Klaus Merz, Priskas Miniaturen

Buch-CoverWenn man sich nach langer Wanderung die vollen Blasen an den wunden Füssen aufsticht, verschaffen diese Nadelstiche große Erleichterung. Ähnlich geht Klaus Merz mit seinen Miniaturen vor. Seine Geschichten sind meist vom Leben wund getretene Blasen, die er mit Erzählverve und Pfiffigkeit zum Platzen bringt.

So wird ein notgelandeter US-Pilot nach Jahrzehnten frenetisch gefeiert, als er in das Schweizer Dorf seiner Notlandung zurückkehrt. Alles wird gut und feierlich, wenn die Zeit lange genug darüber geblasen hat. Aus dem Schrecken des Krieges ist ein patinöses Abenteuer geworden, das sich gut in Bronze gießen und für die Nachwelt konservieren lässt.

An anderer Stelle fährt ein älterer Herr gepflegt seinem Freizeitdomizil entgegen, alles ist sanft, sachte und wammsig fein, bloß die Frau am Beifahrersitz sagt plötzlich nichts mehr. Erst am Ziel begreift der Mann, dass seine Frau schon längst gestorben ist. Er bricht in erstauntes Weinen aus. (63)

Hanni Ball transportiert mit einem Sattelaufleger einen Elefanten durch die Alpen, Frau Martha kündigt und folgt der Verkündigung ihres eigenen Schicksals, ein Ortschronist und Gottesmann schaut vom Hochsitz seines Kirchturms aus auf die jüngere Zeitgeschichte.

In all diesen Erzählungen schlummert jenes "latente Material", das ein fotografierender Hobbyzeitgenosse auf seine Filme gebannt hat. Dieser Künstler entwickelt seine Filme gar nicht, sondern begnügt sich mit dem Bewusstsein, im Bedarfsfalle belichtetes Material bei der Hand zu haben. Letztlich ist in der Kunst alles ?latentes Material?, das bei besonderen Anlässen entwickelt wird.

Die zwanzig Erzählungen von Klaus Merz sind beinahe zwanzig Kurzromane. In wenigen Skizzen ist jeweils das volle Aroma der Szenerie da. Meist sind es schweizerische Dörfer mit schrägem Licht oder Hochnebel, worin sich oft unterirdisch das Leben der jeweiligen Helden abspielt. In der Mathematik würde man diesen Erzählstil "vektoral" nennen. Klaus Merz gibt mit seinen Texten kurze Parameter aus und lässt dann die Sätze alleine und unbegleitet über das Geschehen kreisen, eine optimistische Erzählmethode, die dem Leser große Selbständigkeit zuteil werden lässt.

Klaus Merz: Priskas Miniaturen. Zwanzig Erzählungen 1978-1988
Mit einem Nachwort von Walter Morlang.
Innsbruck: Haymon 2005. 203 Seiten. EUR 17,90. ISBN 3-85218-484-3.
 

Helmuth Schönauer, 11-10-2005

Bibliographie

AutorIn

Klaus Merz

Buchtitel

Priskas Miniaturen

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Haymon

Seitenzahl

203

Preis in EUR

EUR 17,90

ISBN

3-85218-484-3

Kurzbiographie AutorIn

Klaus Merz, geb. 1945 in Aarau, lebt in Unterkulm.

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