Gerhard Jaschke, Allerweltsgedichte

Genau besehen haben Allerweltsgedichte eine doppelte Zugkraft, einmal ziehen sie mit großem Drang hinaus in alle Welt, andererseits sind sie von einer Alltäglichkeit, dass sie auch zu Hause bestens funktionieren.

Gerhard Jaschke hat für beide Zugrichtungen ein Programm, das lapidar am besten mit seinem Kurzgedicht überschrieben werden kann: „von wörgl aus / um die halbe welt“ (86). Die Weltstadt Wörgl, die üblicherweise als von Chris Lohner aus den ÖBB-Lautsprechern heraus gewürgte Haltestelle durch die Ohren Österreichs geistert, wird hier geadelt als ein Ort höchster Aufbruchsstimmung.

Die Allerweltsgedichte sind unterteilt in allerhand Fraktionen und Sektoren. Alltagsgedichte, Insidergedichte, Gelegenheitsgedichte, Verlegenheitsgedichte, Erinnerungsgedichte oder sonstige Gedichte lassen erahnen, bei welchen Gelegenheiten sie entstanden oder für welchen Zweck sie aufgespart sind.

Die Sektion intimes Gedicht wird eröffnet mit einem grandiosen Auszählreim.

mein liebes / kleines trallala /machs mir bitte / dadada. ja? (107)

Auch sonst entwickeln sich Kalauer oft zu hohem philosophischem Gedankengut und bringen einen ganzen Lebensplan in einem Zweizeiler für Zweibeiner zum Schwingen:

frisches elend / wird / durch / die stadt / gekarrt. eltern sind / wie stets / in ihre brut / vernarrt (17)

Manchmal mutiert die Lyrik zu einem Ratgeber:

ins fettnäpchen / treten? mit bettnässern / beten! (43)

Dann wiederum geriert sie sich als Weisheit germanistischer Provenienz.

So ein Stuß / hat Hand / und Fuß (122)

Im Land der Frühpensionisten darf auch in kindliches Pensionsgedicht nicht fehlen:

invald / der knab / verschied (143)

Die meisten Gedichte sind natürlich getragen vom mündlichen Augenblick, wenn sich ein triviales Gespräch zu einem lyrischen Höhepunkt verknotet, eine raunzige Nebellage über der Stadt plötzlich einen hellen Satz gegen Himmel schießt oder ein intimes Unterfangen unter der Tuchent zwischendurch die hormonelle Ernsthaftigkeit einstellt und in purem Gelächter aus jeglicher Tarnung heraus prustet.

In der sogenannten Wirklichkeit sei es nicht immer zu Haus, beklagt sich das lyrische Ich einmal und macht sich noch im selben Gedicht aus sich selbst hinaus zu einem lyrischen Fleck. Wie echte Spaziergänge hat dieses Ich keine anderes Ziel als hinaus, und sei es nur in Richtung Schwedenplatz, wo immer der an diesem Tag auf liegen mag.

Gerhard Jaschkes Gedichte sind verspielte Recherchen, wie man einer suchenden Seele auf die Sprünge helfen kann, ohne dass sie im nächsten Sinn-Loch verschwindet. Denn bei aller sorgfältigen Suche ist klar, wir lyrischen Menschen sind in unserem humorvollen Treiben immer umgeben von Fallen und missmutigen Kompagnons. -Allerweltsgedichte mit Allradantrieb, könnte man kalauernd sagen.

Gerhard Jaschke, Allerweltsgedichte. Lyrik der Gegenwart 35.
St. Wolfgang: Edition Art Science 2013. 159 Seiten. EUR 11,00, ISBN 978-3-902864-26-0.

 

Weiterführende Links:
Edition Art Science: Gerhard Jaschke, Allerweltsgedichte
Wikipedia: Gerhard Jaschke

 

Helmuth Schönauer, 29-10-2013

Bibliographie

AutorIn

Gerhard Jaschke

Buchtitel

Allerweltsgedichte

Erscheinungsort

St. Wolfgang

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Edition Art Science

Reihe

Lyrik der Gegenwart 35

Seitenzahl

159

Preis in EUR

11,00

ISBN

978-3-902864-26-0

Kurzbiographie AutorIn

Gerhard Jaschke, geb. 1949 in Wien, lebt in Wien und Niederösterreich.