Gotthard Bonell, Rituale

Buch-CoverDamit man sich nicht verzettelt und verschaut, ist dieser Rituale-Sammlung Gotthard Bonells eine kleine Einführung von Peter Weiermeier vorangestellt.

Darin weist der Kulturmoderator auf diverse Eigenheiten der Bonellschen Rituale hin. Gerade die Verschmelzung von öffentlichem Schaugestus und privater Inszenierung des Gesehenen macht das Werk am ehesten zugänglich. Anknüpfend an frühere „Leder-Arbeiten“ geht es um Partikel aus einem inszenierten Orbit sexueller Praktiken.

Tatsächlich sind auf den Rituale-Tafeln scheinbar Ausschnitte aus groß aufgebauten erotischen Prospekten zu sehen. Die Gesichter sind ausgeblendet, manchmal ist der Blick von Tuch abgedeckt, wie man es als Kind beim Blinde-Kuh-Spielen verwendet hat. Fleisch, gewürdigte Hautpartikel und Instrumente der Ekstase sind in einander verschnörkelt wie Faltenwürfe eines großen Spannlusttuches. Manche Gliedmaßen sind edel verschnürt zu emotional gebändigten Paketen, an anderen Stellen springen Körperteile kurz in Pose und schnellen dann gezähmten ins Bildsegment zurück.

Die Farben sind warm, nah am Blutigen, erdig, von Sinnestorf umhüllt, golden, braun bis hin in zu Pigmenten aus lyrisch verschorften Wunden.. Selbst in den glatten Bildern des Buchdrucks merkt man noch die knistrige Oberfläche der Bilder, man spürt die leichte Erhebungen, die wie alte Herdplatten in die eigenen Rillen der Fingerkuppen übergehen.

„Der Begriff Rituale umschreibt ein Set von Haltungen und Handlungen, die vorgeprägt sind, die der Künstler imaginiert und wie einen pornografischen Film abrollen lässt. Freilich ist dieser Film dort am rätselhaftesten, wo er die Neigung besitzt, explizit zu werden. In der Tat liegen pro Blatt nicht selten mehrere Filme (auch formal) unterschiedlichen Charakters übereinander.“ (PW) Aus den Tafeln quellen ganze Landschaften der Lust hervor, gebändigt und aufgestachelt von Ritualen.

Gotthard Bonell stachelt die Betrachter auf, die eigene Lust zu inszenieren, ein paar Rituale hierfür legt er mit seinen Tafeln vor, der Rest ist wie immer Arbeit des Lesers und Betrachters. Der Zyklus dieser „gefesselten“ Körper, Emotionen und schwarzer Fantasien ist erstmals zur 20-Jahr-Feier der Meraner Musikwochen 2005 vorgestellt worden.

Gotthard Bonell: Rituale. 46 Farbtafeln. Mit einem Text von Peter Weiermair.
Wien, Bozen: folio 2005. 158 Seiten. EUR 25,-. ISBN 3-85256-320-8.

 

Helmuth Schönauer, 09-12-2005

Bibliographie

AutorIn

Gotthard Bonell

Buchtitel

Rituale

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

folio

Seitenzahl

158

Preis in EUR

EUR 25,-

ISBN

3-85256-320-8

Kurzbiographie AutorIn

Gotthard Bonell, geb. 1953 in Truden, lebt in Bozen.

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