Peter Oberdörfer, Gischt

Buch-CoverDas Leben hat letztlich zwei Konsistenzen, die amorphe Alltäglichkeit, die sich am ehesten wie ein Gel erzählen lässt, und diese grobkörnigen Flunsen, die wir uns als Geschichten erzählen.

Peter Oberdörfer berichtet in seinem Roman von den Spannungen zwischen unbewegten und bewegten Elementen des Lebens, zu diesem Zweck spannt er eine Dreiecksgeschichte zwischen Claudia, Willi und Hans aus und überblendet diese Konstellation mit der Gischt der fiktionalen Welt des Films. So verschwindet zu Beginn des Romans Willi und löst durch sein Fehlen das Beziehungsfeld auf, im letzten Kapitel sind alle drei Protagonisten an ihrem überspitzt dargelegten Endpunkt angelangt, nämlich im Alltag, im Jenseits und im Film.

Dazwischen schlägt in short cuts die Beziehungskiste 51 mal auf und zu, in 51 Sequenzen nämlich strömen die Protagonisten zueinander, versuchen es miteinander und bugsieren sich wieder von einander weg. Alle Facetten von Sehnsucht, Verzehr und Ödnis sind gleichermaßen am Tisch, wenn es um den Versuch geht, irgendwie zwischen Freundschaft, Liebe und Partnerschaft durch die Gischt der Tage zu driften.

Die Gischt ist für Willi ein guter Begriff, um ein kurzes Porträt des Nosferatu-Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau (1988-1931) zu überschreiben.

Ja, Gischt war das passende Wort für das flüchtige Leben Murnaus, Gischt, gut, gut, ein lautmalerisches Wort, Gischt, schäumendes Wasser, Wasser in Ekstase, weiß, prachtvoll, nichts eigentlich, nur Schaum, flüchtig, aber schön wie eine Blüte, wie eine Wolke, schön wie Murnaus flüchtiges kurzes Leben. Und das Rauschen gischtenden Wassers war das schönste Geräusch der Welt. (47)

Dieser Ekstase eines intensiven Lebens stehen die Trivialitäten des irdischen Lebens gegenüber, die Figuren stoppen sich mit dem Auto in irgendwelche Freizeitvergnügen, wechseln die Städte nach den zufälligen Schwerpunkten des Beziehungsdreiecks, ziehen sich faecend und seufzend auf das Klo zurück, weil das oft der einzige Ort der Besinnung ist.

Peter Oberdörfer hat die Figuren leicht melancholisierend in die Kluft von hohem Lebensanspruch und niedriger Alltäglichkeit gesetzt. Im Kontrast von reifer Kunst und reiner Überlebenskunst driften die Figuren im Kreis durch die Gischt des Daseins, bis sie endlich wie beim Spiel „Bäumeanschlagen“ wenn schon nicht zur Ruhe kommen, so doch wenigstens fehl am Platz sind. Diese Einschätzung des Lebenssinnes mag zwar ziemlich sarkastisch wirken, ist aber durchaus realistisch.

Peter Oberdörfer: Gischt. Roman.
Bozen: Edition Raetia 2005. 211 Seiten. EUR 9,90. ISBN 88-7283-246-2.

 

Helmuth Schönauer, 18-12-2005

Bibliographie

AutorIn

Peter Oberdörfer

Buchtitel

Gischt

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Edition Raetia

Seitenzahl

211

Preis in EUR

EUR 9,90

ISBN

88-7283-246-2

Kurzbiographie AutorIn

Peter Oberdörfer, geb. 1961 in Schlanders, lebt in Meran.

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