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christina grataloup, die geschichte der welt - ein atlas„Die Grundidee dieses – auch international erfolgreichen Weltatlas ist es nicht, so viele historische Details wie möglich in eine Karte zu packen, sondern die großen Linien der Globalgeschichte von den Anfängen der Menschheit bis heute mit Hilfe von Karten zu veranschaulichen.“ (Umschlag)

Geschichtskarten stehen vor der großen Herausforderung, einzelne Regionen zu bestimmten Zeiträume präzise einzufangen und detailliert festzuhalten. Dabei erlaubt eine Karte kein vielleicht oder ungefähr, sondern nur die Genauigkeit einer Linie und festen Form. Der Zwang historische Annahmen, Entfernungen, Maßstäbe u.a. eindeutig festzuhalten, setzt ein besonders vielfältiges Expertenwissen und den kreativen Mut für Entscheidungen voraus.

doron_rabinovici, die einstellungIn sogenannten liturgischen Romanen geht es darum, einen bewährten Plot aufs Neue zu erzählen, um die Anhänger dieser Plot-Konstellation darin zu bestärken, dass sie zu den Guten gehören und richtig liegen.

Doron Rabinovici erzählt eigentlich den gesamten Roman durch den bloßen Titel – „Die Einstellung“. In der Doppeldeutigkeit des Begriffes wird klar, dass für einen Fotografen nicht nur die Einstellung an der Kamera entscheidend ist, sondern auch seine persönliche, die mit einer politischen Einstellung einhergehen muss.

friedrich hahn, liebe störtDie besten Erzähler sind jene, die am Sterbebett liegen. Sie brauchen niemanden mehr zu beeindrucken und nichts mehr zu schönen. Sie können das Leben abrechnen, auch wenn sie es oft falsch boniert haben.

Friedrich Hahn erzählt aus einer verrückt-frechen Position heraus. Sein Ich-Erzähler ist gerade gestorben und räsoniert „zum Ausgeistern“ über sein Leben und wie das so ist, bis der Leichnam endgültig entsorgt ist. Sein letzter Satz heißt „Liebe stört“ und ist offensichtlich wohl vorbereitet, wie alle diese berühmten Sätze von „mehr Licht“ bis hin zu „mehr nicht“.

christian futscher, statt einer mütze trug ich eine wolkeJeder Roman lebt davon, dass er mit den Wörtern mehrdeutig umgeht. Schließlich geht es bei jedem Begriff um eine vage Gedankenbewegung. Wenn beispielsweise etwas am Kopf sein soll, ist es vorerst egal, ob es sich um eine Mütze handelt oder um eine Wolke.

Christian Futscher entwickelt aus diesem Mehrdeutigkeitskult heraus eine eigene Erzählform. Der Ich-Erzähler tritt in die Plot-Stapfens eines Schelms und spuckt eine Pointe nach der anderen aus. Wie bei einem Miststreuer werden die Dungteile gleichmäßig verteilt und spornen die Phantasie zu größtem Wachstum an.

antonio fian, wurstfragen„Griassinnen!“ - Im Wiener Kaffeehaus wird schon seit Jahrhunderten gegendert, wenn eine Bestellung aufgenommen und die sitzende Hofratschaft begrüßt werden muss.

Antonio Fians „Wurstfragen“ handeln von diesen kleinen Verunreinigungen, die im Gebrauch der Alltagssprache auftreten, wenn man nicht genau hinhört oder eine Fügung ohne zu denken verwendet. Die Wurstfragen sind vor allem solche, die Wurst im Sinne von egal sind, also letztlich niemand interessieren. Andererseits tastet sich an diesem Haupt-Hauptwort „Wurst“ die gesamte Kultur entlang, gibt es doch von der Polnischen bis zur Wiener allerhand Wurstformen, die erst dann ihre Reife entwickeln, wenn niemand weiß, was drin ist. Und von jener Wurst, die allenthalben hinten herauskommt, braucht man als Kulturphilosoph gar nicht zu reden, sie liegt nämlich vom Hund gemacht auf diversen Gehsteigen oder plagt die Kundschaft auf dem Weg zur Apotheke.

harald darer, mongoDort hineinstierln, wo Statistiken und offizielle Curricula nicht hinkommen, das ist unter anderem die Aufgabe eines zeitgenössisch-aufgeweckten Romans.

Harald Darer nimmt sich mit seinem Roman „Mongo“ des Schicksals eines pfiffigen Helden an, der medizinisch gesehen mit dem Down-Syndrom geboren worden ist, aber nach allen Regeln der Kunst ein abgerundetes, vielleicht sogar glückliches Leben führt.Nach dem Motto, dass die schwersten Probleme in der kleinsten Familie gelöst werden, treten Katja und ihr Mann, der Ich-Erzähler Harry, eine ungewisse Schwangerschaft an. Das anstehende Kind könnte etwas mit Trisomie 21 haben, vermutet die werdende Mutter, weil ihr Bruder damit auf die Welt gekommen und es vielleicht vererbbar ist.

christian schacherreiter, das liebesleben der stachelschweineAuf der Suche nach seiner Identität wird Österreich schon mal mit einem Schloss verglichen, das Jahrhunderte überdauert hat (Tumler, Schloss in Österreich), oder mit einem von der Roten Armee in den Verfall getriebenen Marchfeld-Gütchen (Fritsch, Moos auf den Steinen). In einer gegenwartsbezogenen Deutung bietet sich an, es mit Österreich als Biomüllanlage zu versuchen.

Christian Schacherreiter zeigt diese Österreichische Seele am Beispiel einer ausgeisternden echten „Nazifamilie“ und eines toten Seitenstumpfs der Sozialdemokratie. Beide Ideologien sind als Familiensaga miteinander verknüpft, wie ein Blick in den Vorspann zeigt, wo im Stile von Doderers Merowingern die Stammbäume ohne Kastrationen ausgerollt sind.

willi giuliani, ein innsbrucker westernJe globalisierter im Netz die Literatur auftritt, man spricht ja von Weltliteratur, umso punktgenauer muss sich darin die Lokalliteratur bewähren. Ein aufregendes „Lokalprogramm“ liefert dabei die Innsbrucker Verlagsbuchhandlung Wagner’sche, die als eine der ältesten der Welt schon alle möglichen Literaturformen erlebt hat. In der Serie „Erinnerungen an Innsbruck“ sind mittlerweile gut zwanzig Bände über Stadtteile, Berufe und besondere Schicksale erschienen. Umgerechnet auf die Bewohner des jeweiligen Themas erreicht diese Serie grandiose Vertriebszahlen.

Willi Giuliani beackert für das Regal „Erinnerungen an Innsbruck“ den Stadtteil Höttinger Au, der bis in die 1940er Jahre Sumpf, Brache und aufgelassene kaiserliche Jagd gewesen ist. Der Stadtteil wird ähnlich entwickelt wie der sogenannte Wilde Westen, zumindest was Tiere und Pflanzen betrifft, wird dabei ähnlich brutal vorgegangen wie beim Feldzug amerikanischer Siedler in Richtung El Dorado. Auf das Gold umgerechnet wäre im konkreten Fall das verheißene Paradies der Innsbrucker Flughafen, auf dem ja auch tatsächlich so manches touristische Nugget geschürft wird.

heinz pachernegg, auf reisenDer Tourismus ist an die Erfindung der Fotografie gekoppelt. Wo es nämlich nichts zu fotografieren gibt, hat es auch keinen Sinn, hinzufahren. Umgekehrt muss ein Fotograf ständig mit touristischer Geste unterwegs sein, will er seinen Pixelspeicher am Jahresende voll haben.

Heinz A. Pachernegg ist als Berufsfotograf und Fotoessayist viel „auf Reisen“ und kommt daher dem berühmten Beatnik-Motto „on the road“ sehr nahe, wonach Menschen, Wörter und Bilder ständig zu sich selbst unterwegs sind. Das Zusammenschmelzen dieser drei Bewegungskörper geschieht in der Pareidolie, wie Andrea Wolfmayr in ihrem Einleitungsessay bemerkt. Pareidolie bezeichnet das Phänomen, in Dingen und Mustern vermeintliche Gesichter und vertraute Wesen oder Gegenstände zu erkennen.

franz reisecker, musik und andere geräuscheMehr als Elternhaus oder Schule ist es oft die Popmusik, die als Erziehungsmeisterin das Ruder beim Heranreifen der jeweiligen Jugend übernimmt. Der sogenannte Erziehungsroman des bürgerlichen Realismus ist also zumindest im Österreich des späten 20sten Jahrhunderts dem Pop-Roman gewichen.

Franz Reisecker erzählt die Geschichte des Walter Gump, der vom flachen Land aus immer weiter in das Epizentrum des Zeitgeists vorrückt und Band-Musiker wird, ehe er sich dann abgeklärt in das Schicksal der Unauffälligkeit begibt.