Wirtschaft | Soziales

Wilfried Steiner, Der Trost der Rache

h.schoenauer - 18.10.2019

wilfried steiner, der trost der racheDas Weltall und die Geschichte haben, zumindest wenn es nach dem Volksmund geht, eins gemeinsam: Die dunkle Materie in Gestalt von dunklen Löchern!

Wilfried Steiner knackt die Empfindsamkeit seines Helden Adrian mit dem rasanten Tod eines Onkologen. Im Roman „Der Trost der Rache“ stirbt der Vater Adrians an Krebs, obwohl er als Onkologe diesen ja vom Wissen her zähmen hätte müssen. Adrian geht es nicht mehr aus dem Kopf, dass wir letztlich nichts wissen und von Dunkelheit umgeben sind. Als Trauerarbeit wird er mit seiner Frau Karin auf die Kanareninsel La Palma reisen, um endlich durch das große Teleskop zu blicken, was seine Hobbykarriere als Astronom veredeln und zur allgemeinen Beruhigung beitragen soll.

Rosa S., Ich musste die Rute küssen

h.schoenauer - 16.10.2019

rosa s, ich musst die rute küssenWenn die Aufklärung nicht einmal in Zeiten der Globalisierung die Menschen erreicht, wie schlimm muss es erst in Zeiten gewesen sein, wenn alle noch in Tabus und totalitäre Staatsgefüge verstrickt sind?

Rosa S.‘ Lebensgeschichte ist mehrfach gefiltert wie Radioaktivität, mit der niemand ungeschützt in Berührung treten will. Anlässlich einer Radiosendung ist Rosa S. anonymisiert aufgetreten, um von ihrem geschlagenen Leben voller Gewalt zu erzählen. Die Reaktionen sind überraschend und mitfühlend. Die mittlerweile 80-jährige stellt mit Einverständnis ihrer Kinder eine schriftliche Fassung her, welche die Gewalt beschreibt, aber eventuell noch Lebende nicht denunzieren möchte.

Astrid Kofler, Das Fliegen der Schaukel

h.schoenauer - 07.10.2019

astrid kofler, das fliegen der schaukelEine Gesellschaft kann nur dann glücklich sein, wenn sie mit der jüngeren Zeitgeschichte versöhnt ist. Der Literatur fällt dabei die Aufgabe zu, mit ihren Fiktionen und Analysen einer gemeinsamen Erzählung auf die Sprünge zu helfen.

Astrid Kofler schreibt mit „Das Fliegen der Schaukel“ so etwas wie einen Versöhnungsroman. Zur Jahrtausendwende sitzt in einem Bozner Altersheim die betagte Lehrerin Ada Torelli in verschiedenen Erinnerungsposen herum und lässt das Leben Revue passieren. Unterhaltungsprogramme, das Auftreten von Clowns oder das wortlose Altern von Mitgenossinnen wirken fast wie eine Verhöhnung eines Lebens, das da für ein friedliches Ende zusammengestellt wird.

Manfred Mixner, Die Generalin

h.schoenauer - 30.09.2019

manfred mixner, die generalinFür einen gelungenen Roman braucht es meist Material und einen Standpunkt. Die Reife des Schriftstellers zeigt sich mit zunehmendem Lebensalter daran, dass ihm das Material ziemlich Wurst ist, er um den Standpunkt aber ringt wie um das Leben.

Manfred Mixner erzählt im Roman „Die Generalin“ vage die Geschichte eines Zeitzeugen, der nach dem Krieg geboren, sein Erwachsenwerden in der ländlichen Steiermark beschreibt. In den Miniaturen der Erinnerung sind viele Elemente einer örtlichen Chronik verarbeitet, aber im Wesentlichen geht es darum, aus den Pixeln der Erinnerung etwas Ganzes zu machen, das es vielleicht in dieser Form gar nicht gegeben hat.

Tibor Noé Kiss, Stumme Wiesen

andreas.markt-huter - 20.09.2019

tibor noe kiss, stumme wiesenMagische Titel legen oft den Finger an die Lippen und flüstern ein Geheimnis. „Stumme Wiesen“ sind eine Verheißung von Stille, worin man Geschichten tuscheln hört, stumme Wiesen sind vielleicht aber auch etwas Schreckliches wie die Killing Fields.

Tibor Noé Kiss nimmt die Leserschaft wie für eine Abendgeschichte bei der Hand und führt sie irgendwie hinaus in die Entlegenheit. Wir befinden uns in einer peripheren Zone, zuerst gibt es noch eine Siedlung, später dünnt sich alles aus und der Blick endet im landschaftlichen Nichts.

Robert Prosser, Phantome

h.schoenauer - 11.09.2019

robert prosser, phantomeJedes geniale Kunstwerk hat einen Karabiner eingebaut, mit dem es sich um den Hals des Lesers schlingt wie ein Mühlstein, mit dem es aber auch den Leser sichert in einer unermesslich stabilen Felswand der Fiktion.

Robert Prosser hat mit seinen „Phantomen“ ein geniales Kunstwerk der Aufklärung und Nacharbeitung des „Bosnien“-Krieges geschrieben. Sein Karabiner, mit dem er an uns Leser andockt, ist die Welt der Graffiti. Jeder, der schon einmal das „Phantom“ Graffiti gesehen hat, ist von einem Gefühl des Verdrängens, der Neugier oder Ablehnung unterfüttert, nur die wenigsten machen sich Gedanken, wer hinter den „Graffs“ stecken könnte und was er damit bezweckt.

Hannes Hofbauer, Kritik der Migration

andreas.markt-huter - 09.09.2019

hannes hofbauer, kritik der migration„Es war das sprichwörtliche Tüpfelchen auf dem »i«, als die Chefin der deutschen Regierung, Angela Merkl, unter aufmunternden Zurufen aus Unternehmer- und Kirchenkreisen im Hochsommer 2015, die Migrationsschleuse für Muslime aus dem Nahen Osten öffnete. Das Kapital hoffte auf billige Arbeitskräfte und die Kirchen lieferten das ideologische Beiwerk der Menschlichkeit.“ (S. 7)

Der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Hannes Hofbauer geht der aktuell brisanten Frage zur Migration nach und bietet mit seinem distanzierten, kritischen Blick neue Einblick in die Geschichte, Ursachen und Auswirkungen von Migration.

Selim Özdogan, Wo noch Licht brennt

h.schoenauer - 07.09.2019

selim Özdogan, wo noch licht brenntWann immer die Wörter „türkisch“ und „deutsch“ in einem Satz zusammenstoßen, besteht für den Autor große Gefahr, gesucht, entführt und eingesperrt zu werden.

Selim Özdogan wendet sich unverfroren klar dem Thema der türkisch-deutschen Verhältnisse zu, er geht freilich allem Politischen aus dem Weg und nimmt das unscheinbarste Wesen beider Kulturen als Heldin: Gül ist eine vom Leben abgehärtete Frau, die im Ruhestand Bilanz zieht und unter den Familienmitgliedern dort nachschaut, „wo noch Licht brennt.“

Richard Holmes (Hg.), Der Zweite Weltkrieg. Die visuelle Geschichte

andreas.markt-huter - 03.09.2019

richard holmes, der 2. weltkrieg„Das vorliegende Buch bietet eine leicht zugängliche Übersicht, die lange gefehlt hat. Es zeigt, wie der Krieg aus der glimmenden Asche des vorangegangenen auflodern konnte, und geht dabei nicht nur ausführlich auf das gefährliche Erbe des Ersten Weltkrieges in Europa ein, sondern es berücksichtigt auch, welche Auswirkungen in Japan die Unzufriedenheit mit den Ergebnissen der eigenen Teilnahme hatte.“ (S. 8)

Das illustrierte Sachbuch „Der Zweite Weltkrieg“ schildert nicht nur die Ereignisse und Kriege des Zweiten Weltkriegs, sondern bettet diesen gezielt in eine erklärende Vorgeschichte und Folgeschichte ein, in denen die Ursachen für den Ausbruch des Krieges und die Entwicklungen und Auswirkungen in den Jahren nach Kriegsende aufgezeigt werden.

Paul Theroux, Ein letztes Mal in Afrika

h.schoenauer - 24.08.2019

paul theroux, ein letzes mal in afrikaIn der Reiseliteratur kennen wir im Extrem bunte touristische Anmachen und Kriegsberichterstattung. Unter die Haut fährt uns freilich das Mittelding, eine Überlandreise auf einem Pulverfass, eine Erklärung für den nächsten Krieg.

Paul Theroux gilt als der Reiseschriftsteller der westlichen Welt. Er hat in den letzten Jahrzehnten nicht nur so gut wie alle Kontinente bereist, er liest auch andere Literatur über jene Länder, die er bereist, und macht sich bei jedem Bild Gedanken darüber, welcher Perspektive seine Darstellung Macht verleiht. In seinen Schreibwerkstätten und Referaten, die er oft in diesen Ländern hält, empfiehlt er den jungen Dichtern, sich weniger mit Gedichten wegzudröhnen, sondern vielmehr mit offenen Augen zu beschreiben und zu erzählen. Immer wieder weist er auf die Wichtigkeit „trivialer Beobachtungen“ hin. (300)