Wolfgang Bleier, Fischfang bei aufgehender Sonne

Was sich wie eine cineastische Dokumentation aus einem romantischen Gewässer anhört, ist tatsächlich nur eine von Hunderten poetischen Begegnungen, die im schrägen Sekundentakt auf den Leser einprasseln. Wolfgang Bleier nennt seine Ode an den Alltagsablauf der etwas anderen Art sehr sinnlich „Fischfang bei aufgehender Sonne“.

Was im Titel noch nach einer den Sinnen zuordenbaren Situation entspricht, ufert von der ersten bis zur letzten Seite aus in ein Empfindungswerk der dynamischen Art. Beinahe wie im absurden Theater geht eine schizophrene Szene in die nächste über, steht im einen Satz das Gegenteil des anderen, reden Figuren hauptsächlich in sich hinein, und was als öffentliche Botschaft in den Raum gestellt wird, entpuppt sich immer wieder als hohle Plakatwand.

Das beobachtende Ich hält sich meist bedeckt unter dem Laub der anfallenden Ereignisse und zieht zwischendurch Aufklärungsrunden über dem Gelände.

Ich beobachte die Dämmerung und bin der Schreibvogel. (6)

Hungrige Vögel sitzen in der leeren Landschaft, ich schnipsle und schneide und klebe alle von Hand. Manche Wörter haben ein liebes Gesicht. (52) Obwohl die Sätze heftig ineinander gerammt sind, haben sie im ersten Aufprall nichts miteinander zu tun. Erst die Geduld des Lesers muss sie wie in einer Therapie entwirren und einem halbwegs gemächlichen Sinn zuführen.

In Kursivschrift tauchen in regelmäßigen Abständen Parolen, Befehle und physikalische Gesetzmäßigkeiten auf.

Gemma gemma, arbeiten gehen! /
tropfes Tier ich liebe dir
Die Fische lehren den Menschen, wie man fischt! (23)

Aber auch schlichte Beobachtungen, denen das schreibende Ich ausgesetzt ist, sind oft nicht von dieser Welt.

„Ich sehe aus dem Jenseits Entwichene.“ „Der Sonntag ist abgenagt, die Amsel verunglückt.“ „In der feuchten Hitze im tropischen Sommer kann ein Sonntag verfaulen.“ (117)

Gibt’s in dieser poetischen Ballade von der Zersplitterung der Welt in Einzelteile auch Erotik? – Indirekt ja.

Durch ein Loch in ihrem Kleid sah ich den Garten.(55)

Das ist Erotik pur.

Die Menschen haben sich offensichtlich an diese Zustände gewöhnt und reagieren zwischendurch geradezu logisch auf sie.

Als wir ein langes Auto hatten, kauften wir viele lange Dinge. (93)

Wolfgang Bleier lässt die Welt vor unseren Augen antanzen und man gewöhnt sich nahezu an diese ungewöhnlichen Darstellungen, mal kommt der betuliche Poet zum Vorschein, dann wieder der Gaukler oder das sprichwörtliche Kind, das die richtigen Fragen stellt. Letztlich ist diese Poesie ein Fischfang bei aufgehender Sonne, die Sätze glitzern im frischen Licht und man bringt sie den ganzen Tag über nicht so recht aus dem Wasser.  – „Ich betrachte den Geist des Fensters.“ (150)

Wolfgang Bleier, Fischfang bei aufgehender Sonne.
Wien: Klever 2015, 151 Seiten, 6,90 €, ISBN 978-3-902665-93-5

 

Weiterführende Links:
Klever Verlag: Wolfgang Bleier, Fischfang bei aufgehender Sonne
Wikipedia: Wolfgang Bleier

 

Helmuth Schönauer, 11-09-2015

Bibliographie

AutorIn

Wolfgang Bleier

Buchtitel

Fischfang bei aufgehender Sonne

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Klever Verlag

Seitenzahl

151

Preis in EUR

6,90

ISBN

ISBN 978-3-902665-93-5

Kurzbiographie AutorIn

Wolfgang Bleier, geb. 1965 in Dornbirn, lebt in Wien.

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