Gabriele Kögl, Mutterseele

k%C3%B6gl_mutterseele.jpgDas Leben der Erzählerin, einer Mutter von drei Kindern, ist gelaufen, viele Dinge sind abgelaufen wie die sprichwörtliche Sanduhr ihre Körner ablaufen lässt, und letztlich sind auch noch die Wünsche davongelaufen. Die Frau geistert mit sich selbst durch das steirische Hinterland, nicht einmal nach Graz wird sie noch kommen, weil man ja ein gutes Bezirkskrankenhaus ins Land gebaut hat, und da wird die Mutterseele wohl auch eines Tages sterben.

Die Gedanken gehen in losem Zickzack nach vorne und nach hinten, vom Blumenschmuck am eigenen Grab ausgehend geht es zurück in die Jugend, wo einst der Haustyrann gestorben ist, nachdem er alle im Haus schikaniert hat. Die Nachbarn beargwöhnen diesen Tod und sind neidig, dass dieser Tyrann gestorben ist, während sie den ihrigen noch pflegen müssen.

Das erste Kind war ledig, aber der Kindsvater ging nicht zur Vermählung her, denn damals war man noch für gewisse Berufe vorgesehen, nicht für das Leben, und eine Hochzeit hätte nicht gepasst. Die Mutterseele überträgt ihren Frust auch auf die Beurteilung ihrer Kinder, die Tochter hat den Tierarzt ausgeschlagen und ist Schauspielerin geworden, täglich spielt sie in einem Kellerlochtheater, dabei könnte sie es als Frau beim Tierarzt so fein haben.

Der eine Sohn ist nach Deutschland gegangen, hat einen Mercedes gefahren und sich erschossen. Seitenlang malt sich die Mutter aus, wie das Hirn auf die Bezüge des Autos gespritzt ist, in jeder Hinsicht eine fatale Bildkomposition.

Eine angeheiratete Nichte pendelt zwischen Amerika hin und her, mal geschieden, mal auf der Suche, mal um den Kindern einen handfesten Kontinent zu zeigen. Im Amerikabild kommen alle Klischees der Vorabendserien zum Vorschein, dabei wäre alles so einfach, die müssten bloß ihre Häuser besser bauen, dann hätten die jährlichen Hurrikans keine Chance.

Die Mutterseele spricht und spricht und flicht dabei aus vorgefertigten Strähnen ihren Lebenszopf zusammen. Zwischen Vorurteil, Vorbild und Vorschlaghammer gibt es keinen Unterschied, das Leben schmiedet völlig unbeeindruckt aus fragilen Vorstellungen eine feste Wurst an Tatsachen.

Gabriele Kögl erzählt abgehärtet und heiter und lässt ihre Figur dort fortfahren, wo sie in Peter Handkes "Wunschlosem Unglück" zu Tode gekommen ist.


Gabriele Kögl, Mutterseele. Roman.
Göttingen: Wallstein Verlag 2005. 155 Seiten. EUR 16,50. ISBN 3-89244-926-0.

 

Helmuth Schönauer, 14-11-2005

Bibliographie

AutorIn

Gabriele Kögl

Buchtitel

Mutterseele

Erscheinungsort

Göttingen

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Wallstein Verlag

Seitenzahl

155

Preis in EUR

EUR 16,50

ISBN

3-89244-926-0

Kurzbiographie AutorIn

Gabriele Kögl, geb. 1960 in Graz, lebt in Wien.

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