Wirtschaft | Soziales

Helga Pregesbauer / Eleonore Weber (Hg.), Corona. Eine Anthologie

h.schoenauer - 13.05.2022

helga pregesbauer, coronaBei der Stofflektüre aus dem Ersten Weltkrieg ist es nach hundert Jahren egal, ob jemand in den ersten Wochen gestorben ist, wie Georg Trakl 1914 in Grodek, oder im zweiten Jahr der Katastrophe, wie August Stramm 1915 am Dnjepr-Bug-Kanal.

Corona wird vielleicht in hundert Jahren ähnlich abgekühlt betrachtet werden, noch ist offen, welche Schriftsteller dann literarisch noch am Leben sein werden.

Alexander Kluge, Zirkus / Kommentar

h.schoenauer - 11.05.2022

alexander kluge, zirkus - kommentarEin Künstler wird, solange er aktiv in der Kunst tätig ist, seine Biographie mit jedem Kunstwerk nachjustieren, wenn nicht gar neu schreiben, weil ja so viel Stoff da ist.

Alexander Kluge ist in mehreren Sparten unterwegs, seine Kunst ist es vielleicht, dass er zwischen den Sparten eine eigene poly-artistische Arena aufgemacht hat. Bei einem Kluge-Statement handelt es sich meist um ein Konglomerat aus Film, Bild, Text und Biographie. Seine Fans sind jedes Jahr überrascht, wie er Kunstwerk und Leben in permanenter Reprise neu gestaltet. Heuer hat er als dramaturgisches Leitmotiv den Zirkus gewählt, der ihn schon seit Kindertagen begleitet. Was um diesen Schlüsselbergriff herum geschieht, wird trocken Kommentar genannt.

Ralf-Peter Fuchs / Björn Onken (Hg.), Die Französische Revolution

andreas.markt-huter - 09.05.2022

ralf-peter fuchs, die französische revolution„Zunächst wird in diesem einleitenden Beitrag die Frage nach dem historischen Ort der Französischen Revolution diskutiert werden. Wann und wo hat sie stattgefunden und welche Ereignisse gehören zur Revolution? Wie ist ihr Verhältnis zur Gegenwart und ist sie ein weltgeschichtliches oder ein europäisches Ereignis?“ (S. 10)

Das Sachbuch „Die Französische Revolution“ richtet sich speziell an Studenten und Lehrer und bietet Hilfen für die Planung des Geschichtsunterrichts. Dazu gehören neben einem aktuellen Sachwissen über den aktuellen historischen Erkenntnisstand und Überlegungen zur Relevanz des Themas in der Gegenwart auch Hilfen für die geschichtsdidaktische Vermittlung und Stundenvorbereitung.

Friedrich Hahn, Peter & Peter

h.schoenauer - 06.05.2022

friedrich hahn, peter und peterKann ich mir selbst das glauben, was ich mir selbst erzähle? Muss ich mich an das vorgegebene Schicksal halten, oder darf ich selbst in meine Identität eingreifen und dadurch die Geschichte verändern?

Friedrich Hahn kümmert sich Roman für Roman um Identität und Lebenssinn der „kleinen Leute“, die im Laufe des Lebens aus der eigenen Geschichte herausrutschen. Sie haben letztlich nichts als sich selbst, und müssen sich als Figuren durch die vielen Sinn-Attacken ducken, die über sie herfallen. Dabei gehen zumindest die Romane bei Friedrich Hahn immer gut aus, vermitteln sie doch zwei Botschaften: Jeder ist zu einem Leben im Standby-Modus fähig, und jede Vita lässt sich aussitzen bis hin zum wohlverdienten Tod.

Michel Jean, Kukum

h.schoenauer - 04.05.2022

michel jean, kukumWenn man die großen Erzählungen von Mutter Erde auf sich einwirken lässt, so sind die Geschichten oft wie das eigene Leben aufgebaut. Viele von uns haben eine unversehrte Kindheit, eine jähe Aufbruchsstimmung und das Desaster von Habgier und Wachstum erlebt, ehe wir jetzt alt und kaputt auf die Erde schauen und seufzen, dass wir deren Untergang gerade nicht mehr erleben werden.

Die meisten unserer Jahrgänge haben das Lesen gelernt mit scheinbar unversehrten Geschichten von Robinson Crusoe oder Lederstrumpf. Wir Leser mussten alt werden, um nachzulesen, wie die Geschichte von der Eroberung und Verwüstung der Natur wirklich erzählt werden muss.

Thomas Ballhausen / Sophie Reyer (Hg.): Sagen reloaded

h.schoenauer - 20.04.2022

thomas ballhausen - sagen reloadedSagen sind das, was die Leute über die Jahrhunderte sagen. Diese witzige Definition erfreut zwar nicht das Fachpublikum, erklärt aber, dass Sagen nie fertig sind und in jeder Generation neu erzählt werden müssen. Und wenn es einmal keine Sagen mehr geben sollte, werden auch die Leute nichts mehr sagen, weil sie ausgestorben sind.

An der Kante zu einer neuen Epoche empfiehlt es sich, den alten Erzählstoff zu sichten und zu „reloaden“. Thomas Ballhausen und Sophie Reyer initiieren dieses Projekt am Vorabend der Pandemie, als wollten sie für einen Überlebenskoffer sichten, was man für die neue Zeit einpacken und neu erzählen soll.

Helmuth Schönauer, Antriebsloser Frachter vor Norwegen

andreas.markt-huter - 18.04.2022

helmuth schönauer, antriebsloser frachter vor norwegen„In der Erinnerung ist etwas fixiert / indem eine gültige Fassung abgespeichert ist im Hirn / du denkst nicht mehr daran / dass es eine Alternative gegeben hätte damals / sondern alles ist unverrückbar gültig / wie ein Flugschreiber einer abgestürzten Maschine / der Flug mag zwar ungünstig ausgegangen sein / die Daten freilich sind fix“ (S. 16)

Erinnerungen werden trüb und verschwimmen im Laufe der Zeit. Nur die festgehaltenen Wahrnehmungen fixieren sich und werden zur vergangenen Realität. Lyrisch poetische Erinnerungen und Betrachtungen fixierter Ereignisse befreien den eingefrorenen Blick und eröffnen einen Neuen.

Bernhard Strobel, Nach den Gespenstern

h.schoenauer - 15.04.2022

bernhard strobel, nach den gespensternWie bei Huhn und Ei ist auch die Urheberschaft der Gespenster diskutierbar. Suchen nun Gespenster die verschreckte Seele auf und setzen sich im Schreckzentrum nieder, oder treten zuerst Hirngespinste auf, die dann als abgeheilte Gespenster in die verschreckte Umwelt entlassen werden?

Bernhard Strobel geht in seinen dreizehn Erzählungen diesem Wechselspiel nach. Dabei wird man als Leser miteinbezogen in dieses Wirrwarr aus Gewissheiten, seelischen Brüchen, Familientragödien oder einfach dem Auseinanderbrechen jeglicher Selbstsicherheit.

Andrej Platonow, Der makedonische Offizier

h.schoenauer - 13.04.2022

andrej platonow, der makedonische offizierDie Erde entwickelt sich entweder zu einem reinen Kristall, der Wasser spendet, oder der Erdball verliert sich in einer giftigen Blase.

Andrej Platonows Kernsatz über die Entwicklung der Sowjetunion wird in den 1930er Jahren unter Stalin nicht gerade mit Wonne aufgenommen. Der Autor wird sofort geächtet, verliert seine Wohnung und Zulassung als Schriftsteller. In seinem Brotberuf als Bewässerungsingenieur hat er täglich mit Verhaftung zu rechnen. Und als er selbst schon fertiggemacht ist, geht die Verfolgung auf seinen Sohn über, der daran stirbt.

Jan Gerber (Hg.), Die Untiefen des Postkolonialismus

andreas.markt-huter - 04.04.2022

jan gerber, die untiefen des postkolonialismus„Auch wenn solche antisemitischen und plumpen Angriffe auf die Singularität des Holocaust mittlerweile nicht mehr ganz so offen vorgetragen werden, hat in den vergangenen Jahren mit dem Siegeszug der Postkolonialen Studien eine weiche, aber nicht weniger problematische Form der Relativierung an den Universitäten und in den Feuilletons Einzug erhalten. Vertreter des Postkolonialismus sehen zwischen den Gräueltaten des deutschen bzw. europäischen Kolonialismus höchstens noch graduelle Unterschiede zum Holocaust und zeichnen eine fast direkte Linie von kolonialen Verbrechen nach Auschwitz.“ (S. 14)

Wurde in der Vergangenheit die Einmaligkeit des Holocaust vor allem von rechten politischen Gruppen relativiert so kommen in der Gegenwart immer häufiger Standpunkte zur Sprache, die den Holocaust als Folge des europäischen Kolonialismus betrachten, der sich nur im Detail von den kolonialen Gräueltaten unterscheidet. Zahlreiche renommierte Autorinnen und Autoren setzen sich in ihren Beiträgen kritisch mit den Ansätzen der Postkolonialen Studien zum Holocaust auseinander.