Christopher Wurmdobler, Kaffeehäuser in Wien
Löffel auf dem Wasserglas, Gesicht nach unten! – So kann nur eine Regieanweisung für gutes Benehmen in einem Wiener Kaffeehaus lauten, tatsächlich muss der Löffel mit dem Gesicht nach unten schauen, wenn er ordentlich serviert sein will.
Christopher Wurmdobler startet seinen Führer durch eine Institution mit einem kulturellen Alphabet. Das Kaffeehaus ist nach Ansicht bedeutender Schriftsteller ein Arbeitszimmer, worin man fast alles kann, aber nichts muss. Der Blickkontakt wird meist über Spiegel hergestellt, und auch die Bedrohung durch amerikanische Coffeeshops hat dem echten Wiener Kaffeehaus nicht geschadet, im Gegenteil, jetzt weiß man endlich, was man daran hat. Das Ritual um Entschuldigung beim Bestellen, die unsterbliche Tante Jolesch, Kaffee himself, Wandschmuck, Wasser und Zeitungen sind Stichworte, die allmählich das Kaffeehaus umkreisen und schließlich dingfest machen.
Im Nachschlageteil schließlich sind sie alle aufgezählt: Die literarischen Wallfahrtsorte reichen vom Alt-Wien, Bräunerhof, Central über Eiles, Griensteidl, Museum, Sperl, zum Westend und Zartl. Selbst dem flüchtigen Wien-Besucher aus der Provinz zieht es bei diesen Namensnennungen das Wasser im Mund zusammen und bringt das Glas am Kaffeehaustisch zum wonniglichen Schäumen.
Die Kaffeehäuser sind wie literarische Klassiker aufgebaut. Geschichte, Interieurs und kulturelle Intimitäten werden nebst Adresse, Speziellen Angeboten und Öffnungszeiten mit der Hingabe eines Opernführers vorgestellt.
Im Nachspann kommen die Szene-Häuser und In-Lokale zum Vorschein, der Ausdruck „Kaffee zum Gehen“ soll nicht bedeuten, dass man sich abwenden soll, sondern vielmehr mir dem Becher in der Hand den Kaffee als öffentliches Ereignis inszenieren kann. Ein Überblick über Röstereien und Kaffeegeschäfte rundet den Führer ab.
Wenn man Wien mit wenigen Worten umreißen sollte: Es ist eine literarische Stadt voller sprachlicher Süffisanzen und Schlemmereien, ein Rundgang durch ein paar Kaffeehäuser ist eine Entführung in ein anders Reich der Wahrnehmung. Christopher Wurmdoblers „Kaffeehäuser in Wien“ sind ein literarisch dargestelltes Literaturereignis mit hohem Nutzen!
Christopher Wurmdobler: Kaffeehäuser in Wien. Ein Führer durch eine Wiener Institution. Klassiker, moderne Cafés, Konditoreien, Coffeeshops. Fotos von Gerhard Wasserbauer.
Wien: Falter Verlag 2005. 248 Seiten. EUR 25,50. ISBN 3-85439-332-6.
Helmuth Schönauer, 05-12-2005