Andreas Unterweger, Das kostbarste aller Geschenke

Die meisten Autoren werden kurzfristig aus ihrem Schreiberdasein gerissen, wenn sie Vater werden. Bei der Beobachtung der ersten Geräusche des Kindes definieren sie sich dann meist als Dichter neu, gleicht doch das Kinderlallen durchaus den Grundstrukturen der Literatur.

Andreas Unterweger ist also Vater geworden und feiert dies mit einem „Roman“ aus Notizen, den er in der Struktur seiner neuen Rolle anpasst. Einerseits werden die Begebenheiten, Geräusche und Verdauungssequenzen des Kindes aufmerksamen notiert, andererseits müssen diese Notizen dann vor dem großen Auge der Weltliteratur Platz nehmen und ihre Bedeutung kundtun.

So ärgert sich der Jung-Vater regelmäßig über Laubmopeds und Motocross-Fahrer, die mit ihrem Lärm den zarten Schlaf der Tochter stören, die eben mühsam eingeschläfert worden ist, andererseits lassen sich aus dieser Situation treffliche Imperative Marke Kant formulieren.

Handle so, als ob dein Kind im Nebenzimmer schliefe!“ – Handle so, als ob du dein Kind im Arm hieltest!“ – „Handle so, als ob dein Kind dir zusähe. (54)

Was hier noch ironisch aufgeblasen auf der Metaebene wirkt, haut den Autor völlig aus den Socken, wenn die Kinder philosophisch werden. „Die Leute sprechen keine schöne Musik.“ – „Das Windrad steht stumm!“ (11) Für solche Sätze opfert jeder dichtende Vater sein letztes Pferd.

Manchmal geben auch Dichterkollegen gute Sachen von sich, wenn sie über Kinder reden.

Gespräch mit Alfred Kolleritsch: Ist der Bub von dir? – Nein. – Macht nichts, Hauptsache es ist deiner. (73)

Die Notizen werden ständig relativiert durch Klammersätze, Einschübe oder Korrekturen, der Autor will möglichst viel offen lassen an Zwischenbedeutungen, weil nie klar ist, wohin diese Notizen einmal führen werden. Zwischendurch formuliert sich aus diesen vorsichtigen Überlegungen sogar ein Paradies in drei Schritten: Facebooktu / Gameboydscha / Abu Schreib. (152)

Die Auseinandersetzung mit dem neuen Kind ist schreibstrategisch gesehen eine künstliche Schreibsituation, nur dass es statt des Stipendiums eben Karenzgeld gibt. Die Rolle dieser Schreibväter wird immer wieder in Frage gestellt, meistens gibt es nach dem zweiten Kind die Scheidung, denn gerade Väter halten das zweite Kind nicht aus. Offensichtlich greift diese Erkenntnis zu kurz, denn der Autor ist nach solchen Sätzen ziemlich leer und sinnverdrossen und wendet sich wieder echten Sätzen zu aus der echten Literatur. „War er ein Tier, dass ihn Musik so ergriff?“ (Kafka)

Eine Putzfrau, die dem derangierten Vater die richtigen Fragen stellt, Buchhallen in Frankfurt, die kein Ende und keinen Sinn erahnen lassen, Vitrinen in Berlin, in denen alles ausgestellt ist, was man nicht nützen kann – der Autor umkreist und umkreist, sich und die halbe Welt.

Andreas Unterwegers Notizen eines Jungvaters am Limit sind zum Lachen tiefgehend und kaltschnäuzig überfordernd in einem. – Ein spektakulär wahrer Zeitgeist weht durch die Sätze!

Andreas Unterweger, Das kostbarste aller Geschenke. Notizen 10.05.2010 – 09.07.2012.
Graz: Droschl 2013. 179 Seiten. EUR 19,-. ISBN 978-3-85420-847-1.

 

Weiterführender Link:
Droschl-Verlag: Andreas Unterweger, Das kostbarste aller Geschenke

 

Helmuth Schönauer, 29-10-2013

Bibliographie

AutorIn

Andreas Unterweger

Buchtitel

Das kostbarste aller Geschenke. Notizen 10.05.2010 – 09.07.2012

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Droschl Verlag

Seitenzahl

179

Preis in EUR

19,00

ISBN

978-3-85420-847-1

Kurzbiographie AutorIn

Andreas Unterweger, geb. 1978 in Graz, lebt in St.Johann/Grafenwörth.

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