Alessandro Baricco, Smith & Wesson
Das einzig Sinnvolle einer Waffe wie der Smith & Wesson ist ihr eingetragener Markenname. Damit lässt sich jede Menge Kohle machen, wenn man es klug angeht.
Alessandro Baricco formt aus dem Waffenmythos ein groteskes Medienstück, dessen Botschaft lautet, gute Geschäfte gehen immer mit der Todessehnsucht des Publikums einher. Das Stück selbst ist in Akte und Sätze eingeteilt wie eine Oper oder ein Kammerstück, die Figuren, einmal in Szene gesetzt, reden wie Wladimir und Estragon im Warten auf Godot, und als Bühnenbild gewaltigen Ausmaßes dienen die Niagarafälle, weil es dort die meisten Suizide und Hochzeitsreisen des Kontinents gibt.
Einer Dichterin verzeiht man in unserer ewig jungen Konsumkultur vielleicht noch am ehesten, dass sie alt wird. Die Leserschaft erwartet sich von ihr eine gewisse Gelassenheit gegenüber dem Literaturbetrieb und Geschichten, die von Lebenserfahrung gespeist sind.
Im postmodernen Literaturbetrieb steckt ähnlich einer russischen Puppe immer eine Inszenierung in der anderen. Mal ist es ein Buch, dann ein Festival, dann eine biographische Begebenheit, dann ein Traum, dann eine Love-Story aus der Erinnerung. Alle sind nach einem positiven Strickmuster geformt, damit sie auf den Klappentext passen.
Eine Historiker-Weisheit sagt, dass man für sein eigenes historisches Bewusstsein mindestens 30 Jahre alt sein muss. Davor ist alles ahistorisch und einmalig, erst später kann man sein eigenes Leben in Zusammenhänge fassen und an die Zeitgeschichte andocken.
In einer lebendigen Literaturszene entstehen immer wieder neue Literaturformen. Seit den Nuller-Jahren hat sich beinahe flächendeckend das Geschäftsmodell einer Vorlass-Literatur herausgemausert. Dabei werden Werke nicht für das Publikum verfasst, sondern für Kisten, die man in diversen Literaturarchiven aufstellt und für die Gegenwart sperrt. Manchmal haben Vorlass-Dichter allerdings nicht den Nerv, den eigenen Tod abzuwarten, und schreiben wieder was für das Publikum, weil sie die Stille in den Kisten nicht aushalten.
Eine literarische Antwort auf die Welt der politischen Selfies und Clouds ist die Echtzeitliteratur, die im Stile eines journalistischen Selbstversuchs an sogenannten Hotspots der Weltgeschichte abläuft oder durch Inszenierung Hotspots schafft.
Bei jedem Lyrikband von Format bleibt einem als Leser beim ersten Anblättern etwas in Erinnerung, was diesen Band einmalig macht.
Gute Sprichwörter erleichtern zwar den Tagesablauf zwischendurch, harte Sachen freilich müssen in der Literatur die Helden umso heftiger ausbaden, je bessere Sprichwörter sie kennen.
Bevor die Chose mit dem echten Leben losgeht, gibt es für die Helden meist noch einen Erlebnisrausch, worin Ort, Zeit und Ziel völlig egal sind.
Seit die Menschen Tag und Nacht online sind, heißt die häufigste Formel der Begegnung: Können wir den Termin verschieben? Dahinter steckt die Ahnung, dass man die Zeit nur besiegen kann, wenn man sie verschiebt.