Titelbild: ArundaEine Zeitschrift nach einem Berg zu benennen, ist nie falsch. Zumindest Begriffe wie stabil, zeitlos und offen lassen auf ein Konzept schließen, wonach man mit Weitblick eine regionale Kultur zu bestreichen gedenkt. Arunda ist ein Berg in der Nähe von Mals Richtung Grenzgebiet zur Schweiz, von wo aus man an guten Tagen gute Sicht auf den Vinschgau hat.

Wie in der Zeit der regionalen Print-Euphorie üblich, ist im Jahre 1976 die Arunda gegründet worden, die jetzt zum vierzigsten Geburtstag vollständig digitalisiert und online gestellt ist. Christine Riccabona und Erika Wimmer haben zudem einen Arunda-Jubiläumsband herausgegeben, worin die Arunda-Macher im losen Gespräch die letzten Jahrzehnte Revue passieren lassen, umkränzt von Dokumenten und Fotos.

Titelbild: Bozen - Ein Denkmal, eine Stadt, zwei DiktaturenDas Siegesdenkmal steht zwar in Bozen, beschäftigt aber wie jedes gute Denkmal das ganze Land, in diesem Falle ganz Tirol. Das Siegesdenkmal ist wie jedes gute Denkmal ständig vom Abriss bedroht und bringt dadurch ständig einen Diskurs auf die Beine. Abermals ein Beweis, dass es ein gutes Denkmal ist. Das Siegesdenkmal ist zur Zeit Anlass und Ort für eine denkwürdige Ausstellung, in der Macht, Herrschaft, Kultur, Baugeschichte und Gebrauch von Geschichte denkwürdig zum Ausdruck gebracht sind.

Das Denkmal wird zwischen 1926 und 1928 nach einem Entwurf des bedeutenden italienischen Architekten Marcello Piacentini errichtet. Benito Mussolini widmet es dem „italienischen Sieg“, und Inschriften von Barbaren, denen man Sprache und Schrift bringen muss, zeugen davon, dass hier auf freier Wiese zwischen Bozen und Gries jetzt ein anderer Wind weht. Das Denkmal darf auch nicht für sich alleine stehend analysiert werden, man muss sich immer den ganzen Stadtteil hinzu denken, wie ja auch der Architekt das Denkmal nur als Eintrittskarte für seine Bautätigkeit im ganzen Viertel gesehen hat.

Titelbild: Stephan Schulmeister, Der Weg zur Prosperität„Vor fünfzig Jahren herrschte Vollbeschäftigung, die Staatsverschuldung war zwanzig Jahre lang gesunken, der soziale und europäische Zusammenhalt war stärker als heute. Warum hat sich die Lage in Europa seither schleichend verschlechtert? Welche Einsichten braucht es, damit wir die gesellschaftliche Entwicklung nicht als »Sachzwang« erleben, sondern als gestaltbar, und zwar von uns selbst? Welche Wege führen aus der Krise?“ (9)

Verständlich und detailliert weist Stephan Schulmeister die vorherrschende neoliberale Wirtschaftstheorie, die sich mittlerweile zur gesellschaftspolitischen Religion entwickelt hat, als Ursache für den beständigen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Niedergang in Europa nach.

Titelbild: Nenad Velickovic, Der Vater meiner TochterBegriffe geben manchmal vor, einen Sachverhalt darzustellen, und das Individuum ordnet sich meist diesen gängigen Bezeichnungen unter, damit eine Ruhe ist. In Wirklichkeit rumort es dann in den Helden weiter.

Nenad Velickovic hat seinen ersten Roman „Logiergäste“ genannt. Damit spielt er auf den Zustand an, dass die Bewohner Sarajevos während der Belagerung eine Mischung aus Gefangenen, Flüchtlingen, Fremden und Eingewiesenen dargestellt haben. Als Gäste mit oft erbärmlicher Logis haben sie sich eine neue Form der Identität suchen müssen.

Titelbild: Peter Reutterer, World Wide und auf der anderen SeiteWenn man mit der Maus bedächtig genug unterwegs ist, erscheinen einem die einzelnen Web-Seiten fallweise wie Gedichte.

Peter Reutterer lässt sein lyrisches Ich wie eine Maus durch diverse poetische Räume kreisen, was sich dabei auftut sind Schlagzeilen, Notizen, Sprichwörter, Lebenserfahrungen und Gedichte, knapp an der Schwelle hin zur Prosa. Logischerweise heißen die aufgesuchten Felder: In der Nähe (3), In der Ferne (61), Überall (111) und Intim (139).

Titelbild: Michael Hochgeschwender, Die Amerikanische Revolution„Damit stellen sich die Demonstranten ganz bewusst und ohne jeden Selbstzweifel in die Tradition eines besseren, revolutionären Amerika, jener guten alten Zeit, als die USA noch weiß, protestantisch, tugendhaft, frei und voller Optimismus waren, einer Zeit allerdings, die so womöglich nie existiert hat.“ (7)

Während die amerikanische Revolution in gängigen Geschichtsbüchern und patriotischen Historienfilmen nicht selten als Kampf eines freiheitsliebenden Volkes gegen einen monarchischen Unterdrückungsstaat vermittelt wird und damit quasi als Startschuss für die revolutionäre Entwicklung in Europa erscheint, erweist sie sich bei nähere Betrachtungsweise als „ein komplexes, mitunter widersprüchliches historisches Ereignis“ (9). Michael Hochgeschwendner zeigt in seinem Buch detailliert, dass sich der nationale Gründungsmythos der USA, als Kampf der freiheitliebenden amerikanischen Patrioten gegen die arroganten, despotischen Briten, in der Geschichtsschreibung der Gegenwart nicht mehr aufrechterhalten lässt.

Titelbild: platonow die baugrubeEin Dreißigjähriger wird wegen wachsender Kraftschwäche entlassen, er geht nach draußen, um an der Luft besser seine Zukunft zu verstehen.

Andrej Platonow hält sich mit seinem Roman „Die Baugrube“ nicht lange im Arbeitermilieu auf, sondern schreibt gleich einen Schöpfungsbericht des modernen Menschen, der 1931 nicht umsonst das Missfallen Stalins auslöst. Der Roman muss verschwinden und mit ihm verschwindet auch die beste sowjetische Literatur, wie der Nobelpreisträger Joseph Brodsky wehmütig bemerkt.

pilar_lebenssee.jpgDer Lebenssee, ein Kosmos aus dem geographischen Ebensee, der Kultur rund um den See und dem Leben eines darin wohnenden Chronisten, ist so etwas wie das Lebenswerk des Walter Pilar.

Nach Welle 1 (~), eine skurreale Entwicklungsromanesque, Welle 2 (~~), Gerade Regenbögen, springt jetzt Welle 3 (~~~) an Land. Der Titel ist verhältnismäßig schlicht, Wandelalter. Allerdings wünscht sich der Autor, dass man sich schon am Umschlag verliest und Wandel-Altar draus macht, denn das Buch ist wie ein Flügelaltar aufgebaut, dem man zu jeder Jahreszeit verschiedene Schwerpunkte der Anbetung entlocken kann. Ehrensache, dass es mit den drei Flügeln nicht getan sein wird und somit auch noch Borten, Zierrat und allerhand Befestigungshandwerk auftauchen.

sch%C3%B6nauer_aftero.jpg„Eine Literaturgeschichte in Anekdoten ist genauso wahr oder falsch wie eine germanistisch durchkomponierte Geschichte. Gerade ein regionales Universalerlebnis wie Tirol wird ohne Anekdoten nicht auskommen, ist doch ganz Tirol eine Anekdote.“ (3)

Auf Wikipedia wird eine Anekdote als eine bemerkenswerte oder charakteristische Begebenheit, meist im Leben einer Person, definiert. Ihre wichtigsten Merkmale sind die Pointe, die Reduktion auf das Wesentliche und die scharfe Charakterisierung einer oder auch mehrerer Personen. „Aftero und Aftera“ konzentriert sich auf merkwürdige und außergewöhnliche Begebenheiten der jüngsten Vergangenheit in Tirol.

Titelbild: Andrea Wolfmayr, Vom Leben und Sterben des Herrn Vattern, Bauer, Handwerker und Graf„Der Mensch ist eine Fehlkonstruktion! – Es riecht nach Nieren. – Was wird bleiben? - Fetzen!“

Andrea Wolfmayr legt von Anfang an klar, dass es in diesem Roman mit den Beteiligten bergab geht. In einem fast pervers-dichten Kammerstück wohnen die Erzählerin Magdalena, ihr Mann Sepp und der alte Vati in Kleinhäusler-Position dicht an dicht aufeinander.