Christof Waibel / Etta Streicher, Augenlieder

Buch-CoverAm besten hört man Augenlieder, indem man die Augen schließt: Lyrik, Lieder, Wolken, Töne sind auf Anhieb da. Das angenehme Hörgefühl besteht zuerst einmal aus sich selbst und aus dem Hörer, der dieses Gefühl in sich aufdreht.

Und erst etwas später oder beim Wiederhören beginnt man zu überlegen, was man da eigentlich hört. Texte in wunderbarer Akustik, irgendwie als deutschsprachiges Chanson ausgestaltet mit kabarettistischem Einschlag. Wie im romantischen Lied geht das Klavier heftig mit der gesungenen Semantik mit, verläßt die Bedeutung des Textes, wie man bei einem Spaziergang zu zweit oft einen Seitenweg geht, in Hörweite bleibt und sich dann wieder vereint.

Die Texte erzählen ungewöhnliche Begebenheiten mit der Ernsthaftigkeit größter Gewissheit, unverrückbare Spots hingegen werden mit dem Schalk des Zweifelns unterlegt. Immer wieder wird eine neue Dimension eröffnet, wie sich ja auch ein dreidimensionaler Zustand aufbaut, wenn man mit den Augen hört oder mit den Ohren singt.

Um das aquarellartige Verrinnen der Sinneseindrücke geht es im Titelsong "Augenlieder".

Bis der letzte Wunsch nach einem Sinn verfliegt / und keine Frage / ob Existieren etwas bringt / das Dasein darf da sein / solange man noch Augenlieder singt.?

In den Liedern reiten Wolkenritter im Cinemascope über das Firmament, seltsame Käuze lassen sich auf der Motorhaube nieder, ein Augenblick verglitzert sich zu einem Kristall, und die Liebe zielt mit wohltuenden Zeilen zwischen die Rippen des Gedichts.

Nach Irrsinnsausritten des Klaviers gibt es einen langen, voll durchgeblasenen Text über Südamerika, Indios spielen traurige Melodien, der Dschungel verfilzt sich vollends in sich selbst und das lyrische Ich versucht ?taktisch klug vorzugehen, Wohnung auflösen, mir mein Konto auszahlen lassen?, aber dann wird jegliche Verbindung unterbrochen.

Christof Waibel und Etta Streicher verströmen diese angenehm gesättigte Stimmung aus Nüssen und Brot, aus Piano und Poesie, woraus der Esprit von Staunen und Aufklärung aufsteigt. Literatur kann klar und leicht sein, diese CD gibt so manchem Abend das Kerzenlicht, worin selbst stumpfe Alltagssätze von untertags ihre poetische Nachschärfung kriegen.

Christof Waibel / Etta Streicher, Augenlieder. Piano & Poesie.
Hohenems: Boomslang Records 2004. ISBN 9-120011-93004-0. CD und Textbook.

 

Helmuth Schönauer, 17-01-2005

Bibliographie

AutorIn

Christof Waibel /Etta Streicher

Buchtitel

Augenlieder. Piano & Poesie.

Erscheinungsort

Hohenems

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Boomslang Records

ISBN

9-120011-93004-0

Kurzbiographie AutorIn

Christof Waibel, geb. 1973, arbeitet als freischaffender Musiker, lebt in Hohenems.

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