Geschichte | Politik

Matthias Oppermann, Edmund Burke - Der Staatsmann als Philosoph

andreas.markt-huter - 11.10.2024

matthias oppermann, edmund burke„Burke jedoch kann nur in seinem eigenen Jahrhundert verstanden werden. Politik war für ihn keine Sache von Ideologien, sondern die an den Tugenden der Klugheit und Mäßigung orientierte Suche nach Lösungen für konkrete Probleme. Als Whig, der nur angesichts der Französischen Revolution die Notwendigkeit verspürte, sich als »Old Whig« zu bezeichnen, war er ein Kind des Zeitalters der Aufklärung.“ (S. 10)

Matthias Oppermann Biographie des britischen Staatsmanns und Philosophen Edmund Burke ist gleichzeitig eine Reise durch die englische Geschichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die vor allem vom Siebenjährigen Krieg, dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und der Französischen Revolution geprägt sind. Die Biographie eröffnet aber auch tiefe Einblicke in das Leben und Arbeiten im britischen Parlament und in der Regierung dieser aufregenden Epoche.

Christopher Clark, Frühling der Revolution

andreas.markt-huter - 02.10.2024

christopher clark, frühling der revolution„In ihrer Intensität und geographischen Reichweite waren die Revolutionen von 1848 einzigartig – zumindest in der europäischen Geschichte. Weder die Französische Revolution von 1789 noch die Revolution von 1830, weder die Pariser Kommune von 1871 noch die russischen Revolutionen von 1905 und 1917 lösten eine vergleichbare transkontinentale Lawine aus.“ (S. 9)

Der Historiker Christopher Clark setzt sich in seinem fulminanten umfangreichen Werk mit Vorgeschichte, Verlauf und den Auswirkungen der Revolution von 1848 auseinander, die trotz scheinbarer Erfolglosigkeit die Grundlagen für die sozialen, gesellschaftlichen und politischen Veränderungen im späten 19. und 20. Jahrhundert gelegt hat.

Hans Martin Krämer, Geschichte Japans

andreas.markt-huter - 23.09.2024

hans martin krämer, geschichte japans„Das vorliegenden Buch ist […] keine antiquarische Historie, sondern geht genealogisch von der japanischen Gesellschaft und Kultur im globalen Kontext aus, wie sie sich uns heute präsentiert, und sucht deren Entstehung historisch zu erhellen. Dabei gebührt der vormodernen Geschichte eine ausführliche Behandlung, allein schon, weil sie Referenzpunkt zahlreicher Identitätsaussagen in der Gegenwart ist.“ (S. 8)

Hans Martin Krämer bietet in seinem Sachbuch einen kompakten Überblick über die Geschichte Japans von ihren Anfängen bis in die Gegenwart und zeigt dabei die wichtigsten Stationen der kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung des Landes. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die wechselseitigen Beziehungen im engeren wie globalen Umfeld gelegt.

Reinhard Wegerth, Die besten Wunder

h.schoenauer - 05.08.2024

reinhard wegerth, die besten wunderSuche den Kern der Hülle! – In der Literatur gibt es ständig neue Rätsel zu lösen, deren Lösungen später wieder zum Aufbau neuer Rätsel genutzt werden können. Reinhard Wegerth nimmt die „besten Wunder“ aus den Gründungsmythen von Islam und Christentum unter seine literarischen Fittiche, indem er sie ohne Vorurteile behutsam aus dem religiösen Kontext schält und als Präparate der Fiktion unter das Lektüre-Mikroskop legt.

Während das Genre Wunder in der Hauptsache bei religiös funktionierenden Geschichten zum Einsatz kommt, ist der Ausdruck „Mirakel“ schon ziemlich profan gedeutet. Schließlich steht beim Mirakel eher der Unterhaltungswert eines Ereignisses im Vordergrund, und das Staunen als Zeitvertreib ersetzt den moralisch dehydrierten Zeigefinger.

Paul Lendvai, Über die Heuchelei

h.schoenauer - 28.06.2024

paul lendvai, über die heucheleiDer einzige Außenpolitiker von europäischem Rang, den Österreich momentan aufbieten kann, ist Paul Lendvai. Seit Jahrzehnten arbeitet er als Korrespondent, Journalist, Historiker und Verleger daran, die Unwissenden mit den Mächtigen in Verbindung zu bringen. Freilich hat sich etwas Glitschiges in die Nachrichtenwelt eingeschlichen: Was man früher diplomatisches Wirken genannt hat, lässt sich heute am besten mit „Heuchelei“ umschreiben.

„[…] möchte ich insbesondere die Rolle der Heuchelei, der Doppelmoral, der menschlichen und politischen Doppelzüngigkeit und Scheinheiligkeit bei den im Rückblick unverständlichen Handlungen und Erklärungen von Spitzenpolitikern behandeln.“ (9)

Allein schon seine Biographie macht Paul Lendvai zu einem wachen Beobachter der Konflikte in Europa. 1944 nach Ungarn verschleppt, überlebte er in Budapest, erhielt 1953 Berufsverbot und konnte schließlich 1957 nach Österreich fliehen. Seither ist er dessen Wissens-Botschafter in der politisch-journalistischen Welt.

Günter Zöller, Geschichte der politischen Philosophie

andreas.markt-huter - 21.06.2024

günter Zöller, geschichte der politischen philosophie„Der folgende Abriss der (westlichen) politischen Philosophie in ihrer geschichtlichen Entwicklung von der klassischen Antike über das christlich geprägte Mittelalter bis zur Neuzeit und zu den jüngeren und jüngsten Entwicklungen stellt repräsentative philosophische Positionen zu den Formen und Normen der politischen Gemeinschaft in den jeweiligen Kontext von Staat und Gesellschaft. Durch die Verbindung von politischer Philosophie mit politischer Geschichte soll das philosophische Denken in seinen Zeitbezügen erhellt werden …“ (S. 7)

Günter Zöller bietet einen umfangreichen Abriss in die Geschichte der politischen Philosophie des Abendlandes beginnend mit den wesentlichen Denkern der griechischen und römischen Antike über die Auseinandersetzung mit Herrschaft und Macht im christlichen Mittelalter über die Rückbesinnung auf die Antike in der Neuzeit bis hin zu philosophischen Entwicklungen neuer staatsrechtlicher Grundlagen und Stellungnahmen zu Staat, Freiheit des Bürgers und sozialer Gerechtigkeit in der Gegenwart.

Kurt Leutgeb, Kirchstetten

h.schoenauer - 03.06.2024

kurt leutgeb, kirchstettenKurt Leutgeb geht in seinem Roman „Kirchstetten“ davon aus, dass nichts eindeutig ist. Das beginnt schon mit dem Ort Kirchstetten, der dreimal rund um Wien vorkommt und ständig verwechselt wird. Damit diese Orte wenigstens historisch unverwechselbar werden, verpasst ihnen der Autor jeweils eine einmalige Geschichte.

Das Kirchstetten an der Westbahn, in das sich einst der Dichter Auden zurückgezogen hatte, hat dabei noch den direktesten Kontakt zur üblichen Geschichte. Der sowjetische Dichter Breschnjew aus Tschechowgrad wird 1972 über Nacht ausgebürgert und muss mit zwei Wodka-Flaschen das Land verlassen. In Wien sucht er letztlich Kontakt zur Literaturgeschichte und lässt sich, nachdem er alle falschen Kirchstetten besucht hat, im richtigen absetzen, wo Eden wohnt und seiner Homosexualität huldigt. In einem Gespräch reden die Dichter über die Figuren der Weltgeschichte, wobei Eden eigentlich nur wissen will, warum in Russland die Autofahrer die Scheibenwischer abnehmen, wenn sie parken.

Drago Jančar, Als die Welt entstand

h.schoenauer - 29.05.2024

drago jancar, als die welt entstandBeim großen Blick auf die Welt vergessen wir meist, ihre Entstehung zu beachten. Die Welt entsteht mit jedem Menschen neu und wird ihm spätestens mit der Pubertät über den Kopf gestülpt.

Drago Jančar baut für seinen verdeckt ermittelnden Geschichtsroman über das Slowenien der 1950er Jahre ein einfaches, aber umso wirksameres Erzählgerüst auf. Der pubertierende Danijel wird in einem Wohnblock in Maribor von Vater und Mutter nach einem seltsamen Schwarzweiß-System erzogen. Die Mutter repräsentiert das Religiöse und Vater das Partisanentum, der Junge freilich lernt durch Beobachtung und Erzählungen bei anderen Leuten. So zieht in Sichtweite im Parterre eine gewisse Lena ein, die ab und zu Männer empfängt, was zu diversen Gerüchten führt.

Drago Glamuzina, Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik

h.schoenauer - 27.05.2024

drago glamuzina, der zweite hauptsatz der thermodynamikUnterliegt die berüchtigte heiße Luft beim Diskutieren dem sogenannten thermodynamischen Gesetz? Dieser zweite Hauptsatz sagt im Volksmund ja nicht viel mehr, als dass die heiße Luft beim Reden immer gleich warm bleibt.

Drago Glamuzina nimmt für seinen Roman über eine kroatische Intellektuellenszene einen sehr aufgeblasenen Titel, weil es zum Wesen dieser Spezies gehört, aufgeblasen zu reden. Gleichzeitig dient das Zitieren des Wärmegesetzes als sogenannte Hirnschranke gegen allzu ungebildete Lektüre. Wer sich also auf diesen Roman einlässt, kann sich als halbwegs intellektuell fühlen, zumal sich der Titel mit einer KI recht schnell dechiffrieren lässt.

Ilse Krüger, Das Rotzmensch

h.schoenauer - 22.05.2024

ilse krüger, das rotzmenschUmgangssprachlich gilt schon die Bezeichnung „Das Mensch“ als ziemlich abwertend, die Steigerung in „Das Rotzmensch“ kann als Inbegriff für Verachtung betrachtet werden.

Ilse Krüger stellt ihre autobiographische Darstellung vom Heranwachsen in der unmittelbaren Nachkriegszeit unter den alles vernichtenden Fluch „Rotzmensch“. Diesen Ausdruck verwendet die Oma der Heldin bei jeder Gelegenheit, um das heranwachsende Kind zu demütigen. Von diesem wird sie mit der vielsagenden Abkürzung „O“ bezeichnet, was vermutlich eher auf Oasch hindeutet, als auf die Marquise von O., obwohl im Roman alle ziemlich belesen sind und sich fallweise gepflegt ausdrücken.