhaupt zum Verdunsten gebracht. Im Idealfall verflüchtigen sich die Worte kurz bevor sie ihr Ziel erreichen, sodass sich das lyrische Gegenüber seinen eigenen Reim auf das machen muss, was Reim-los angedeutet ist.

Peter Clar nimmt die Ur-Konstellation der Lyrik als Titel für seinen Gedichtband. Wort, Du und Punkte, die das Versickern des Gedankenganges andeuten. Seine drei „Versuchsanleitungen“ bestehen einmal als Farbankündigung, dann als Einstellung des Empfängers auf die Nachrichten und im dritten Teil aus einer leeren Regieanweisung, die in ein Mayröcker-Zitat mündet.

wir hatten einander gesehen / ich meine zugeworfen den Blick (55)

In der Farbankündigung wird das Statement von Yves Klein vorgeschoben, wonach „die Farbe ist“. Im Anschluss kommen wie in einem Aquarellkasten die Farben, die gleich poetisch ausprobiert werden. Dabei kann ein Farbexperiment durchaus ins Leere gehen, wenn etwa das Grau plötzlich ohne Aussage dasteht, weil es nur so eine Idee ist. Und tatsächlich verschwindet das gegenüber sitzende Du, sobald das Grau auftaucht. Jetzt ist auch die Beziehung verschwunden, das Grau sinkt von den Karawanken herunter und du weinst, oder bilde ich mir das nur ein.

Die „Farbgedichte“ berufen sich meist auf eine Mal-Theorie oder ästhetische Vereinbarung, sie lassen eine regionale Witterung auftreten, die sich um die Farben kümmert, und jagen schließlich die lyrischen Figuren zuerst ans Zeilenende und schließlich aus dem Gedicht hinaus.

Der mittlere Teil ist mit einem Derrida-Zitat überschrieben: „Du gibst mir die Worte“ (21). Darunter sind Gedichte abgelagert, die sich oft auf die Poetik von Autorinnen beziehen, Frischmuth, Medusa, Köhle, Nöstlinger. So wird etwa die Spiegelgeschichte von Ilse Aichinger „nachgespiegelt“, die Gartenarbeit von Barbara Frischmuth geht in den Myzel-Sound von David Bowie über und Markus Köhle wird an einer Wortschleife festgebunden und einem immerwährenden Slam zugeführt.

Zwischen den Poetiken wuchern sogenannte o.T.-Gedichte heraus, die sich keinen Titel leisten können, weil bis zum Schluss nicht feststeht, wohin es sie verschlägt.

o.T. // Cohens Stimme blau / zwischen Leitungen / darin Möwe und Flugzeug / eine schwangere Frau / mit gelbgrüner Jacke / eine Straßenbahn fährt / drei Pfadfinder lachen / ein Mann raucht Zigarre / und ich atme den Nebel (28)

Dieses Gedicht drückt den Sound einer ganzen Generation aus, ein Lied von Cohen wirkt geradezu peinlich naiv, die Poesie des Meisters wird durch eine schadhafte Übersetzung heruntermoderiert auf den dilettierenden Hörer, bei dem sich poetische Floskeln zu regen beginnen wie bei einer aufkeimenden Verkühlung. Die Poesie bleibt im Transport stecken. Die Poesie verdunstet, während sie gehört wird.

Das dritte Kapitel beginnt mit einer leeren Seite (53), ehe es dann aufgeht in eine Friederike Mayröcker gewidmeten Textur voller Gedichts-Partikel. Der Zustand von zu Hause ufert aus in die immer gleichen Risse im Asphalt, die ewig gleiche Distanz von Nussbaum und Sportplatz und radikalisiert sich in dem schönen Begriff von der mitgewachsenen „Tujenheckenspießigkeit“. (70)

Ein wunderschönes Heimatgedicht nennt sich „im Zug von Föderlach nach Klagenfurt“, worin kaputte Alltags-Poetiker die Krone lesen und die Pendler als Geruch aneinander vorbei gehen, während sie schmerzbefreit lächeln.

Poetische Konstellationen können bei jeder Witterung auskristallisieren. Ein Gedicht voller Langeweile, Hitze und mörderischem Stillstand nennt sich schlicht „Hundstage“. Darin ist alles ausgehebelt, was ein Gedicht ausmacht. Die Worte, sagst Du, ….

Hundstage // Der Tag wie Langeweile / Sommerhitze und Motorradlärm / Falkenschreie aus strahlendem Blau / Ein letztes Zittern im Kreuzspinnennetz / (Umarmung zum Tode / Umgarnung zum Mord)

Peter Clar, Die Worte, sagst Du. Gedichte
Klagenfurt: Sisyphus Verlag 2018, 80 Seiten, 10,00 €, ISBN 978-3-903125-30-8

 

Weiterführende Links:
Sisyphus Verlag: Peter Clar, Die Worte, sagst Du
Homepage: Peter Clar

 

Helmuth Schönauer, 20-09-2018

Bibliographie

AutorIn

Peter Clar

Buchtitel

Die Worte, sagst Du. Gedichte

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Sisyphus Verlag

Seitenzahl

80

Preis in EUR

10,00

ISBN

978-3-903125-30-8

Kurzbiographie AutorIn

Peter Clar, geb. 1980 in Villach, lebt in Wien.

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