Daniel Wisser, Ein weißer Elefant

Romane aus der Arbeitswelt sind im Idealfall grotesk, um so das Ungerechte, Grausame und Sinnlose mit einem Restnutzen an Lust auszustatten.

Daniel Wisser wählt rund um den „weißen Elefanten“ die pure Groteske, um der verschrobenen Wirklichkeit auf die Spur zu kommen. Ein weißer Elefant ist ein Arbeitstier, das auf dem Papier steht oder in einem Arbeitsgebäude den Körper während der Dienstzeit abstellen muss.

Die berühmtesten weißen Elefanten gibt es in den siebziger Jahren beim ORF, wo nach jeder Reform ein ganzes Stockwerk weißhaariger Edelleute zu sitzen gekommen ist.

In Daniel Wissers Groteske aus der Arbeitswelt sitzen ein Ich-Erzähler und ein Kollege, der auch in Ichform erzählt, in einem Büro mit Aussicht auf eine Kreuzung. Wochenlang machen sie Notizen über das Abbiege-Verhalten an der Kreuzung. Wer fährt geradeaus, wer biegt wo ab, wie viele Verkehrsteilnehmer schaffen den Übertritt während einer Ampelphase? Einmal kommt es zu einem Polizeieinsatz und in der Folge zu einem Nuller, während einer ganzen Grünphase schafft es niemand, über die Kreuzung zu kommen.

Nebenher kommen die beiden ins Reden, der Kollege hat drei Kinder und dementsprechend viele Frauen, und die dürfen untereinander nichts wissen und schon gar nicht, dass er eigentlich outgesourced ist und in seinem Restrukturierungsbunker die Zeit absitzen muss.

Ich habe gestern noch weiter nichts getan, nämlich nach Feierabend.(25)

In die Langeweile stoßen manchmal kluge Lebensweisheiten vor: Das ganze Leben ist ein Wartesaal!

Ich habe in vier Monaten abgeschafft, was ich in elf Jahren aufgebaut habe! (124)

Ab und zu gibt es einen Arbeitseinsatz, etwa zufällig gefundene Akten zu vernichten. Die Ruhiggestellten sind so wild darauf, dass sie Akten in der halben Zeit vernichten, die dafür vorgesehen ist.

Dann wieder Ampel-Schauen, Fahrzeuge-Zählen, ab und zu vermutet der Kollege, dass er von Privatdetektiven beschattet sei, es kann eine seiner Frauen dahinter stecken oder aber die Firma. Oder der Kollege? - Der Kollege ist ebenfalls argwöhnisch.

In der Früh jedes Mal die Aufregung, wer kommt als erster, wer ist noch pünktlicher? Denn bei der Pünktlichkeit gibt es keinen Pardon, wer zu spät kommt, fliegt aus dem Nichts!

Irgendwann einmal kommt der Verdacht auf, dass dieser Einsatz als weißer Elefant zu Ende ist, vielleicht auch ein Gerücht. Die Frage ist, ob man die aufgezeichneten Ampelphasen mitnehmen soll, auch wenn sie nichts nützen. Aber welche Arbeit nützt schon.

Daniel Wissers Parabel-Roman von der Sinnhaftigkeit der Arbeit gehört als Aushang neben jedes Zeiterfassungsgerät gehängt!

Daniel Wisser, Ein weißer Elefant. Roman
Wien: Klever Verlag 2013, 171 Seiten, 19,90 €, ISBN 978-3-902665-68-3

 

Weiterführene Links:
Klever Verlag: Daniel Wisser, Ein weißer Elefant
Wikipedia: Daniel Wisser

 

Helmuth Schönauer, 23-08-2015

Bibliographie

AutorIn

Daniel Wisser

Buchtitel

Ein weißer Elefant

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Klever Verlag

Seitenzahl

171

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-902665-68-3

Kurzbiographie AutorIn

Daniel Wisser, geb. 1971 in Klagenfurt, lebt in Wien.