Bastian Kresser, Ohnedich

So wie in der Physik ein dreibeiniger Sessel etwas vom Stabilsten ist, was gegen das Wackeln hilft, ist in der Gefühls-Physik eine Dreierbeziehung etwas vom Instabilsten.

In Bastin Kressers Roman „Ohnedich“ führen drei Jugendliche eine Dreiecksfreundschaft mit erotischen Partnerschafts-Anteilen, die über den Tod hinausgeht. Das Mädchen ist verstorben, der Freund hat sich zurückgezogen, der Ich-Erzähler versucht alles aufzuarbeiten.

In der Folge geht es um Geschichten, die die drei einzeln oder zusammen erlebt haben, um Erinnerungsstücke, die man vielleicht am Leben erhalten müsste, um Gefühle, die es gilt, unversehrt durch die Zeit zu tragen. Dazwischen tauchen immer wieder Lese-Erlebnisse, Musik-Einspielungen und Spaziergänge an die Textoberfläche.

Der Titel „Ohnedich“ geht auf ein solches Gefühl zurück, das spontan und ewig zugleich ist.

Ohnedich, ist das gut?- Meine Gedanken sind bei dir, das ist gut. (62)

Das Mädchen hat immer wieder Geschichten geschrieben, die jetzt gerettet und aufgefrischt im Regal stehen. Der Ich-Erzähler versucht sich diese Geschichten einzuverleiben.

Ich schreibe über dich, um dir nahe zu sein, um dich zu verstehen. (61)

Jede dieser Geschichten hat zwei Seiten, so wird ein Hundebiss einmal romantisch erzählt, weil die Story als Literatur überleben soll, andererseits erzählt der Gebissene sie realistisch und schmerzhaft, weil das die Realität ist. „Die Realität wirft mit großen Steinen und unsere Kuppel war aus Glas“ (87) wird diese euphorische Art beschrieben, die Wirklichkeit auszuhalten. Und überhaupt wirkt eine Geschichte besser, wenn sie in Ich-Form geschrieben ist.

Als Nullpunkt all dieser Gedankenströme gilt der Tag des großen Erdbebens, auf den alle Ereignisse zusteuern. Das Dreieckverhältnis gerät arg unter Druck, als sich der Freund und die Verstorbene dann doch erotisch zusammentun und den Erzähler draußen vor lassen.

Du warst das Gerüst unserer Freundschaft. Aber als wie ein Paar waren, warst du unser Mittelsmann. (117)

Der Tag des großen Erdbebens freilich verläuft ganz anders, indem er gar kein Erdbeben beinhaltet. „Und es ist in Ordnung. Ich vermisse dich. Und auch das ist in Ordnung.“

Bastian Kressers Freundschafts-Roman stellt eine reife Liebe vor, die gerade deshalb jung bleibt, weil sie völlig unverkrampft als Erinnerung aufgefrischt wird. Damit ein Glück als abgerundet gelten kann, muss es vielleicht aufgeschrieben und ohne Hast ins Regal gestellt werden.

„Ohnedich“ ist eine Ode an die gelungene Freundschaft, an die Kunst des Schreibens und an die zeitlosen Handbewegungen des Archivierens, wie sie vielleicht Bibliothekare beim Lesen zwischendurch ausführen. „Es ist wichtig, dass Bücher wie Bücher riechen.“ (15) – Eine subtile Art, sich der Zeitlosigkeit großer Gefühle zu stellen.

Bastian Kresser, Ohnedich. Roman.
Innsbruck: Limbus 2013. 264 Seiten. EUR 19,80. ISBN 978-3-902534-76-7.

 

Weiterführender Link:
Limbus-Verlag: Bastian Kresser, Ohnedich

 

Helmuth Schönauer, 10-05-2013

Bibliographie

AutorIn

Bastian Kresser

Buchtitel

Ohnedich

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Limbus-Velag

Seitenzahl

264

Preis in EUR

19,80

ISBN

978-3-902534-76-7

Kurzbiographie AutorIn

Bastian Kresser, geb. 1981 in Feldkirch, lebt in Hohenems.

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