Siegfried Nitz, dazwischen

"Dazwischen / auf der Fahrt ins Dorf / kein Wort." (100) Siegfried Nitz geht in seinem Fabriks-Dorf-Roman jenen Fugen nach, die zwischen den Erzählplatten liegen, er schaut gewissermaßen nach, was in den Klusen der glatten Verfliesung verborgen ist.

Zu diesem Zweck wählt er die Erzählmethode eines kollektiven Gesprächszettelkastens. Eine Stimme erzählt etwas, eine andere fügt eingerückt etwas hinzu, dann gibt es wieder Material aus einer Chronik. Der Roman setzt sich letzten Endes aus 39 Vitrinen zusammen, in denen Fußnoten zu verloren gegangen Schaustücken ausgestellt sind.

Im ersten Kapitel etwa wird aufgezählt, was es alles an Geographie und Heimatkunde braucht, um ein Dorf zusammenzufügen und an seinem Rand eine Kartonfabrik zu installieren. Im letzten Kapitel werden die Berufsgruppen aufgeführt und offensichtlich bleibt ein ?Biabl? übrig, das nirgendwo hingehört aber alles beobachtet.

Dazwischen läuft die Geschichte ab, spult ihre provinziellen Highlights herunter, Weltkriege, Option, Einrückungsbefehle, Wirtschaftsimpulse, Auslagerungen. Die Geschichte spricht nur in großen Mahlscheiben mit den Betroffenen, die quasi wie Mahlkorn dazwischen liegen. Die Betroffenen helfen sich mit strengen Ritualen, Ausgrenzungen, Illusionen, Abwanderungen. Das Dorfleben verkommt zu kargen Wegemarkierungen, die nur die notwendigste Auskunft geben. Der Pfarrer segnet ein bisschen und gibt Halt, die Bräuche helfen und die gestrenge Arbeit.

Phasenweise spielt sich das Leben nur mehr in der Fabrik ab, in großer Kälte werden Pappkartons in verschiedene Stockwerke getragen, ein menschlicher Ameisenhaufen umlagert zur besten Zeit der Fabrik die Maschinen, manchmal werden in einer Ecke gleich die notwendigen Kinder gezeugt, mehr als Arbeitseinsatz denn als Lebensplan.

Siegfried Nitz erzählt metallen kalt und dennoch sind die Figuren erhitzt, wenn sie ihre Sätze loslassen.

Die verdüsterte Gebirgslandschaft erinnert an den Schweizer Meister Franz Böni, der oft die Arbeitswelt in den Gebirgsschluchten beschrieben hat. Und von ferne klingt dieses "dazwischen" wie ein Nachhall von N.C. Kasers "eingeklemmt", der ja über diese Generation geschichtszermahlener Menschen gemeint hat, vorne und hinten geht es nicht weiter. Siegfrid Nitz ist mit seinem stillen Roman dennoch kräftig "dazwischen" gefahren und hat die Friedhofsruhe der Südtiroler Geschichte kurz aufgerührt.

Siegfried Nitz: dazwischen.
Bozen: Edition sturzflüge 2004. 121 Seiten. EUR 16,50. ISBN 3-900949-45-X.

 

Helmuth Schönauer, 18-09-2005

Bibliographie

AutorIn

Siegfried Nitz

Buchtitel

dazwischen

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Edition sturzflüge

Seitenzahl

121

Preis in EUR

16,50

ISBN

3-900949-45-X

Kurzbiographie AutorIn

Siegfried Nitz, geb. 1949 in Brixen, lebt in Bozen.