Bernhard Strobel, Ein dünner Faden

Erzählungen verhalten sich oft wie ein feines Netzwerk, die einzelnen Stationen sind lose und mit hauchdünnen Kontakten unter einander verbunden. Und auch die diversen Figuren hängen zwar angeschlagen in den Seilen ihres eigenen Schicksals, halten aber ab und zu noch Ausschau, wie es den Partnern so geht.

Bernhard Strobel hat um die namensgebende Zentral-Erzählung „Ein dünner Faden“ neun Erzählungen ausgelegt. Seine Thujen-Episoden sind meist in einem Einfamilienhaus angesiedelt, wo sich die Protagonisten abgeschottet von der Umwelt im vorderen oder hinteren Gartenteil oder gar im Haus aufhalten. Meist sind es ausgelaugte Paare, die sich argwöhnisch beobachten, möglichst aus dem Weg gehen, um dann bei erster Gelegenheit einen Streit um nichts anzufangen.

Routiniert wie der Lebensablauf der Helden laufen auch die kleinen Irritationen ab, die bald schon in der Ordnung untergehen, sobald sie als Unordnung entdeckt sind. Der Held sieht, dass seine Frau ihre Freundin eingeladen hat und wird eifersüchtig und verstört wie ein Kind. Zuerst flüchtet er, dann kommt er mit Gepolter zurück und verscheucht die Freundin, weil er selbst die ganze Frau braucht. Ein anderer Held findet im Gasthaus seinen angesoffenen Vater und nimmt ihn gleich mit nach Hause, um die Frauen zu ärgern, die gerade Fleischtomaten beobachten.

Manchmal ist der Hausherr auch alleine unterwegs, um etwa den sterbenskranken Freund zu besuchen, als er heimkommt, fühlt er sich nicht richtig geliebt, weil alle in ihrem bisherigen Tagwerk fortfahren. Er flüchtet folgerichtig zur Schwiegermutter, die aber vorsichtshalber neben dem Jammernden einschläft.

So ein Haus mit Garten ist letztlich die pure Einöde. Einmal in der Nacht gibt es Romantik, als plötzlich im Garten der Nachbarin, die soeben gestorben ist, eine unsichtbar schöne Frau im Dunkeln sitzt und quatschen will. „Kann man hier glücklich werden?“ fragt sie, immerhin ist hier gerade jemand gestorben.

Obwohl es immer ein anderes Gebäude mit einem neuen Helden ist, der an die Grenze der Eigengeduld geschickt wird, sind die Erzählungen untereinander verwoben. In einer Siedlung gleicht zwar ein Haus dem anderen, trotzdem hätten es die Insassen in der Hand, etwas Selbständiges zu entwickeln. Aber kaum geht so ein Siedlungspaar auf Kur, säuft sich auch in der Fremde der eifersüchtige Mann gleich wieder an und muss letzten Endes vom Kellner ins Hotelzimmer getragen werden.

Die Erzählungen schalten sich meist selbst aus, indem am Schluss jemand das Ganze für erlogen, geträumt oder für einen Download unter Drogen hält. - Wundersame Sozialstudien über die Bedürftigkeit in gepflegten Siedlungen.

Bernhard Strobel, Ein dünner Faden. Erzählungen.
Graz: Literaturverlag Droschl 2015, 151 Seiten, 19,00 €, ISBN 978-3-85420-960-7

 

Weiterführender Link:
Literaturverlag Droschl: Bernhard Strobel, Ein dünner Faden

 

Helmuth Schönauer, 04-06-2015

Bibliographie

AutorIn

Bernhard Strobel

Buchtitel

Ein dünner Faden. Erzählungen

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Literaturverlag Droschl

Seitenzahl

151

Preis in EUR

19,00

ISBN

978-3-85420-960-7

Kurzbiographie AutorIn

Bernhard Strobel, geb. 1982 in Wien, lebt Neusiedl am See.