Franz Xaver Kroetz, Blut und Bier

Was macht eigentlich ein Dichter, wenn er nicht gerade auf der Bestenliste herum klettert und Interviews gibt? - Er spukt Blut und trinkt Bier.

Franz Xaver Kroetz schenkt seinen alt und kaputt gewordenen Protagonisten nichts, in den fünfzehn plus zwei Geschichten taucht fast immer der erfolgreiche Star aus früheren Zeiten auf. Meist sind es nur große Sätze, die aus dieser Epoche geblieben sind, große Sätze vom Schreiben, wenn etwa der Satz schon im Kopf da ist, aber noch ein paar Bier braucht, dass er in die Tastatur fallen kann.

Andererseits ist auch der PC schuld, dass nichts mehr weiter geht. „Je schneller der PC geworden ist, umso weniger ist mir eingefallen.“ (18)

Störend ist bei einem Leben als Genie naturgemäß die Familie. In der Story vom „leeren Tag“  rackert sich eine Frau ab, versorgt die Kinder, kauft Bier, kocht und organisiert ein ruhiges Arbeitsklima, der Dichter freilich schläft seinen Rausch aus und rülpst über einen Scheiß-Tag, bei dem nicht einmal die Zeit vergeht. (50)

Aber der Dichter ist nicht nur selbst ein negativer Held, in der Sauna oder bei einem flotten Gespräch in einem Cabrio eines Aufsteigers wird mit den Karrieren allenthalben gnadenlos abgerechnet. Ich war im Keller und habe geschrieben, dass ich aus dem Keller herauskomme, sagt einer. Und ein anderer ist verblödet und trägt seinen Tiroler-Hut, mit dem er in gewissen Kreisen gerne gesehen war, nur noch in der Nacht, wenn ihn niemand sieht.

In „Loch in Tirol“ wird alles zu einem mehrdeutigen sexuellen, geographischen und witterungsbedingten Loch, ehe der Dichter sich selbst als A-Loch einstuft, nachdem ihm im Suff eine Affäre mit der Tiroler Schwiegermutter passiert ist.

Mitleid gilt nicht. Die Figuren schauen jeweils in den Spiegel und reden Tacheles mit den abgearbeiteten Gesichtern, Schönheit ist etwas für die Erinnerung, Fitness gehört in die Vitrine. Die Botschaft ist ernüchternd, in der Literatur gibt es nur ein paar erfolgreiche Jahre für einen, er tut klug daran, wenn er danach wieder normal wird, denn zum Altern ist die Literatur absolut ungeeignet.

Und auch die Ansprüche werden immer geringer, in Bangkok will einer absolut keinen Sex mehr, nur noch ein paar Sätze, die man in den Laptop klopfen kann, das ist der Sinn des Lebens.

Franz Xaver Kroetz erzählt kurz angebunden, jeder Satz ist ein Strick um den Hals, Gnade ist etwas für die Nachfahren, wenn der Literaturspuk vorbei ist. Makaber durch Mark und Bein!

Franz Xaver Kroetz, Blut und Bier. 15 ungewaschene Stories + 2 Bonustracks.
Köln: Kiepenheuer & Witsch 2008. (= KiWi 1031). 139 Seiten. EUR 8,20. ISBN 978-3-462-03987-0.


Weiterführende Links:
Kiepenheuer & Witsch: Franz Xaver Kroetz, Blut und Bier
Wikipedia: Franz Xaver Kroetz

 

Helmuth Schönauer 28/07/11

Bibliographie

AutorIn

Franz Xaver Kroetz

Buchtitel

Blut und Bier. 15 ungewaschene Stories

Erscheinungsort

Köln

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Kiepenheuer & Witsch

Seitenzahl

139

Preis in EUR

8,20

ISBN

978-3-462-03987-0

Kurzbiographie AutorIn

Franz Xaver Kroetz, geb. 1946 in München, lebt in München.