Thomas J. Hauck, Berlin, Moabit-Blues

Am besten lässt sich der sogenannte Sinn des Lebens beschreiben, wenn man alte, gut abgehangene Lebensentwürfe abtastet und mit dem Glanz der öffentlichen Gegenwart vergleicht.

Im „Moabit-Blues“ von Thomas J. Hauck gehen am Rande eines vollen Lebens zwei Figuren auf einander zu, aber es kommt nur zu einer flüchtigen Begegnung, wie sie Fahrgäste beim Warten erleben, wenn sich ihre Transfers in entgegengesetzte Richtungen verlaufen.

Die Erzählung ist folglich streng getrennt in die Typologien „T. Gerber“ und „Luise“, beide Figuren zerplatzen fast vor Individualismus, und dennoch stehen sie jeweils eher für ein System als für ein persönlich ausgestaltetes Leben.

T. Gerber wohnt im Parterre, raucht ständig kräftigen Feinschnitt und dürfte auch einem Schluck Bier nicht abgeneigt sein, jedenfalls stinkt es in seiner Wohn-Grotte erbärmlich. Da sammelt er eines Tages seine Kräfte, putzt und renoviert und wartet auf die richtige Frau.

Die Tage vergingen mit Rauchen, Bierchen, dem Teddybärchen, dem Überlegen, was anziehen, dem Überlegen, wie sie ansprechen, und dem Warten. (21)

Aber es meldet sich nur eine Frau Pfaff, die schon wegen des Namens nicht die Richtige ist. Prompt verschläft er das Date mit ihr und beginnt wieder mit der Verschmutzung der Wohnung, dieses Mal aber mit Selbstbewusstsein.

„Ich bin ein richtiger Mann. Dann war er eingeschlafen. Scheinbar traumlos schlief er. (32)

Völlig unerwartet trifft T. Gerber auf eine gewisse Luise. „Luise saß an der Bushaltestelle. Und wartete. Auf den Bus zur Akropolis.“ (63)

Das zweite Kapitel ist eine Hommage an eine ältere Frau Luise, die von ihrem kaputten Körper schon ziemlich hergenommen wird, dennoch aber eine große Disziplin an den Tag legt, und sei es auch nur die Disziplin, korrekt zu träumen.

Vorsichtig war Luise aufgestanden, einmal der Schmerzen wegen, einmal der Bettdecke wegen, weil sie so schön glattgestrichen war. (88)

Auch Luise trifft zur richtigen Zeit an der Bushaltestelle ein und begegnet T. Berger. Dieses Treffen hat aber in der Folge keine Bedeutung, denn Luise träumt weiterhin von der Akropolis und T. Gerber geht heim in seinen Mief und liebt seinen Teddy.

Thomas J. Hauck erzählt mit Hingabe das Schicksal zweier Lebensentwürfe, wie sie konträrer gar nicht sein könnten. Dabei ist das Miteinander völlig sinnlos, das würden Heldin und Held auch gar nicht aushalten. In ihren Träumen freilich sind sie glückliche Spinner, die dem Leben so manche Sternstunde abringen. Die kurze Begegnung in Echtzeit ist dann der berühmte Hauch, der schneller vergeht, als man ausatmen kann. – Eine witzige Doppelgeschichte vom Glück, das darin besteht, die Wege des anderen nur in den Träumen zu kreuzen.

Thomas J. Hauck, Berlin, Moabit-Blues. Erzählung.
Innsbruck, Wien: Kyrene 2012. 100 Seiten. EUR 11,90. ISBN 978-3-902873-04-0.

 

Weiterführende Links:
Kyrene-Verlag: Bücher
Wikipedia: Thomas Johannes Hauck

 

Helmuth Schönauer, 15-10-2012

Bibliographie

AutorIn

Thomas J. Hauck

Buchtitel

Berlin, Moabit-Blues

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Kyrene-Verlag

Seitenzahl

100

Preis in EUR

11,90

ISBN

978-3-902873-04-0

Kurzbiographie AutorIn

Thomas J. Hauck, geb. 1958, lebt in Berlin.