Robert Sedlaczek / Christoph Winder, Das unanständige Lexikon

h.schoenauer - 09.04.2015

Wenn es Richtung Tabu geht, benimmt sich die Sprache wie ein aufgeregtes Kind. Nirgendwo ist sie so neugierig, witzig und erfinderisch wie in Szenen, wo es darum geht, spritzige Fügungen über Ausscheidungen, verhüllte Organe und Geschlechtsverkehre zu kreieren.

Die beiden „Sprachjournalisten“ Robert Sedlaczek (Wiener Zeitung) und Christoph Winder (Der Standard) haben ständig mit unanständigen, verpönten oder ungustiösen Dingen zu tun, weil die Gesellschaft an manchen Tagen nichts anderes im Sinn hat, als Dinge zu verstecken und lustvoll unter der Tuchent zu betreiben.

Das unanständige Lexikon befriedigt einmal die Lüste von Sprachanwendern, die zwischendurch die Sache genau treffen müssen, ohne sie beim Wort zu nehmen. Damit sind Essayisten, Komiker oder Politiker gemeint, die im Alltagsgeschäft immer wieder mit kreativen Auslegungen tabuisierter Angelegenheiten zu tun haben.

Im zweiten Streich dient das Lexikon als unanständiges Lesebuch, denn in den einzelnen Einträgen werden oft Gedichte, skurrile Fügungen oder Highlights von Missverständnissen präsentiert.

„Der Schas ist der beste Komiker“, heißt es generell über diese Wörter, die allein als Eintrag über das Arschloch dem Kompendium fünf Seiten abringen.

In der dritten Anwendung dienen die unanständigen Wörter der regionalen Identität, wie es eben einen DOC-Wein und einen DOC-Käse gibt, gibt es auch den regional genau beschriebenen DOC-Koitus mit all seinen Fehlversuchen und interruptiven Anwendungen.

Der „Lercherlschas“ als Kleinigkeit sagt dabei eine Menge über das österreichische Wesen aus, denn gerade Nicht-Österreicher zerkugeln sich bei diesen Anwendungen, wie sich unsereins lachend über den friesischen Otto samt seinen sprachlichen Patzern hermacht.

Mastdarmakrobat, Nabelficker oder Tuttelsheriff für eine Publizistin sagen es nicht ganz durchgegendert genau, was der Volksmund über gewisse Einrichtungen denkt.

Die beiden Sprach-Lüstlinge schöpfen aus dem Vollen, neben Zitaten von Jelinek oder Qualtinger nehmen sie vor allem das Internet unter ihre mausenden Augen.

„Wer das liest, steht in meiner Pisse“, heißt es etwa auf einem Männerklo. Die unanständigen Fügungen funktionieren übrigens in beiden Richtungen, sie können schön vom Verkehr sprechen und dabei eine Sauerei meinen, umgekehrt heißt das geniale Wort „umpudern“ einfach, dass etwas neu organisiert werden muss.

Als Schriftsteller etwa muss man ständig seine Texte umpudern. - Das Schöne am Unanständigen ist, dass kein Ende her geht. Die beiden Autoren könnten auf Anhieb den nächsten Teil des Lexikons schreiben und ermuntern auch das Publikum, unanständige Stellen sofort und fröhlich zu melden.

Robert Sedlaczek / Christoph Winder, Das unanständige Lexikon. Tabuwörter der deutschen Sprache und ihre Herkunft.
Innsbruck: Haymon 2014. 279 Seiten. EUR 17,90. ISBN 978-3-7099-7136-9.

 

Weiterführender Link:
Haymon Verlag: Robert Sedlaczek / Christoph Winder, Das unanständige Lexikon

 

Helmuth Schönauer, 31-08-2014

Bibliographie
AutorIn:
Robert Sedlaczek / Christoph Winder
Buchtitel:
Das unanständige Lexikon. Tabuwörter der deutschen Sprache und ihre Herkunft
Erscheinungsort:
Innsbruck
Erscheinungsjahr:
2014
Verlag:
Haymon Verlag
Seitenzahl:
279
Preis in EUR:
17,90
ISBN:
978-3-7099-7136-9
Kurzbiographie AutorIn:
Robert Sedlaczek, geb. 1952 in Wien, lebt in Wien, schreibt für die Wiener Zeitung.<br />Christoph Winder, geb. 1955 in Bregenz, lebt in Wien, schreibt für den Standard.