Alfred Schirlbauer, Die Moralpredigt

Buch-CoverEin Pädagoge, der zu Beginn seiner Textsammlung von seiner tiefen Sinnkrise spricht, macht diesen sofort sympathisch. Das Buch von der Moralpredigt hat sich nämlich verzögert, weil es seinen Autor zwischendurch in ein pädagogisches Loch geworfen hat.

Und das ist vielleicht die wichtigste Botschaft des Buches: Nur wer sich von Zeit zu Zeit in ein tiefes Loch stürzt oder stürzen lässt, kann halbwegs einen Überblick über den Kreislauf von Didaktik und Pädagogik haben.

Gerade die Bildungspolitik ist ein ewiger Kreislauf, was vor einer Epoche verworfen worden ist, ist heute wieder gut, während sich das Gute meist von selbst lächerlich macht. Also Ehrensache, dass es Latein und Griechisch braucht, um überhaupt die wichtigsten Begriffe verstehen zu können, an denen sich die Pädagogik hält. Das Verhältnis von Otium und Negotium etwa macht das Lernen aus, also mit Ziel und dennoch gelassen auf die Welt zu blicken, das wäre es.

Erklären nicht experimentieren, heißt eine andere Komponente, die guten Unterricht ausmacht, denn guter Unterricht ist jener, in dem Verstehen gelehrt wird. Am ätzendsten wird Alfred Schirlbauer, wenn das Kind in den Mittelpunkt des Unterrichts gestellt wird und die Lehrer quasi um das Kind herumhüpfen und betteln, es möge doch endlich sagen, was es will. Die Lehrer werden ja dafür gezahlt, dass sie wissen sollten, was sie wollen, die Rolle der Schüler besteht folglich nicht darin, den Unterricht zu machen.

Der Lehrer muss mit seinem Wissen auch kaltschnäuzig umgehen, indem er es heraus lässt, und vielleicht sollten sich Lehrer einfach wieder Lehrer nennen, dann wäre schon viel gewonnen.

Im den Kernaufsätzen Disziplin, Moralpredigt und Werterziehung zeigt Alfred Schirlbauer schließlich, dass hinter großen pädagogischen Begriffen oft etwas ganz anderes steckt, ja dass sich in Wahrheit hinten oft das Gegenteil von dem einnistet, was vorne ausgesprochen wird. Die Dekonstruktion, also das auf den Boden Zurückholen von großen Floskeln, ist eine unterhaltsame Art, den Fallstricken der Bildungspolitik auf die Schliche zu kommen.

Wenn man bedenkt, dass ein Großteil der Texte in ausgesprochen feierlichem Rahmen bei Festschriften und anderen Würdigungen entstanden ist, dann liest man diese Dekonstruktionen mit frechem Gemüt und stellt sich die feierlichen Gesichter vor, die Alfred Schirlbauer mit seinen Texten jeweils verlässlich dekonstruiert hat.

Alfred Schirlbauer, Die Moralpredigt. Destruktive Beiträge zur Pädagogik und Bildungspolitik.
Wien: Sonderzahl 2005. 214 Seiten. EUR 18,-. ISBN 3-85449-230-8.

 

Weiterführende Links:
Sonderzahl-Verlag: Alfred Schirlbauer, Die Moralpredigt
Universität Wien: Alfred Schirlbauer

 

Helmuth Schönauer, 16-12-2006

Bibliographie

AutorIn

Alfred Schirlbauer

Buchtitel

Die Moralpredigt. Destruktive Beiträge zur Pädagogik und Bildungspolitik

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Sonderzahl

Seitenzahl

214

Preis in EUR

18,00

ISBN

3-85449-230-8

Kurzbiographie AutorIn

Alfred Schirlbauer, geb. 1948 in Lilienfeld, ist Professor für Pädagogik an der Universität Wien.