Gerhard Amanshauser, Es wäre schön, kein Schriftsteller zu sein

Ein sogenanntes Terrassenbuch ist ein Buch, das man recht gut kennt, in dem man aber immer wieder ein Stück liest. Zu diesem Zweck legt man das Buch auf die Terrasse und lässt den Wind entscheiden, auf welcher aufgeschlagenen Seite man weiterliest.

Gerhard Amanshausers Tagebücher der Jahre 1964-1999 soll man ruhig wie ein Terrassenbuch lesen, empfiehlt Daniel Kehlmann in seiner Einbegleitung „Von Höflichkeit und klarem Geist“. Martin Amanshauser erklärt im Abspann, nach welchen Kriterien der Text für die Ausgabe vorbereitet worden ist.

Gerhard Amanshauser hat im Jahre 1968 sein Schreibprogramm programmatisch festgehalten: „In Zukunft sind drei verschiedene Aufzeichnungshefte anzulegen: 1) Lektüre, 2) Tagesereignisse, 3) Aphoristisches.“ (24)

Die Tagesereignisse bilden über dreißig Jahre lang den Kern der Aufzeichnungen, die jeweils in der abgeschlossenen Mitvergangenheit erzählt werden. Dabei laufen Witterungen, Jahreszeiten und Vegetationszustand im Garten verlässlich durch den Text.

Ein zweites durchgehendes Element sind die Abreibungen mit dem Schriftsteller und Herausgeber Hermann Hakel, der einerseits Vertrauter und Lehrmeister für den Autor ist, andererseits durch seine Geschwätzigkeit und dilettantische Lyrik bei jeder Begegnung einen Abbruch der Freundschaft heraufbeschwört.

Das dritte durchgehende Element sind die unsäglich debilen Lesungen, die nie aufhören, alle sinnlos sind und nur den einen Zweck haben: für das abzuholende Geld einen Begriff auf der Quittung zu liefern. In dieser Abrechnung mit dem Literaturbetrieb fallen natürlich elegant egomane Formulierungen, wenn etwa vom absurd eingebildeten Zoderer die Rede ist oder sich das Publikum in Kufstein als Ansammlung von Neo-Primitiven erweist.

Aber auch die angesehenen Literaturhäuser wie die Alte Schmiede oder die Germanistik insgesamt bekommen ordentlich ihr Fett ab. „In der historisch kritischen Ausgabe kann ich aus Ekel vor der Germanistik nicht lesen.“ (288)

Als Gerhard Amanshauser von seiner Parkinson-Erkrankung gezeichnet Schwierigkeiten mit seiner Handschrift bekommt, stellt er 1999 das Tagebuch ein. Freilich übermalt er von hinten her die Seiten bis zur Unlesbarkeit, ständig damit beschäftigt, sein eigenes Verlöschen mit dem Auslöschen des Textes zu beantworten. So erklärt sich vielleicht die positive Negation des Zitates, es wäre schön, kein Schriftsteller zu sein.

Gerhard Amanshausers Tagebücher sind ein einzigartiges Dokument einer ungläubigen Seele, die den Literaturbetrieb irgendwie mitmachen musste, ohne sich an diesen zu verkaufen. Lesungen als Überlebensmittel zwischen Hartz IV und Ein-Euro-Job würde man heute sagen. Und dabei hellwach und gesund pessimistisch zu bleiben – eine schier unbewältigbare Aufgabe.

Gerhard Amanshauser, Es wäre schön, kein Schriftsteller zu sein. Tagebücher.
St. Pölten: Residenz 2012. 394 Seiten. EUR 26,90. ISBN 978-3-7017-1594-7.

 

Weiterführende Links:
Residenz-Verlag: Gerhard Amanshauser: Es wäre schön, kein Schriftsteller zu sein
Wikipedia: Gerhard Amanshauser

 

Helmuth Schönauer, 25-11-2012

Bibliographie

AutorIn

Gerhard Amanshauser

Buchtitel

Es wäre schön, kein Schriftsteller zu sein. Tagebücher

Erscheinungsort

St. Pölten

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Residenz-Verlag

Seitenzahl

394

Preis in EUR

26,90

ISBN

978-3-7017-1594-7

Kurzbiographie AutorIn

Gerhard Amanshauser, 1928-2006, lebte als Schriftsteller in Salzburg.