Wolfgang Hermann: Abschied ohne Ende

„Wenn das Sommerlicht einmal gebrochen war, kehrte es nie mehr zurück.“ (9) Wolfgang Hermann gilt als der Magier des Selbstverständlichen, oft sind es Lichtverhältnisse, der Wechsel einer Jahreszeit, der Verlauf eines Straßenzuges oder biographische Krümmungen zwischen Liebe und Tod, denen er mit frisch kalibrierten Sätzen zu Leibe rückt.

In der poetischen Dokumentation „Abschied ohne Ende“ findet ein Vater seinen siebzehnjährigen Sohn Fabius tot im Bett seines Zimmers auf. Dieser Tod kommt so unerwartet, dass es allen die Sprache verschlägt. Einzig der Körper des Vaters scheint eine Botschaft ausdrücken zu können, indem er eine Herzattacke auslöst.

Allmählich ringt sich der Vater in Ich-Form verschiedene Stationen im Leben seines Sohnes ab. Die familiären Verhältnisse sind vielleicht frische Wunden, immerhin ist die Mutter mit Fabius ausgezogen, als dieser ein Jahr alt war. Die Spieltage mit dem ausgeliehenen Kind kommen genauso ins Bewusstsein zurück wie der fröhliche Umgang des Jungen mit seinen Schulkollegen.

Die Trauerarbeit braucht Rituale und Sätze, und vor allem Zeit. Nach dem Begräbnis wollen Fabius Kollegen unbedingt sein Zimmer sehen, in dem sie so manche Fete gefeiert haben. Vielleicht kann man sich von jemandem verabschieden, wenn man sich von seinen Gegenständen, seiner Musik, seinen Büchern verabschiedet.

Das Leben ist eine Flüssigkeit. Wenn man sie nicht zusammenhält, versickert sie. (99)

Auch die Freundin von Fabius lässt sich eines Tages vom Ich-Erzähler zu einem Kaffe einladen, bei dieser Gelegenheit erzählt sie von einer fröhlichen, hellen, zukunftsvollen Welt, die scheinbar vor ihnen gelegen ist, ein schweres Kontrastmittel zu den herbstlichen Fügungen, die im Kopf des Vaters herumschwirren.

Am meisten irritiert den Trauernden die Hilflosigkeit der Worte. „Ich wusste nicht, dass Worte wertlos waren, wenn keine Taten folgten.“ (88)
Letztlich gewinnen die Witterungen, die Krähen, die wechselnden Jahreszeiten die Oberhand im Abschieds-Gefüge, das kein Ende kennt. Aber diese seltsamen Sätze lassen eine Überlebensstruktur durchschimmern.

Jetzt blies der Wind den Dunst des Viehs im satten Gras herüber … (80)

Wolfgang Hermanns Erzählung von einem tragischen Todesfall eines Jugendlichen lotet Sätze aus, die beim Überleben helfen könnten. Die Poesie kümmert sich sorgfältig um die kleinsten Dinge. Erst wenn diese Feinheiten der Wahrnehmung formuliert sind, lässt sich vielleicht die große Trauerarbeit angehen. – Ein stiller, aufregender Versuch, dem Tod mit poetischen Nuancen beizukommen.

Wolfgang Hermann, Abschied ohne Ende.
München: LangenMüller 2012, 104 Seiten, EUR 15,50, ISBN 978-3-7844-3291-5.

 

Weiterführende Links:
Verlag LangenMüller: Wolfgang Hermann, Abschied ohne Ende
Wikipedia: Wolfgang Hermann

 

Helmuth Schönauer, 13-09-2012

Bibliographie

AutorIn

Wolfgang Hermann

Buchtitel

Abschied ohne Ende

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

LangenMüller

Seitenzahl

104

Preis in EUR

15,50

ISBN

978-3-7844-3291-5

Kurzbiographie AutorIn

Wolfgang Hermann, geb. 1961 in Bregenz, lebt in Dornbirn und Wien.