Joseph Zoderer, Der Himmel über Meran

Buch-CoverManche Buchtitel summen wie eine Kaufhaus-Melodie durchs Ohr des Lesers, Himmel über Berlin, Himmel über Meran, es bahnt sich etwas Schönes an.

Tatsächlich hat Joseph Zoderer in seinem Erzählband nichts Schöneres vor, als seine individuellen Geschichtserlebnisse aufgeklart und abgeklärt aufzuschreiben. Zu Beginn wird gleich jenes Ungemach aus der Optionszeit erzählt, das letztlich die ganze Familie aus der Bahn geworfen hat. "Wir gingen" ist bereits als eigenständiger Erzählband erschienen.

In der Nacht, in der mein Vater starb, habe ich mich verliebt. (41)

Selten läuft das Leben so ab, wie man es in literarischen Vorlagen zu sehen bekommt, meist büchst es aus und wird dann erst recht zu einem Stück Literatur. Als Vater stirbt, verliebt sich der trauernde Sohn in die erstbeste Person, die bei der Tür herein kommt, es ist sinnigerweise eine Krankenschwester, die offen lässt, ob sie von dieser Liebesanhimmlung etwas mitbekommen will.

Das Haus der Mutter löst sich unter den Füssen der Gestürzten auf, irgendwie bringen die Kinder die Sache mit der Mutter zu Ende, es bleiben Erinnerungen an eine letztlich etwas verhutzelte und irrläufige alte Frau.

In der Geschichte über Monika begehrt eine Drogenabhängige einen Schluck Wein, um ungestüm wahnsinnig werden zu können. Die Bewohner aus ordentlichen Verhältnissen können mit dieser Szene wenig anfangen, zumal die Delirierende ein schnittiges Messer in der Hand hat.

Der Himmel über Meran schließlich ist eine Augenblicksaufnahme, die jederzeit geschossen werden kann. Auf dem Weg durch New York kommt dem Erzähler wieder dieser Himmel ins Gemüt, als er damals am Abschiebebahnhof Meran-Untermais aus der Stadt verfrachtet worden ist. Und noch heute ist dieser Himmel wie eh und je, er schert sich nichts, wenn seine Untertanen auf ihn blicken, selbst von entlegenen Plätzen aus angeschaut bleibt der Himmel über Meran genau das, was du in ihm sehen willst.

Die schönste Geschichte ist eine Liebesgeschichte, die sachte durch die Nacht flitzt, eigentlich sind nur die Füße der Geliebten erotisch nah. Eine kurze Freundschaft in einer ziemlich stacheligen Hafenstadt, die Dinge verdösen in der Kargheit des Alltags, schon während der Liebe merkt der Autor, wie es mit allem zu Ende geht, und dann am nächsten Morgen steigt die Frau aus dem Taxi, geht zur Arbeit, der Schriftsteller macht weiter, das war es, einfach, schön, in der Nähe ihrer Füße eben.

Joseph Zoderer erzählt unauffällig, sein Besteck ist sauber aufgelegt und schlicht, das Erzählte wird im Zeitfluss veredelt, irgendwo ist dieses Buch ja auch ein Geburtstagsgeschenk an den Autor, der ein Jahr lang siebzig wird.

Joseph Zoderer: Der Himmel über Meran. Erzählungen.
München: Hanser 2005. 138 Seiten. EUR 14,90. ISBN 3-446-20667-1.

 

Helmuth Schönauer, 03-10-2005

Bibliographie

AutorIn

Joseph Zoderer

Buchtitel

Der Himmel über Meran

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Hanser

Seitenzahl

138

Preis in EUR

EUR 14,90

ISBN

3-446-20667-1

Kurzbiographie AutorIn

Joseph Zoderer, geb. 1935 in Meran, lebt in Terenten.

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