Anna K., Total bedient

Seit selbst der Direktor des Internationalen Währungsfonds von einem Zimmermädchen durch ihr mutiges Einschreiten sozusagen im Alleingang abmontiert worden ist, fragt sich alle Welt, was Zimmermädchen eigentlich für ein toller Beruf ist.

Anna K. geht schon einmal durch die Anonymisierung ihres Namens in Deckung, denn das Hotelerie-Wesen ist eine Insidergemeinschaft, worin aalglatt gegelte männliche Manager ihren Hormonspiegel ungebremst am weiblichen Personal auslassen.

Mehr aus Zufall und weil das Leben gerade einen Knick hatte ist Anna K. in die Sternewelt der Hotels eingestiegen, zuerst im Drei-Sterne-Bereich, später im Top-fünf-Segment und schließlich als Mädchen für alles auf einem Hausboot für Rentner. In allen Bereichen geht es gleich primitiv zu: der Gast ist zwar König, benimmt sich aber pervers, sobald er ein Hotelzimmer sieht, die Arbeitswelt ist irgendwo im letzten Jahrhundert stecken geblieben, auch wenn die Zimmer modernisiert worden sind, und überall herrscht Lohn-Dumping und Mobbing, so dass früher oder später jedes Personal auf dem Sprung nach Hartz IV ist.

Aus der Sicht des Personals ergeben sich für den Gast interessante Überlegungen: Warum lüftet niemand, wenn die Nacht zu Ende ist? Warum treffen so wenige Männer mit ihrem Spritzgerät ins Klo? Warum ziehen die Männer immer alles aus, sobald sie ein Zimmermädchen sehen? Warum essen immer alle Salami und lassen diese dann im Zimmer verschimmeln?

Tatsächlich benimmt sich die Menschheit eigenartig, sobald sie ein Hotel von innen sieht. Alle Ritualien, die zu Hause das Leben bestimmen, werden über Bord geworfen, und auch alle sozialen Komponenten fallen, selbst der biederste Typ wird ein Schwein, weil er es sich im Hotel ja leisten kann.

Aber der Leser, der sich durch solche Überlegungen der Frau Anna K. ertappt fühlt, wird auch mit Gegenmaßnahmen des Personals konfrontiert. So kann schon mal die Zahnbürste des Gastes zum Putzen einer besonders pervers verunreinigten Stell führen und auch die Nachtruhe kann flöten gehen, wenn heimlich die Sendezeit des Fernsehers umgestellt wird und dieser plötzlich zu plärren beginnt.

In Anna K.s witzigem Bericht kommen so gut wie alle Situationen vor, die Reibeflächen im glatten Beherbergungssujet bedeuten können. Vandalismus am Buffet, Beschwerden der äffischen Art, Klau in der Minibar und seltsame Stundenbesuche stehen genauso am Programm wie auf der anderen Seite Denunziation, Spontankündigung, perverse Hormonlage der Chefs.

Wenn man bedenkt, dass in unserem Land zu manchen Zeiten mehr Menschen in den Hotelbetten liegen als das Land Einwohner hat, so ist dieses Buch geradezu eine Erleuchtung für alle, die schon immer geahnt haben, dass es hinter den Hotel-Fassaden völlig abartig zugeht.

Anna K., Total bedient. Ein Zimmermädchen erzählt. Aufgeschrieben von Isabel Canet und Matthias Stolz.
Hamburg: Hoffmann und Campe 2012. 221 Seiten. EUR 17,50. ISBN 978-3-455-50257-2.



Helmuth Schönauer, 10-04-2012

Verlag Hoffmann und Campe: Anna K., Total bedient
http://www.hoffmann-und-campe.de/go/total-bedient

Bibliographie

AutorIn

Anna K.

Buchtitel

Total bedient. Ein Zimmermädchen erzählt

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Hoffmann und Campe

Übersetzung

Isabel Canet / Matthias Stolz

Seitenzahl

221

Preis in EUR

17,50

ISBN

978-3-455-50257-2

Kurzbiographie AutorIn

Anna K. ist 29 und arbeitet seit zehn Jahren in diversen Berliner Hotels.