Alfred Komarek, Die Schattenuhr

Buch-CoverWenn in der Literatur etwas schier unerträglich schön ist, spricht man von einem Locus amoenus. Alfred Komarek hat den Lokus-Roman als Literaturgattung erfunden. In diesen Romanen tauchen die Helden in einer schönen Gegend auf und arbeiten sich durch den Fremdenverkehrsprospekt.

Im neuen "Käfer"-Roman geistert Daniel Käfer wieder durch das Ausseer Land, dem Roman ist als Lesezeichen eine himmelschreiend schöne Postkarte des Tourismusverbandes Salzkammergut-Ausseerland eingelegt und die Handlung ist bald einmal erzählt.

Daniel Käfer ist nach dem Umbruch in seiner Intelligenzzeitung "IQ" in jener Gegend, wo Snobs und Adabeis ihr sanft krachendes Lederhosenantlitz aufgesetzt haben. Wegen seines alten Autos, einer postrevolutionären Ente, reißt er ständig Bekanntschaften auf. Im aktuellen Roman wird ein gewisser Gamsjäger aufgerissen, fährt mit ihm nach Hallstatt und stürzt dort jäh in eine Tropfsteinhöhle. Jetzt gilt es, die Mutter dieses Abgestürzten von finanzieller Altlast zu befreien, sieh da, da taucht ein Kultgegenstand aus der Hallstatt auf und erweist sich als Fälschung.

Am Schluss biegt dann noch der Salinenfürst Dr. Androsch um die Ecke und grüßt sich selbst als Comics-Figur. Wie in alten Mariandl-Filmen sitzen die Hallstätter beisammen und stellen sich vor, dass sie für einen Tourismusfilm posieren. Oder so ähnlich. Es gibt nämlich keine Handlung, sondern nur Gesprächsfetzen wie in einer Talkshow.

Da geht schon einer einmal einen Umweg, um etwas zu erfahren, was in einem Lexikon für Salzbergwerke steht. Oder eine Haltestelle der ÖBB wird so klein, dass sie im Text Platz hat. Darüber fegen nette Anmachen und altkluge Sätze.

Nach der ersten Lektüre ist man als Leser ziemlich hingerissen, dass es genau dieser sachte Scheiss ist, der die Leser so begeistert. Aber bei genauerem Hinsehen muss man Alfred Komarek gratulieren, professioneller und schöner läßt sich um 2005 kein Roman über Österreich schreiben. Jede Sequenz nämlich birgt die Verarschung der Lieblichkeit in sich und wir dadurch wieder interessant und brisant. Am Beispiel der titelstiftenden Schattenuhr läßt sich dies gut darlegen. Das schöne Leserherz erwartet im Kitsch eine Sonnenuhr. Also kriegt die Leserschaft ihre Sonnenuhr. Allerdings herrscht geistig gesehen ziemlicher Schatten in der Gegend, so daß die Sonnenuhr auf der Nordseite montiert ist. Die perfekte Schattenuhr.

 Ein herrlicher Verriß der österreichischen Seitenblicke-Szene, eine Androschkiade pur!

Alfred Komarek: Die Schattenuhr. Roman.
Innsbruck: Haymon 2005. 206 Seiten. EUR 17,90. ISBN 3-85218-483-5.

 

Helmuth Schönauer, 30-08-2005

Bibliographie

AutorIn

Alfred Komarek

Buchtitel

Die Schattenuhr

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Haymon

Seitenzahl

206

Preis in EUR

EUR 17,90

ISBN

3-85218-483-5

Kurzbiographie AutorIn

Alfred Komarek, geb. 1945 in Bad Aussee, lebt in Wien.

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