Literatur

Franzobel, Oberösterrrrreich

h.schoenauer - 01.09.2025

Franzobel, OberösterrrrreichDas föderalistische System Österreichs bringt es mit sich, dass in der Literatur die Bundesländer schon seit Jahren in einem heimlichen Wettbewerb stehen, wer den groteskesten „Bundesländerroman“ zustande bringt. Dabei ist der Bundesländerroman zu einem eigenen Genre geworden, in dem sich ähnlich wie im Landkrimi eine Weltdramaturgie mit regionalen Absonderlichkeiten schmückt.

Was für die Steiermark Reinhard P. Grubers „Hödelmoser“, für Tirol „Der Schluiferer“, für Kärnten Werner Koflers „Guggile“ ist für Oberösterreich das gleichnamige Heimatbuch von Franzobel, freilich scharf mit fünffachem R geschrieben.

Stefan Schmitzer, loop garou

h.schoenauer - 27.08.2025

Stefan Schmitzer, loop garouLoop ist beim ersten Hinhören ein Begriff, bei dem es drunter und drüber geht wie in der sprichwörtlichen Achterbahn. Tatsächlich gibt es eine Achterbahn in Belgien mit dem Namen Loop Garou. Im Allgemeinen bedeutet der Begriff freilich Werwolf, was genauso magisch mehrdeutig ist wie Loop.

Stefan Schmitzer greift für seine Textsammlung auf zwei antike Verfahrensweisen zurück, die Sicht auf die Welt zu erweitern. Es sind dies die Genres Invokation, was man mit Anrufung übersetzen könnte, und Katabasis, was wörtlich Hinabsteigung bedeutet.

Ludwig Roman Fleischer, Pandeminium oder In letzter Zeit

h.schoenauer - 18.08.2025

Ludwig Roman Fleischer, Pandeminium oder In letzter ZeitDie wahren Helden der Zeitgeschichte sind oft Medien, die sich mit einem kleinen Taschenmesser einen Weg durch den Dschungel der Meinungen schlagen. Dabei liegt die wahre Regierung über den kleinteiligen Zeitgeist meist als Impressum einer unscheinbaren Kleinzeitung auf.

Ludwig Roman Fleischer geht gegen das Zeitgeschehen literarisch mit zwei verschränkten Romanen vor. Der Buchtitel „Pandeminium“ ist eine wundersame Verquickung von Pandemie und Minimum, die Fragestellung lautet in etwa: Was passiert, wenn Weltthemen in einer mit Geist dünn besiedelten Provinz diskutiert werden?

Bettina Maria König, Alma oder Wie ich lernte, die Liebe zu verstehen

h.schoenauer - 30.07.2025

bettina maria könig, almaEine ironische Anspielung auf den Kubrick-Film „Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ (1964) liegt in der Luft, womit die Liebe etwas gefährlich Abschreckendes wäre wie die Atombombe im Kalten Krieg.

Bettina Maria König entschärft diese Vorstellung mit einer Hinwendung „an alle, die noch an die große Liebe glauben“. Und die Ich-Erzählerin Alma erzählt vor allem romantisch-skurrile Begebenheiten mit Männern, die ein wenig an dem magischen Monster Liebe zu kratzen wagen, es aber dann doch nicht schaffen, mit der Erzählerin eine zufriedenstellende Beziehung auf die Beine zu stellen.

Ein Roman über die Liebe ist dazu da, die Lesenden glücklich zu machen, nicht die Heldin. Und dieses Lese-Glück tritt ein
  a) als Liebesgeschichte,
  b) als ironische Selbstreflexion,
  c) als angewandte Weltliteratur vom Schlage einer Jane Austen (1775-1817).

Ulf Poschardt, Shitbürgertum

Andreas Markt-Huter - 25.07.2025

Ulf Poschardt, Shitbürgertum„Warum dieses Buch mit diesem Titel? Das kann man polemisch verstehen. Oder aber als eine notwendige Diskursverschiebung, um mit unverstellter Respektlosigkeit zu signalisieren, dass ein Teil des Bürgertums den Respekt, der ihm entgegengebracht wird, zur Unterminierung freiheitlicher Grundlagen des Westens genutzt hat.“ (S. 7)

Poschardts polemische Bezeichnung „Shitbürger“ verbindet die Assoziationen der Begriffe „Schildbürger“ und „Spießbürger“ und bezeichnet Teile des Bürgertums, denen es gelungen sei, die Diskursmacht in den westlichen Gesellschaften der Gegenwart zu erringen. Ziel des Buches ist es, diese Vorherrschaft zu zerschlagen.

Hans Augustin, Als ich mit Z zu Abend aß

h.schoenauer - 11.07.2025

hans augustin, als ich mit z zu abend aßEinem britischen Theaterregisseur geht vor der Premiere des „Sommernachtstraums“ in Wladiwostok die Hosennaht am Schritt auf, und er muss zu einem „Not-Schneider“. Dieser gibt ihm während der Reparatur ein Sakko, das den Träger unsichtbar macht. Es ist eigentlich für den Gouverneur bestimmt, aber der Theatermann darf es ausprobieren und sich dadurch allerhand Regieeinfälle am eigenen Leib erfüllen.

Hans Augustin wählt diese märchenhafte Rahmenhandlung, um darin eine Erzählung zu platzieren, in der ein frommer Wunsch europäischer Pazifisten ausformuliert ist: Auf Augenhöhe mit Putin zu kommunizieren und ihm den Ukraine-Krieg auszureden.

Oswald Egger - OUT NOW

h.schoenauer - 07.07.2025

Oswald Egger - OUT NOWWenn zwei lyrische Kerne als Projekte aufeinandertreffen, entsteht eine Art lyrische Kettenreaktion, die sich in einem plastischen Kunstwerk äußert. - Im Falle von OUT NOW lässt sich diese lyrische Plastizität als flugschrift N° 51 geradezu mit Händen und Augen greifen.

OUT NOW fußt auf zwei Genres, die einzigartig im Literaturbetrieb verankert sind. Einmal ist es die Kunst von „flugschrift“, mit der im Stile von Plakaten oder Anzeigen im öffentlichen Raum Lyrik als Aushang installiert wird. Zum anderen ist es Oswald Egger selbst, der zu einem Kunstwerk geworden ist, indem er im Dreieck Publikation, Sprachprofessur und permanenter Empfänger von Preisen den lyrischen Eigenkosmos öffentlich inszeniert.

Ilse Kilic / Fritz Widhalm, Manchmal ist es aufregend, zu aufregend sogar

h.schoenauer - 04.06.2025

Ilse Kilic / Fritz Widhalm, Manchmal ist es aufregend, zu aufregend sogarDer Verwicklungsroman ist kein bloßes Tagebuch, sondern eine „Lebenscollage“. ‒ Mittlerweile in vierzehn Bänden ausgeführt, lässt sich daraus ein einmaliges Kaleidoskop von Leben, Lesen, Schreiben und Lieben aufspannen.

Ilse Kilic und Fritz Widhalm haben sich vor Jahren mit Jana und Naz zwei literarische Komplementär-Identitäten zurechtgelegt, dadurch können sie in der sogenannten Wirklichkeit und der fiktionalen Ergänzungswelt gleichermaßen agieren. In entscheidenden Momenten treten sie dann auch als Quartett auf, was besonders bei Ereignissen rund um die Liebe aufwühlend wird, wenn die Personen und Figuren quer durch das Geheimnis von Liebe, Romantik, Lebensplan und Realismus pflügen.

Siljarosa Schletterer, entschämungen

h.schoenauer - 21.05.2025

Siljarosa Schletterer, entschämungenLyrik ist niemals eine Gebrauchsanweisung für etwas Bestimmtes, aber sie hilft, den Gebrauch der Wörter zu überdenken.

Siljarosa Schletterer überschreibt ihren Gedichtband mit „entschämungen“ und nennt diesen Vorgang eine Körperkantate. Damit sind die Gedichte in ihren Kernzonen aufgesucht, es geht um Körper, Resonanzkörper, Klangkörper und alle damit musikalisch zum Schwingen gebrachten Bedeutungen. Es geht aber auch um diverse Körperteile, die von Scham überklebt sind oder in einem völlig verunsicherten Bedeutungsfeld vor sich hinwirken.

Friedrich Hahn, Enden ohne Ende

h.schoenauer - 14.05.2025

Friedrich Hahn, Enden ohne EndeDie Komödie ist die adäquate Lebensform für das Alter. Wer bis in den Herbst des Lebens vorgedrungen ist, hat dies meist jener Kraft zu verdanken, die einen die Umtriebe des Alltags gelassen sehen lässt. Im Idealfall füttert der komödiantische Stoff die Selbstironie des Betrachters.

Friedrich Hahn fädelt das Leben seines Ich-Helden von hinten her auf. Sein Erzählstrang franst aus und es entstehen diverse Fasern, die in Enden ohne Ende münden.