Sigrid Neureiter, Kurschattenerbe
Seit im Südtiroler Grenzgebiet Bären zum Auffinden von wild abgelegten Leichen eingesetzt werden, erscheint alles, was in einem Südtiroler Krimi passiert, als höchst wahrscheinlich.
Sigrid Neureiters Krimi aus Südtirol spielt in der Kurstadt Meran und wirft sich gleich mitten in das Gewühle der Relax-Stadt. Ein aufgedonnerter Kongress über Oswald von Wolkenstein ist angesagt, Koryphäen aus den Branchen Musik und Wort tummeln sich auf den Promenaden und zwischen den Veranstaltungssälen herum, es wird viel zur Schau gegrüßt und hinterrücks getuschelt.
Wenn man eine sogenannte Heimat halb zu sich heranzoomt, breitet sich triefende Ergriffenheit aus, wenn man sie ganz zu sich heranlässt, führt sie in ihrer Skurrilität zu befreiendem Gelächter.
Es gibt eine Lebensphilosophie, nach welcher die Dinge ein Eigenleben führen und bocken, wenn etwas in eine falsche Richtung geht. Bei Charlie Chaplin springen die Sachen oft den Helden an, bei Franz Kafka machen sich Akten selbständig, bei Woody Allen ist die Couch das Problem, nicht der darauf liegende Patient.
Für einen ausgewachsenen literarischen Helden stellt die Erotik oft ein weitläufiges Kampffeld dar, auf dem er seine Fähigkeiten ausfechten und gegnerische Hiebe einstecken muss. Dieses macho-kriegerische Sprachinventar deutet darauf hin, dass Erotik oft als Krieg mit anderen Mitteln verstanden wird.
An manchen Tagen gibt es in der Literatur nur das Familienthema zu bearbeiten, die einen unternehmen alles, um die Familie los zu werden, die anderen alles, um sie zu entdecken.
Die wahre Seele eines politischen Systems zeigt sich selten in der Hauptstadt sondern meist in vergessenen Randgebieten.
Bei besonderen Schicksalsschlägen gleicht sich auch die Sprache der Struktur eines solchen Lebens an und wird dadurch über die Zeiten hinweg unverwechselbar.
Der Sinn des Paradieses besteht darin, dass man es sich nicht vorstellen kann und darf. Sobald man ein Bild davon hat, ist es kein Paradies mehr. Dennoch muss das Paradies für diverse Religionen und politische Strömungen als ultimatives Ziel herhalten, man denke nur an diese fatale Märtyrer-Legende mit den tausend Jungfrauen.
Die einzige Methode, das Leben zu meistern, besteht darin, den jeweils aktuellen Tag hinzukriegen. Dutzende Ratgeber stehen mit ihren Tipps Schlange beim ratlosen Leser, scheitern aber meist, weil sie die Sache zu ernst nehmen.
Die Fälscherei ist genaugenommen das größte Betätigungsfeld, das sich ein Mensch aussuchen kann. Denn in jedem Beruf, bei jedem Kunstwerk, in jeder Aussage kann es zu einer Fälschung kommen. Voraussetzung für eine gelungene Fälschung ist, dass man vom sogenannten Richtigen eine Ahnung hat.