Ilse Kilic, Das sich selbst lesende Buch

Das schönste Argument, das einem Buch widerfahren kann, ist die Bemerkung: Dieses Buch liest sich wie von selbst!

Ilse Kilic‘s „Roman“ mit diesem Kompliment-Titel liest sie tatsächlich wie von selbst, dabei geht es um die größten Fragen der Literatur, nämlich: kann sich Literatur selbst produzieren und kann jemand außerhalb des Buches damit glücklich werden?

Die Erkenntnisse aus diesen Fragestellungen nehmen es locker mit einer Denkschule auf, sie haben aber den Vorteil, dass man sie außerhalb eines Institutes denken und ohne Prüfungen auf sie einlassen kann. Die dabei vorgestellten „Handlungen und Wandlungen“ merkt man sich easy wie einen Urlaub.

Im aktuellen Roman agieren wie in einem Kinderbuch fünf Freunde, die aus einem vorherigen Roman übriggeblieben sind und die noch die eine oder andere Begebenheit zu erledigen haben. Der Roman als Kunstform wird dabei als Boot empfunden, das zur falschen Zeit voll werden kann und als Begriff dabei seine Unschuld verliert. Das Boot kann aber auch ein Erzählgerät sein, das eine Gruppe von A nach B bringt, wenn diese Gruppe still sitzt und das Boot nicht zum Schaukeln bringt.

Im ersten Teil raufen sich die Heldinnen zusammen, die Figuren schreiben eine Petition, wenn eines Sache nicht richtig läuft. Es wird diskutiert, ob die Autorin ein Durchgriffsrecht auf die Figuren hat, ob Protagonisten ausgeschlossen oder klein gehalten werden können. Kurzum, das Regieren eines Romans verzehrt genauso viele Ressourcen wie das Regieren eines Staates. Auch Lobbying, Mobbing, Tricksen und Ellenbogentechnik sind in einem Roman durchaus üblich.

Das sich selbst lesende Buch liest sich selbst, als wäre es die Autorin. [Es] liest sich, als wäre es jede der in ihm auftretenden Personen, als wäre es jeder Leser und jede Leserin innerhalb und außerhalb des Buches, als wäre es Lektor oder Lektorin und Kritiker oder Kritikerin. (10)

Im zweiten Teil geht es um den Weg zum Glück. Anhand der Autorin, die als Kind mit so feinfühligen Hör-Härchen ausgestattet ist, dass man sie auf die „gesunde Wahrnehmungsfähigkeit“ zurückoperieren muss, es wird geschildert, wie eine Figur namens Ilse Kilic zur Autorin gemacht wird. Nur wer den Pessimismus kennt, kann den Optimismus erkennen, lautet die Begründung, warum man sich an die Heldin „La Pessimissima“ halten soll.

Und den Überblick über Leitideen, Leithammeln und Leitidolen bietet nur die Gruppe, die diese Dinge diskutiert. Es gibt auch die Möglichkeit, sich als Person für den nächsten Roman anzumelden. Die Frage lautet nicht, was bietet mir das Leben, sondern was biete ich dem Leben!

Sprecht euch nicht ohne Not mit dem Imperativ an! (133)

Und was macht das sich selbst lesende Buch, heißt es im FAQ-Katalog. – Es arbeitet an der Verbesserung der Welt. (10)

Ilse Kilic, Das sich selbst lesende Buch
Klagenfurt: Ritter 2016, 134 Seiten, 13,90 €, ISBN 978-3-85415-543-0

 

Weiterführende Links:
Ritter Verlag: Ilse Kilic, Das sich selbst lesende Buch
Wikipedia: Ilse Kilic

 

Helmuth Schönauer, 19-03-2016

Bibliographie

AutorIn

Ilse Kilic

Buchtitel

Das sich selbst lesende Buch

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Ritter Verlag

Seitenzahl

134

Preis in EUR

13,90

ISBN

978-3-85415-543-0

Kurzbiographie AutorIn

Ilse Kilic, geb. 1958 in Wien, lebt in Wien.