Robert Menasse, Die Zerstörung der Welt als Wille und Vorstellung

Bild: Robert Menasse, Die Zerstörung der Welt als Wille und VorstellungIn der Österreichischen Essaykunst gilt die Faustregel, dass etwas erst dann Gegenstand der intellektuellen Auseinandersetzung werden kann, wenn bereits Robert Menasse sich dazu geäußert hat. Wenn ein solches Kaliber nun bei den Frankfurter Poetikvorlesungen auftritt, darf man gespannt sein, was alles Thema sein darf.

Robert Menasse macht alles zum Thema: die Welt, ihre Darstellung und die Zerstörung in Wort und Tat. Dabei wählt er umso größere Töne, je kleiner sein Gedanke ist und umgekehrt, wirklich große Gedanken kommen dann schlicht und verständlich daher. Das hängt sicher mit dem Druck zusammen, den sich Poeten bei ihren Vorlesungen machen, niemand getraut sich einen normalen Gedanken zu fassen, weil es ja um Poesie geht.

So leitet auch Robert Menasse seine fünf Auftritte jeweils höchst spektakulär ein, einmal warnt er davor, Dichter einzuladen, dann sagt er, er sei einer der wenigen, die Kassandra persönlich kennen gelernt hätten, und im Schlusskapitel gibt er sich gar als echten Gott aus, was niemanden verwundert, wird er doch im Essay bereits dafür gehalten.

Hinter diesen maßlos manierierten Einstiegen, die offensichtlich das Poetische darstellen, gibt es dann doch saftige Kritik zur Globalisierung, zu Krieg und Frieden und zum politischen Artefakt in Gestalt der EU. Beeindruckend klar ist etwa die Erkenntnis, dass es unsinnig ist, wählen zu gehen, weil es nichts mehr zu wählen gibt. Die Beamten in Brüssel nämlich lassen sich nicht wählen, sondern vermehren sich und ihr abgehobenes Gedankengut aus sich selbst.

Der Literatur bleibt irgendwo die ziemlich heroische Aufgabe, sich zu engagieren. Nicht mehr einzelne Genies, schreiben am „bürgerlichen Rückentwicklungsroman“, sondern dieser schreibt sich irgendwie selbst.

Selten klar stellt Robert Menasse Karl Marx Irrtum vor, wonach jene Klasse, die aufbegehrt, niemals die Macht übernehmen könnte. Also die Sklaven machen einen Aufstand, aber die Macht übernehmen andere, die Bauern erheben sich, andere werden Herrscher, die Arbeiter machen Revolution, aber die Nomenklatur kriegt die Macht. Da liegt der Trugschluss von Marx, dass die Arbeiter die Macht hätten.

Wenn man das weiterdenkt, irrt auch Robert Menasse ganz ordentlich. Die Literatur erhebt sich, und die Menasses kriegen die Macht. Dem ist aber gottseidank nicht so.
Wenn man sich das Gebrause der rhetorischen Orgel ein wenig zurückdreht, sind diese Gedanken recht überlegenswert. Die fünf Vorlesungen lauten übrigens:

  • Die Welt woran ich schreibe
  • Die unbeschriebene Welt
  • Glaube Terror – Friede?
  • Plädoyer für die Gewalt
  • Die Rettung des Menschen durch die Zerstörung der Welt

Robert Menasse, Die Zerstörung der Welt als Wille und Vorstellung. Frankfurter Poetikvorlesungen
Frankfurt/M: Suhrkamp Verlag 2006, (= es 2461).142 Seiten, 8,00 €, ISBN 3-518-12464-1

 

Weiterführende Links:

Suhrkamp-Verlag: Robert Menasse, Die Zerstörung der Welt als Wille und Vorstellung
Wikipedia: Robert Menasse

 

Helmuth Schönauer, 29-11-2006

 

Bibliographie

AutorIn

Robert Menasse

Buchtitel

Die Zerstörung der Welt als Wille und Vorstellung. Frankfurter Poetikvorlesungen.

Erscheinungsort

Frankfurt a. Main

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Suhrkamp Verlag

Reihe

es 2416

Seitenzahl

142

Preis in EUR

8,30

ISBN

978-3-518-12464-2

Kurzbiographie AutorIn

Robert Menasse, geb. 1954 in Wien, lebt in Wien und Amsterdam.