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Ein kluges Buch wendet sich an die Intelligenz des Lesers und bietet so nebenbei seine Freundschaft an. Wenn das Buch als abgerissener Konsumartikel mit der Brechstange der Werbesemantik auftritt, wird man als Leser vorsichtig.

Bernhard Aichner hat mit seiner „Totenfrau“ einen Durchbruch-Thriller geschrieben, entweder es gelingt ihm jetzt der internationale Durchbruch oder er lässt es in Zukunft bleiben, ist seine Botschaft. Daher geht es in diesem Thriller nicht um eine Geschichte oder eine fiktionale Überlegung sondern um die Anwendung von internationaler Promotion.

Wer glaubt, Tragödien mit elementarer Schicksalsherausforderung könnten nur in hohen Position oder sozialen Randlage auftreten werden, ist wohl in die Irre geführt. Die höchsten Anforderungen an das Leben stellen sich immer aus heiterem Himmel heraus bei Sonnenschein.

In Carsten Ottes Roman „Warum wir“ macht sich ein paar Seiten lang die Idylle breit, ehe es dann richtig losgeht. In einem zeitgemäßen Patchwork-Arrangement freuen sich der Ich-Erzähler Jan und seine Frau Nina auf das Kind, das soeben vom Schwangerschaftstest bestätigt worden ist. Er wird zum ersten Mal Vater und ist aus dem Häuschen vor Glück, sie hat bereits zwei Kinder und blickt eher routiniert in die Zukunft.

„Umfragen belegen, dass das Wissen über und das Interesse an Europa bei den Bürgern und Bürgerinnen vergleichsweise gering ist. Dieses Unwissen ist nicht nur bedauerlich, sondern gefährlich: Europa lebt von seinen Bürgern und Bürgerinnen.“ (9)

Um das Projekt Europa zu sichern, braucht es überzeugte Europäer, welche die Europäische Union um ihrer Bedeutung für Freiheit und Frieden, Demokratie und Menschenrechte sowie Gleichheit und Solidarität unterstützen und bejahen. Diese Europäer müssen jedoch erst gebildet werden und zwar dort, wo Bildung auf das Leben in der Gesellschaft vorbereitet, in der Schule.

Das Ungeheure lässt sich nur erzählen, wenn Erzähler und Leser mit ihrem jeweiligen Wissensschatz an das Thema herangehen.

Ludwig Laher kümmert sich in seinem Roman „Bitter“ um eine hohe österreichische SS-Figur, an deren Beispiel sich der öffentliche Umgang mit der Historie herausarbeiten lässt. Gleich zu Beginn stellt Ludwig Laher das Konzept vor. Die Figur Bitter ist ein literarisches Statement, das mit den Mitteln der Fiktion, der Verkürzung und extremen Ausleuchtung arbeitet.

Bei jeder Mauer gibt es die interessante Frage: Wo ist vorne und wo hinten und woraus besteht sie?

Bei Alissa Ganijewa besteht die Mauer vor allem aus Gerüchten und zieht sich folgerichtig durch die Köpfe der Protagonisten. Der Roman „Die russische Mauer“ beschreibt das Leben in Dagestan, das aus einer mythologischen Erfolgsgeschichte und einem gegenwärtigen Desaster besteht.

In der Geschichtsschreibung gibt es zwar Modelle für Kriegserklärungen, Schlachten und Friedensverträge, aber kaum eine Erzählform kümmert sich um die Auswirkungen dieser großen Veranstaltungen auf das Individuum.

Ruth Aspöck wählt eine besondere Form der Familienaufstellung, um den Übergang des Krieges in eine sogenannte normale Weltordnung zu dokumentieren. Dabei teilt sie die Rollen in straff eingegrenzte Ideal-Typen auf, die Figuren sind freiwillig Gefangene von Ideen und versuchen durch Klarheit mit diesen Rollen zurechtzukommen.

Bücher über das österreichische Schul- und Bildungswesen haben meist eine Kreissäge eingebaut, mit der sie in schrillen Tönen das Sujet zerschneiden und keinen Stein auf dem anderen lassen.

Umso bemerkenswerter ist der Zugang Ronald Zechas, der durchaus in die Zukunft blickt aber dabei nicht den Stab über die Gegenwart bricht. Es könnte doch sein, dass an unserem Bildungssystem etwas Gutes ist, meint er fast schon rebellisch sanft.

Für besonders abartige Realitätsvorfälle haben unsere Sinnesorgane Abwehrmechanismen entwickelt, damit wir möglichst unversehrt bleiben. In der Literatur gibt es freilich Arrangements von Geschichten, die an diese Grenze heran gehen, wo der gesunde Menschenverstand sagt, „das will ich nicht wissen“, und die Neugierde uns dazu treibt, die Geschichte bis zur letzten Zeile auszuschlürfen.

Silvia Flür-Vonstadl greift in ihrem Mystery-Band etwas abseits der Realität neun Konstellationen auf, wo die Sinnesorgane versagen und die Logik der Wahrnehmung einen eigenartigen Drall bekommt.

Das ist in der Literatur ganz selten, dass eine Tirol-Ikone vom Cover glänzt und der ganzen Welt zeigt, wie ein echter Tiroler drein schaut.

Tobias Moretti gelingt dieses Kunststück, indem er vom cineastisch aufpolierten Roman „Das finstere Tal“ von Thomas Willmann funkelt. Das Genre „Alpen-Western“ erfährt dieser Tage jedenfalls in Film und Roman einen Höhepunkt.

Am witzigsten wird die Literatur immer dann, wenn die Realität so kompakt ins Unwahrscheinliche verdichtet wird, dass man sie nur mehr mit Schmunzeln und Gelächter aushalten kann. Der von der Germanistik so geliebte Realismus kippt ins Sagenhafte, wenn sich auf jeder Seite eine neue Ungehörigkeit auftut.

Judith W. Taschler dreht in ihren vier Erzählungen heftig am Story-Rad, in immer schnelleren Episoden rasen dabei die Geschichte einem durchgeknallten Ende zu.