Manfred Wieninger, Das Dunkle und das Kalte

h.schoenauer - 28.11.2011

Buch-Cover

Die Düsternis eines Krimis ist die beste Aufklärung für die reale Düsternis.

Manfred Wieninger hat mit Marek Miert den wahrscheinlich schmuddeligsten, fast-foodigsten und dennoch für das Abseitige empfindsamsten Privatdetektiv Österreichs auf die literarische Bühne gestellt. Wer so eine Figur zu dirigieren vermag, dem traut man auch in der sogenannten echten Provinz-Welt zu, dass er dunkle Schätze aus dem Glibber der Geschichte hebt.

Die Reportagen aus den Tiefen Niederösterreichs schildern diverse historische Begebenheiten und Sachlagen, die bislang im Schatten der Beobachtung gelegen sind. So wird der Stürmer-Star der ersten Republik, der St. Pöltner Bimbo Binder, bei seinen Trainingsfahrten nach Wien begleitet. Allein schon seine Rekrutierung von einem verworrenen Platz in St. Pölten weg hin zu einem Welt-Star trägt die Züge eines Krimis. Markenname, Integration in den Nazi-Fußball, Ausklang beim FC Kufstein sind Stationen eines Helden, der an sich schon ein Stück Österreichische Geschichte ist.

Das erste Auftauchen von Gastarbeitern in Niederösterreich und das Verschwinden der Jenischen in diesem großen Bundesland sind weitere Stationen einer Recherche "am Rand der Mitte".

Mitten im Zentrum befinden sich oft seltsame Hinweise auf die verdrängte Vergangenheit. So spukt der katastrophalste Feldherr der Monarchie, ein gewisser Conrad von Hötzendorf, immer noch als Namensgeber für Plätze durch die Zeiten, obwohl er mehr Tote auf dem Gewissen hat, als die Republik heute Bewohner hat. Und auch die Nazis tummeln sich immer noch frech auf Straßenschildern herum, als wäre alles aufgearbeitet und im rechten Lot.

Im Dschungel der Donau-Auen sind noch Überreste eines Lagers aus der Kriegs- und Nachkriegszeit. Hier schaut der Autor im Totenbuch nach und findet oft einen Begriff, der ein ganzes Schicksal erklärt. Eine Kriegsgefangene Kindergärtnerin aus der Ukraine stirbt nach der Befreiung an einem Bauchschuss. Nur dieses Wort bleibt von ihr und rettet sie vom Vergessen.

Recht provinziell geht es zu, wenn Dichter Niederösterreichs an ihren Nachlässen gemessen werden, die allesamt in Wien liegen. Beispielsweise sind Drach, Auden, Saiko durchaus niederösterreichische Dichter, aber sie werden selten dem Land zugeordnet, in dem sie gewohnt haben.

Eine Durchstreifung der Shopping-City-Süd, bei der der Autor durchaus seine Antipathie zu diesem biederen Konsumtempel aus sich herauslässt, schließt jenen Rundgang durch Niederösterreich ab, bei dem das Unbekannte, Grausame, Verschollene und durchaus Triviale ans Tageslicht gehoben werden.

Die Reportagen sind von einer Eindringlichkeit, dass man immer auf den Auftritt von Marek Miert wartet, damit er die Lage entschärfen oder wenigstens einen dünnen Plot in den Szenarien entdecken könnte. So bleibt der Leser ungefiltert dem ausgesetzt, was Manfred Wieniger zu Recht das Dunkle und das Kalte nennt.

Manfred Wieninger, Das Dunkle und das Kalte. Reportagen aus den Tiefen Niederösterreichs
Wien: Edition Mokka 2011, 151 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-902693-30-3

 

Helmuth Schönauer, 28-11-2011

Bibliographie
Autor/Autorin:
Manfred Wieninger
Buchtitel:
Das Dunkle und das Kalte. Reportagen aus den Tiefen Niederösterreichs
Erscheinungsort:
Wien
Erscheinungsjahr:
2011
Verlag:
Edition Mokka
Seitenzahl:
151
Preis in EUR:
18,50
ISBN:
978-3-902693-30-3
Kurzbiographie Autor/Autorin:
Manfred Wieninger, geb. 1963 in St. Pölten, lebt wieder in St. Pölten.
Themenbereiche: