Christian Steinbacher, Tief sind wir gestapelt

Alle Bücherfans sind von diesem Titel magisch angezogen: Tief sind wir gestapelt! Vor dem Auge tun sich Bücherstapel auf, die eine Welt versprechen, tief hineingestapelt bis ins Erdinnere.

Christian Steinbacher ist ein Meister der kleinen semantischen Drehung. Wie von einem Hör- oder Sehfehler gesteuert nehmen die Bedeutungen plötzlich einen anderen Weg, obwohl sie an der Oberfläche keine Irritationen aufweisen.

Auf der Brücke bleibt es weiter windig, / lückenlos versuchen wir zu ankern, / spulen ab das coole Seil wir eher grindig, / stoppen ein das selbstvergessene Bankett. (8)

Solche Bilder funktionieren auf Anhieb klaglos, lyrisches Wir, Thema, Objekt und Handlung ergeben einen „poetischen Sinn“, je länger man in so einem Bild verweilt, umso logischer wird es, es geht in den „Stapelgedichten“ also um das Anlegen im Nirgendwo oder um das Ankern ohne Konturen.

Der Kern des poetischen Projektes wird umspült von zwei Zyklen „Anleitung für Sechserträger“. Allein schon der Begriff Sechserträger ist volles Schlitzohr, wird doch der Sarg von hohen Tieren für das Fernsehen gerne von sechs Trägern über diverse Treppen getragen, andererseits sieht man ganze Jahrgänge bei anbrechender Freizeit mit dem Sechsertragerl hinter Büschen verschwinden, um sich generelle Illumination einzuflößen.

Die Gedichte aus dieser Serie sind mit heimlichen Faustregeln, durchgewinkten Spielanleitungen oder poetischen Snacks überschrieben.

Mit süßer Milch und Straßenkleidung lehn dich hinaus

Von Windböen sei Patenschaften abzuraten

Bleibst du allein beim Braten, drückt im A kein Pfeffer. (19)

Den Hauptteil bilden auf beinahe hundert Seiten die Bearbeitungen der Texte des neulateinischen Dichters Jacob Balde (1606-1668), aufgestachelt durch „Wischungen“ von Josef Bauer. Dabei gibt es völlig respektlose Post an die Grillwurst des Universums (59) oder Post für einen Esel, bis er käut, abgeschickt an einen Sabinus Fuscus aus Tirol, der gerüchtehalber von Hall aus in den Sternehimmel gewandert sein soll. (63)

Konzentrierte Aufstapelungen sind schließlich unter „Verkühltes Sperrholz“ und „Patente Enten“ abgelegt.

Die Bilder, Metaphern, Fragmente und Übersetzungsteile werden bei Christian Steinbacher wie in einer poetisch-physikalischen Versuchsanstalt, gedehnt, gestretcht und dem Stresstest ausgesetzt. So heißt das Kommando schließlich ganz logisch

Auf, auf zur Dehnungsgrenze // […] Also neuer Einsatz bitte! Schönheit! Grätsche! / Und bei Stretchware, da lasst euch gerne nieder. (162)

Christian Steinbachers Tiefstapelungen ragen ins Erdinnere bis sie auf Wolken treffen, sie springen zurück in eine Zeit, als alles noch voller Latein war, sie kratzen aus allen Volkskalendern die Weisheit der Jahreszeiten zusammen – und sind ein Vergnügen obendrein.

Christian Steinbacher, Tief sind wir gestapelt. Gedichte. Mit Bezugsquellen von Jacob Balde / Max Wehrli und Wischungen von Josef Bauer.
Wien: Czernin 2014. 172 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-7076-0503-7

 

Weiterführende Links:
Czernin Verlag: Christian Steinbacher: Tief sind wir gestapelt
Wikipedia: Christian Steinbacher

 

Helmuth Schönauer, 03-03-2015

Bibliographie

AutorIn

Christian Steinbacher

Buchtitel

Tief sind wir gestapelt. Gedichte

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Czernin Verlag

Illustration

Josef Bauer

Seitenzahl

172

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7076-0503-7

Kurzbiographie AutorIn

Christian Steinbacher, geb. 1960 in Ried im Innkreis, lebt in Linz

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