Felix Philipp Ingold, Die Zeitinsel
pätestens seit Daniel Defoe gilt ein entlegenes Eiland als ideale Erzählfläche, um darauf Lebens- und Weltentwürfe spielen zu lassen. Wenn diese Insel dann noch einer definitiven Zeit entrückt wird, indem quasi jede Zeit auf der Insel Platz hat, dann erweist sich die „Zeitinsel“ als höchst verdichtetes Material, das astrophysikalisch vielleicht an ein schwarzes Loch herankommt.
Felix Philipp Ingold konstruiert seine Zeitinsel als Kunstfläche, auf der sich Projekte, Biographien, Spintisierereien und Träume installieren lassen. Im Untertitel nennt er dieses Unterfangen „Stationenbericht“, es könnte also mit einer kultur-sportlichen Veranstaltung verglichen werden, auf der man sich während des Rundlaufs allerhand Stempel ins Lektüreheft stempeln lässt als Beleg, dass man die Stationen aufgesucht hat.
„Wer heute durch Innsbruck schlendert, stößt auf zahlreiche Erinnerungen an die einstigen Landesfürsten. Der Neuhof, verschiedene Klöster, der Vorgängerbau der heutigen Hofburg, Schloss Ambras, die Jesuitenkirche, die Mariahilfkirche, der Leopoldsbrunnen, das Grabmal Erzherzog Maximilians III. des Deutschmeisters im Dom sowie seine Eremitage im Kapuzinerkloster und vieles mehr zeugen von ihrer Herrschaft. (S. 8)
Blues ist eine Lebensstimmung, die sich über eine ganze Jahreszeit, einen Landstrich oder einen kompletten Ort legen kann. Elias Schneitter hat als Erforscher und Herausgeber von Beat-Literatur den Blues quasi am Wegrand geerbt, denn die Grenzen zwischen den beiden Künsten der Peripherie (Beat und Blues) sind fließend.
Für Frauen, die sich ein Leben lang einen autonomen Status geleistet haben, kommen am Lebensabend meist zwei Schocks angetanzt. Zum einen ist es die Aussicht auf eine miese Pension, wenn nicht pausenlos im gewerkschaftlichen Sinn gearbeitet worden ist, zum anderen ist es das Nachlassgericht, wenn die Behörde feststellt, dass es ohne Trauschein kein Erbverhältnis mit dem verstorbenen Partner gibt.
Das ideale Denkmal besteht aus einem Sockel, zu dem man sich allerhand hinzudenken kann, was man vielleicht bedenken sollte. So ein Denkmal ist naturgemäß zeitlos und nicht auf die Referenz der jeweiligen gesellschaftlichen Lage angewiesen. Solche Denkmäler werden auch selten gesprengt, weil die Sprengmeister oft gar nicht mitkriegen, dass es hier etwas zu sprengen gäbe.
Bücher über musikalische Genies sollen sich wie eine bunte Gitarre anfühlen, wenn man sie liest.
Nicht nur Melodien können einem tagelang als Ohrwurm im Kopf herumgehen, auch faszinierend einleuchtende Sätze können sich zu semantischen Schleifen ausdehnen, egal wie richtig oder falsch sie sind.
Großes Stimmungskino kann in der Literatur oft mit einem Farbton umschrieben werden, man denke an die rosa Brille oder den alle Sinnesorgane umfassenden Blues.
Das Genre Verwicklungsroman behandelt mehrere Handlungsstränge, die an sogenannten Umsteigeknoten einen Wechsel in eine neue Erzählung ermöglichen. Der österreichische Verwicklungsroman gleicht ziemlich genau dem Netz der österreichischen Bundesbahnen, das heißt, er kann von einer Person mit einem einzigen Ticket innerhalb von ein paar Halbtagen abgefahren werden.
Ein gutes Lesebändchen ist stets aufgeregt, wenn es wo eingelegt wird. Es kommuniziert mit den Lesern und fragt stumm, warum es in welcher Reihenfolge wo eingelegt wird.