Christian Mähr, Tod auf der Tageskarte

Wenn das Leben mehr oder weniger gelaufen ist, setzt man sich gerne in ein Lokal und bestellt etwas Ausgefallenes. In der Abenteuer-Literatur gibt es für diese Entspannung eine eigene Speisekarte, auf der durchaus der Tod am Programm steht.

Christian Mähr führt in seinem Roman „Tod auf der Tageskarte“ die internationale Agenten- und Gangsterwelt mit den lokalen Rentnern Dornbirns zusammen. Rund um den Wirt der „Blauen Traube“ versammeln sich regelmäßig abgestandene Typen, die das Leben abgeworfen hat und die als geheime Lebensmeister nun den Alltag zelebrieren.

Als der Wirt Spielberger eines Tages einen Echt-Traum hat, bei dem er die Entsorgung einer Leiche träumt, begleiten ihn am nächsten Tag ein pensionierter Chemiker, ein schräger Holzschnitzer und ein stimm-kastrierter Bariton in die Schlucht, wo der Traum stattgefunden hat. Bei der Begehung des Traum-Tatortes kommt ihnen einer der Täter entgegen, was beweist, dass der Traum echt ist.

Diese Vorstellung, dass sich die Zukunft wissenschaftlich gesichert erträumen lässt, bringt die Stammtischtruppe natürlich an den Rand des Verstandes, zumal es um Grundeigenschaften der Existenz wie Raum und Zeit und Sinn geht.

Während die Stammtischrunde auf lokaler Ebene den Weltgeist der Physik einfängt, agieren auf internationaler Ebene Agenten und Terrorbanden, deren Österreich-Ableger zwischendurch in Dornbirn zur Aktion schreiten.

Bald gibt es die ersten Toten, die meist spielerisch entstehen. Entweder ergibt sich eine günstige Gelegenheit, jemandem die Eier wegzuschießen oder einen Lochbeitel in die Seite zu rammen, oder aber es gibt eine große Inszenierung, wenn die Umzubringenden mitten im Winter in das Wasserrad eines Sägewerks gesperrt werden.

Für groß vernetzte Verbrechen braucht es jedenfalls Einheimische mit bester Ortskenntnis, denn der Weltgeist lässt sich immer an den Enden der Geographie nieder, wenn er sich häutet.

In die trivialen Motive wie Erpressung, Spielschulden und Protz-Erbe sind höchst wissenschaftliche Vorgänge eingeflochten wie Traumtheorie, Astronomie und Atomphysik. Schließlich geht es dann doch noch um spaltbares Material, das für Erpressungen genutzt wird.

Erzählt wird das ganze Abenteuer im Gegenschnitt, einmal agieren die Pensionisten, dann wieder die Gangster. Das verbindende Finale findet in einem entlegenen Tal statt.

Wie bei Christian Mähr üblich wimmelt es nur so von Nebenher-Geschichten. Wenn jemand ein Fernrohr auspackt, erfahren wir so nebenher das Wichtigste über die Galaxien, wenn jemand schräg einparkt, kriegen wir gleich den Codex der Vorarlberger Straßenbenützung mitgeliefert, und ununterbrochen gibt es Lebensweisheiten der verkniffenen Art. So empfiehlt ein Kleingangster dem Kollegen, er solle halt jenes Verbrechen machen, das er am besten kann, und der Chemiker ist sich sicher:

Normale Ideen funktionieren in verzweifelten Situationen nicht. (108)

Die Akteure empfinden sich als „Teilnehmer eines Abenteuers“, sie sind stark überfordert, aber ihr Eigensinn bringt sie auch durch die größten Gefahren. Ein verschmitzter Roman über die skurrilen Überlebensfähigkeiten scheinbar normaler Menschen!

Christian Mähr, Tod auf der Tageskarte. Roman.
Wien: Zsolnay 2014. 384 Seiten. EUR 18,40. ISBN 978-3-552-06241-2.

 

Weiterführende Links:
Zsolnay und Deuticke: Christian Mähr, Tod auf der Tageskarte
Wikipedia: Christian Mähr

 

Helmuth Schönauer, 11-02-2014

Bibliographie

AutorIn

Christian Mähr

Buchtitel

Tod auf der Tageskarte

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Zsolnay Verlag

Seitenzahl

384

Preis in EUR

18,40

ISBN

978-3-552-06241-2

Kurzbiographie AutorIn

Christian Mähr, geb. 1952 in Nofels, lebt in Dornbirn.