Hanne Römer, .aufzeichnensysteme, Raute
Wenn das Medium Buch gesprengt wird, entsteht vielleicht daraus eine Raute, die sich als Vorsatzzeichen für Hashtag-Botschaften einsetzen lässt.
Hanne Römer setzt jedenfalls mit „Raute“ den Schlusspunkt eines Aufzeichnungsdestillats, dessen frühere Bände „Grate“ und „Im Grünen“ heißen. Im dritten Band ist wieder alles in Aufruhr und Umbruch, das Material drängt sich so übermächtig zu einem Haufen zusammen, dass selbst die Autorenschaft überlagert wird.
Wenn Materie nicht aus Materie besteht, wie in Physikerkreisen formuliert wird, dann könnte vielleicht Dichtung Materie sein?
Wenn dir beim Aufschlagen eines Buches alles fremd ist, lies es wie ein Lexikon!
Tourismus und Krieg sind die Triebfedern dafür, dass wir uns zwischendurch für die Literatur scheinbar entlegener Gegenden interessieren. Manche halten den Tourismus für eine Sonderform des Krieges, was die Lesemotivation noch einmal vereinfacht. Am liebsten sind uns dabei Dinge, die uns schon vertraut sind.
Hinter dem unscheinbaren Begriff „Datenpoesie“ tut sich eine literarische Revolution auf. Hier schreibt nicht mehr ein Autor Gedichte oder poetische Texte, sondern die Programme, einmal in Bewegung gesetzt, spulen ihr poetischen Akzente ab. Logischerweise dürfte diesem Unterfangen nicht ein lebender Leser in die Quere kommen, sondern ein kluger Leser müsste dieser Poesie sein eigenes Leseprogramm entgegenhalten, sodass sich zwei Künstliche Intelligenzen gegenseitig auslesen und in Schach halten könnten.
Der Aphorismus ist ein Brühwürfel, der eine würzige Argumentationskette auslöst, wenn man ihn ins Gespräch wirft.
Was für ein aufregender Abgang! Es poltert ein wenig, eine Epoche geht zu Ende, langsam wird es dunkel, vielleicht beruhigt sich auch alles wieder.
Manche Bücher nehmen die Aufgabe, einen haptischen Zusatzgenuss zu vermitteln, so ernst, dass sie beinahe in eine Skulptur ausarten. Solche Bücher kommen dann nicht mit der Post, sondern mit dem Sack-Roller auf den Schreibtisch. Man ist im ersten Durchgang vor allem mit dem Blättern und räumlichen Zuordnen des Textes im Raum beschäftigt, man fühlt sich eher unter einem Triumphbogen stehend, als vor einem Buch sitzend.
Magische Wörter zwingen dazu, die Eigen-Phantasie in Sekundenschnelle anzuregen und auszuleben. Das schöne „Winterrot“ ist voller Widerspruch, trifft doch die Kälte auf die Wärme. Der Raser wird an rotglühende Bremsscheiben denken, wenn er im Winter sein Fahrzeug gerade noch zum Stehen bringt, ein Poet wird von der untergehenden Sonne schwärmen, die gerade im Winter besonders erhitzt untergeht, und Outdoor-Freaks denken an rot angelaufene Nasen oder Wangen, wenn die Kälte ungebremst auf das Antlitz trifft.
Manche Ausdrücke lassen einen beim Dahinlesen kurz innehalten, da ist etwas Neues, da ist etwas, was es in dieser Form noch nie gegeben hat. „Technische Tiere“ ist so eine Begriffskombination, die einen zuerst einmal stutzen lässt, bis man eine erste Erklärung findet. Technische Tiere sind vielleicht besonders geschickte Tiere, die ihren Beruf ähnlich dem technischen Zeichner besonders sorgfältig ausüben. Oder sie sind eine besonders seltene Form von „Hohen Tieren“.