Egyd Gstättner, Ein Endsommernachtsalbtraum

Der Begriff Kriminalroman gilt in literarischen Kreisen oft als Bedrohung der literarischen Intelligenz. Wenn allerdings eine Story mehr als ein Kriminalroman ist, kann man sich auf allerhand Hyper-Fiktion gefasst machen.

Egyd Gstättner liefert mit seinem Endsommernachtsalbtraum ein Sittenbild eines verrückt gewordenen Bundeslandes ab, das sich in Ermangelung jeglichen Inhalts selbst als Hallodrien bezeichnet. In diesem Land genügt es „Hallo“ zu sagen, und man ist schon jemand.

Held dieses Wahnsinnsimperiums ist der Kommissar Johann Sichalich, der wie alle seine Kollegen auf die Frühpension spitzt und die Zeit bis dorthin mit Creative writing überbrückt. Fallweise schreibt er für die Monopolzeitung „Die Feine“, über Fernkurs freilich lässt er sich Fehler an seinem Krimi ausbessern, der ihm nur mühselig aus der Feder rinnt.

Dabei gäbe es genug echte Arbeit, denn Mörder und Ermordete tauchen im dreißig-Seiten-Rhythmus auf. Der ehemalige Tormann Bloch, der einst in Handkes Angst des Tormanns beim Elfmeter aus Versehen einen Elfer gehalten hat, hat nun wirklich seine Geliebte umgebracht. Ein Chinese, der beim Fotografieren des Schlosses nicht aufpasst, wird vom Regionalexpress der ÖBB geköpft, was vorerst Mordalarm auslöst. Der Direktor des Altersheims wird offensichtlich von einem Frustgänger ermordet.

Alle diese Fälle landen bei Sichalich, der sich unaufgeregt an die alte Bullen-Weisheit hält: „Einen Mörder fasst man entweder schnell oder gar nicht.“ (171)
Als der Jugendliebe Mechthild ein Kaninchen abgemurkst wird und ihr Mann verschwindet, schaltet sich Sichalich wieder ein, riskiert einen erotischen Stunt, der aber in voller Impotenz endet, was die Aussicht auf die Frühpension erhöht.

Immer wieder wird die sogenannte Handlung von Werbeeinschaltungen unterbrochen, während der Leser aufs Klo geschickt wird. Anstatt wie im Krimi üblich, den Protagonisten durch verschiedene Gegenden zu jagen, inserieren hier die dabei aufgesuchten Firmen, ohne dass sich der Held plagen müsste. Überhaupt ist Sichalich ein besonderer Kommissar:

Anders als alle Kommissare dieser Welt, kochte er nicht sondern aß. (84)

Irgendwann liegen eine Menge ungeklärter Fälle auf dem Schreibtisch des Krimi-schreibenden Kommissars und die Geschichten können vermutlich nur gelöst werden, wenn rechtzeitig ein Fortsetzungsband erscheint.

Egyd Gstättner kommt einem verrückt gewordenen Land mit einem verrückt gewordenen Genre bei. Dabei gibt es kaum Übertreibungen oder Überhöhungen, alles entwickelt sich logisch auf Hallodrischem Niveau. Jeder ist mit jedem verwandt, jede noch so kleine Postenbesetzung artet in Schmierage aus, jedes Zuprosten könnte eine neue Karriere bedeuten. Selten ist ein Stück Gesellschaft so schmatzend genau beschrieben worden wie Kärnten durch diesen wundersamen Schmierenkrimi.

Egyd Gstättner, Ein Endsommernachtsalbtraum. Mehr als ein Kriminalroman.
Wien: Picus 2012. 191 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-85452-684-1.

 

Weiterführende Links:
Picus-Verlag: Egyd Gstättner, Ein Endsommernachtsalbtraum
Homepage: Egyd Gstättner

 

Helmuth Schönauer, 12-09-2012

Bibliographie

AutorIn

Egyd Gstättner

Buchtitel

Ein Endsommernachtsalbtraum. Mehr als ein Kriminalroma

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Picus-Verlag

Seitenzahl

191

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-85452-684-1

Kurzbiographie AutorIn

Egyd Gstättner, geb. 1962 in Klagenfurt, lebt in Klagenfurt